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Von Natur aus farbige BaumwolleEine vergessene Textiltradition wieder im Trend

Eigenfarbe kontra Färbemittel: Was heute als ökologisch motivierte Modeneuheit auftritt, zählte vor 5000 Jahren zum Alltag in den Kulturen Süd- und Zentralamerikas.


Manchmal genügt ein Blick, um das Leben eines Menschen zu ändern, im privaten wie im beruflichen. Es geschah an einem Nachmittag des Jahres 1977: In Gesellschaft einer stattlichen Anzahl von Fliegen, Ratten, einer Schlange und einem Affen saß ich in einem kleinen Labor des Nationalen Museums für Anthropologie und Archäologie in Lima und untersuchte Textilien aus einer Zeit, als Kolumbus Amerika noch nicht entdeckt hatte.

Einige Jahre zuvor war ich als Doktorand der Archäologie nach Peru gekommen, um an einer Ausgrabung in Chan Chan in den nördlichen Anden teilzunehmen, der nahe Trujillo gelegenen Hauptstadt des ehemaligen Chimú-Reiches (1000-1470). Ein Stipendium der Organisation der Amerikanischen Staaten half mir danach, meine Studien in Lima fortzusetzen. Ich suchte nach Wegen, vorkolumbianische Textilien zu konservieren. An jenem Tag entdeckte ich in der Zellwand von Baumwollfasern mit dem Stereomikroskop merkwürdige dunkle Punkte, die dem Gewebe offensichtlich seine Farbe verliehen. Sie schienen mir nicht von einem Färbemittel herzurühren; so fragte ich an der Universität herum, ob jemand Baumwollsorten kenne, die bereits von Natur aus pigmentiert sind. Die Antwort war ein kategorisches und häufig spöttisches "Nein": Baumwolle sei doch "von Natur aus" weißlich. Die von mir entdeckte Kolorierung sei vermutlich durch Alterung des Gewebes entstanden, beispielsweise durch eine Oxidationsreaktion.

Nicht überzeugt flog ich nach Trujillo und suchte Victor Antonio Rodriguez Suy Suy auf, Professor für Anthropologie an der dortigen Nationalen Universität, um ihm die gleiche Frage zu stellen. Er stammt von den Mochica ab, einem indianischen Fischervolk, das dort schon vor Christi Geburt an der peruanischen Küste lebte. Gerade angekommen zeigte mir Suy Suy außerhalb des Flughafengeländes einige unter dem Straßenniveau liegende Felder aus vorspanischer Zeit (Bauern der Küstenregion entfernten die sandige und steinige obere Erdschicht, um fruchtbareren Boden freizulegen; außerdem reichten die somit tiefer gesetzten Pflanzen auf diese Weise an das Grundwasser und benötigten keine weitere Bewässerung). Ich war verblüfft: Am Rande der Straße wuchs Baumwolle mit rötlichen Fasern! Begeistert verbrachte ich die nächsten Monate in dieser Gegend, einer wahren Schatzkammer. Ich entdeckte Pflanzen und Gewebe mit Fasern in vielen natürlichen Braunschattierungen, sogar malvenfarbene. Einfach war das allerdings nicht, denn die Indianer hüteten ihre Felder sehr mißtrauisch.

Aber dieses Erlebnis sollte meine weitere wissenschaftliche Laufbahn prägen. Seitdem widme ich mich der "Ethnoarchäologie" und sammle alle Informationen über natürlich gefärbte Baumwolle – in Museen und Bibliotheken, an historischen Orten und bei Einheimischen. Letztlich erfuhr ich von den Mochica-Indianern am meisten. Schon ihre Vorfahren hatten vor etwa 2000 Jahren Faserpflanzen in unzähligen, auch hellen Farbtönen kultiviert. Einige dieser Landsorten wurden von ihnen bis heute bewahrt. Einige fand ich zudem in Guatemala und Mexiko sowie in verschiedenen Samenbanken von Landwirtschaftsministerien.

Die Ursprünge dieser Kulturpflanzen reichen aber offenbar noch weiter zurück. Vor fünf Jahrtausenden selektierten und verbesserten frühe Bauerngesellschaften in Süd- und Zentralamerika mindestens zwei Baumwollarten, die sich später in der ganzen Welt verbreiten sollten: Gossypium hirsutum im Norden Zentralamerikas und in der Karibik sowie G. barbadense – berühmt für die längsten und feinsten Samenhaare überhaupt – im Westen Südamerikas. Das älteste Baumwollgewebe, das bisher in Zentralamerika entdeckt wurde, stammt aus Mexiko, und zwar aus der Gegend um Tehuacán nahe Oaxaca, und entstand etwa 2300 Jahre vor Christus; vermutlich wurde G. hirsutum verwendet. Schokoladenbraune Fasern – die es nur bei G. barbadense gibt – fanden Archäologen in den ältesten Siedlungsschichten von Huaca Prieta, einem von etwa 3100 bis 1300 vor Christus bewohnten Platz im Chicama-Tal an der Nordküste Perus (der Ketschua-Ausdruck Huaca bezeichnet heute vorspanische Ruinenstädte, ursprünglich aber heilige Orte der Indianer).

Schokoladen- und hellbraune Fasern nutzten die Weber der Andenregion in vielen Stoffen. Die trockenen Böden an der Küste Nordperus verhinderten deren Zersetzung über Tausende von Jahren. Vermutlich haben außerdem Fischer diese Farben bevorzugt: Netze und Taue aus der dunkleren Baumwolle bleiben Fischen eher verborgen – eine noch heute angewandte List.

Trotz der weiten Verbreitung natürlich pigmentierter Baumwolle – von der Andenregion bis nach Oaxaca – fanden sich keine Zeugnisse an prähistorischen Ausgrabungsstätten nördlich von Mexiko. Falls die textilen Rohstoffe dorthin gehandelt oder die Pflanzen sogar vor Ort angebaut wurden, sind die Materialien vergangen beziehungsweise die Farben verblaßt. Zwar haben die Hopi im Südwesten der USA in vorgeschichtlicher Zeit Baumwolle der Varietät G. hirsutum punctatum sehr kunstvoll verarbeitet, doch die noch erhaltenen Artefakte sind weiß oder gebrochen weiß. Waren sie es ursprünglich, oder sind ihre Farben mit der Zeit ausgeblichen?

Mexikanischen Dokumenten aus dem 16. Jahrhundert zufolge entrichteten die Völker des Tieflandes den Azteken Tributzahlungen zu einem erheblichen Teil in Form brauner Baumwolle. Nachdem die ersten Spanier die peruanische Wüste im Jahre 1531 durchquert hatten, sollen sie anderen Schriften zufolge die ausgedehnten vielfarbigen Pflanzungen bewundert haben – eine solche Farbigkeit war ihnen bis dato unbekannt. Natürlichfarbene Baumwollgewebe gehörten denn auch zu den ersten Dingen, welche die Europäer als Tribut einsammelten und verkauften oder an den spanischen Hof verschifften. Diese indianischen Textilien waren zudem in ihrer Technik raffinierter als alles, was die Webstühle der Alten Welt im ausgehenden 15. Jahrhundert hervorbrachten.

Als sich Kaufleute und Naturforscher die Neue Welt erschlossen, verbreiteten sie auch dort heimische Baumwollpflanzen rund um die Erde. Zwar wurden in Afrika und Asien ebenfalls schon seit Jahrtausenden Baumwollarten kultiviert, zum Beispiel G. arboreum und G. herbaceum. Fasern aus der Zeit um 2200 vor Christus haben Archäologen am Indus entdeckt, etwa 4250 Jahre alte in Nubien. Sie sind heute weiß bis leicht bräunlich, doch ob dies ihre ursprüngliche Farbe ist, vermag niemand zu sagen. Aber die Baumwollarten der Alten Welt hatten teilweise viel kürzere Fasern als die der Neuen, ließen sich also schwerer verspinnen und verweben. Amerikanische Sorten drängten nach und nach die einheimischen zurück.

Die heutige ägyptische Baumwolle beispielsweise leitet sich höchstwahrscheinlich von einer Landsorte der Art G. barbadense ab, die offenbar mit Sklavenhändlern nach Nordafrika gelangte. Die zuerst um etwa 1820 beschriebene Stammform brachte ursprünglich ein langes, kräftiges Lint (siehe Glossar Seite 42) mit goldbrauner Farbe hervor, wurde dann aber mit einheimischen Pflanzen gekreuzt. So entstanden neue Züchtungen für den kommerziellen Anbau: Ashmouni, eine braune Variante; Mitafifi, mit noch dunkleren, längeren Fasern, aus der 1908 die amerikanisch-ägyptische Yuma-Baumwolle hervorging; und schließlich die Varietät, die heutzutage Pima-Baumwolle heißt. Letztere haben Wissenschaftler in Pima County (Neu-Mexiko) aus mehreren während des letzten Jahrhunderts in Ägypten angebauten langfaserigen Formen gezüchtet; deren Vorfahren wiederum waren an der Nordküste Perus beheimatet.

Auch in China gab es von Natur aus pigmentierte Baumwolle. Die sogenannten Nankin-Varietäten waren allerdings kurzstapelig (siehe Glossar Seite 42) und wirkten eher weißlich. Ihre Herkunft ist aus den Quellen nicht eindeutig zu erschließen, doch könnte es sich nach Beschreibungen aus dem 19. Jahrhundert um eine ursprünglich aus Süd- und Zentralamerika eingeführte Landsorte handeln. Sicher ist jedenfalls, daß irgendwann einmal G.-hirsutum-Pflanzen aus der Karibik China erreichten.

"Farbige" Baumwollpflanzen aus dem östlichen Mittelmeerraum und aus Asien gelangten offenbar erstmals während der Kolonialzeit in die heutigen Vereinigten Staaten. Insgesamt hat man Kultursorten dreier Arten eingeführt: G. arboreum, G. hirsutum und G. barbadense. Fasern der farbigen Formen wurden in mehreren der südlichen Staaten handversponnen und -verwebt, gelegentlich auch maschinell verarbeitet. Im Herzen des Mississippi-Deltas beispielsweise kultivierten einige wenige Produzenten immerhin zweihundert Jahre lang eine goldbraune Landsorte. Ein kommerzieller Erfolg wurde keine dieser Pflanzen in den USA.

Was aber verhalf der reinweißen und sogenannten Hochland-Baumwolle schließlich zum Siegeszug? Vermutlich zunächst einmal ihre Anpassung an die klimatischen Bedingungen höherer Breiten. Anfangs experimentierten die Farmer der späten Kolonialzeit zwar mit G. barbadense und G. hirsutum, doch dann gelang es ihnen, eine Varietät zu züchten, die in einer kürzeren Vegetationsperiode zur Reife gelangt. Das wiederum entsprach dem technologischen Fortschritt: Auf das Jahr 1794 datiert man die Einführung der Baumwoll-Entkernungsmaschine, die Samen und Samenhaare trennt; das Ende der Sklaverei nach dem Sezessionskrieg (1861-1865) förderte die Entwicklung von Erntemaschinen für die Plantagen. Die aus tropischen Ländern stammenden Sorten waren für diese Techniken nur bedingt geeignet – unreife und reife Samenkapseln ließen sich nur per Hand sauber trennen. Die industrielle Revolution lief auf Hochtouren, und mit der Entwicklung günstiger chemischer Farb-stoffe wurde es schließlich wirtschaftlicher, weiße Baumwolle anzubauen und sie dann beliebig zu färben. Um 1900 hatten kommerzielle weiße Baumwoll-Varietäten schließlich die meisten einheimischen, farbigen Sorten Afrikas, Asiens, Zentral- und Südamerikas verdrängt.

Etwa 1930 gab es nochmals eine kurze Nutzung auf Haiti sowie eine während des Zweiten Weltkriegs in der damaligen Sowjetunion – Farbstoffe waren damals knapp. Die USA zeigten daran zwar Interesse, doch die Pflanzen für grüne und braune Baumwolle lieferten eine geringe Ausbeute und nur kurze Fasern. Der amerikanische Agronom J. O. Ware konnte deshalb der US-Regierung keine kommerzielle Nutzung empfehlen. Damit verschwand die farbige Baumwolle praktisch vom Markt. Die siegreiche weiße Konkurrentin erhielt ihrerseits in den siebziger Jahren starke Konkurrenz – durch die Chemiefasern.

Überraschend begannen einschlägige Markenunternehmen der Bekleidungsindustrie in den USA und Europa in den neunziger Jahren, "umweltfreundliche", da chemikalienfreie Baumwolle einzukaufen. Das Bewußtsein ihrer Kunden hatte sich verändert. Immerhin verbrauchen Baumwollbauern etwa 23 Prozent aller weltweit eingesetzten Insektizide und zehn Prozent aller Pestizide. Dabei geht allein ein Drittel der Pestizide auf das Konto der Farmer der USA, gefolgt von ihren indischen Kollegen mit beinahe elf Prozent. Zu den Insektiziden und Pestiziden dieses Landwirtschaftsbereichs gehören überdies einige der langlebigsten und verheerendsten überhaupt. So beeinträchtigt beispielsweise Trifluralin den Hormonhaushalt und letztlich die Fruchtbarkeit von Tieren. Und Tribufos wird in den USA als mögliches Karzinogen für den Menschen eingestuft. Diese Substanzen schädigen aber nicht nur die Bauern, die mit ihnen arbeiten. Sie sickern auch in die Erde, gelangen in das Grundwasser und vergiften Bäche und Flüsse. Noch dazu wird weiße Baumwolle nach der Ernte normalerweise chlorgebleicht – in Prozessen, bei denen Dioxine entstehen können. Und beim Färben kommt eine ganze Batterie von Chemikalien zum Einsatz, von denen viele Schwermetalle enthalten, die dann ins Abwasser gelangen können.

Dementsprechend verlangen immer mehr Verbraucher nach "biologisch" angebauter Baumwolle. Entsprechende Zertifikate besagen je nach Land, daß auf dem Feld ein bis drei Jahre lang keine Schädlingsbekämpfungsmittel eingesetzt worden sind (wobei allerdings nach Meinung von Experten die Rückstände einiger, zuvor eingesetzter Chemikalien eventuell noch nicht abgebaut sind). Mittlerweile wird auf einer Fläche von 8000 Hektar in den USA und in einem halben Dutzend anderer Länder Baumwolle demgemäß biologisch angebaut, darunter auch naturfarbene.

Diese Entwicklung freut mich und meine Kollegen in Peru sehr. Als ich meine Forschung 1977 begann – aufgrund dunkler Einschlüsse in Baumwollfasern –, erzählte man mir in Lima nicht nur, daß es keine natürlich gefärbte Baumwolle gäbe, sondern glaubte auch die alten Fertigkeiten des Spinnens und Webens unter der einheimischen Bevölkerung längst verschwunden. Daß Kleinbauern und Kunsthandwerker indianischer Abstammung noch ganze Felder mit brauner Baumwolle kultivierten, ja, daß eine reiche Textiltradition aus der Zeit um 3000 vor Christus bis heute fortbesteht, hat viele begeistert. Deshalb gründete ich 1982 mit Unterstützung des peruanischen Arbeits- und Fremdenverkehrsministeriums das "Native Cotton Project", an dessen Leitung ich bis heute beteiligt bin. Ziel war die Wiederbelebung des Anbaus und der Verwendung naturfarbener Baumwolle. Für die Regierung bedeutete das allerdings die Abkehr von einer jahrzehntealten Politik: Seit 1931 hatte sie versucht, durch Gesetze und Dekrete die ausdauernden, pigmentierten Arten der einheimischen Baumwolle auszumerzen. Um die ökonomisch wertvolleren weißen Arten in einem größeren Bereich der Küste Perus vor Seuchen zu schützen, sollten alle Pflanzen, die den Schädlingen ebenfalls als Wirt dienen konnten, vernichtet werden. Dazu gehörten insbesondere farbige Baumwollpflanzen, der peruanische Kapokbaum (Bombax discolor) und sogar eine lintlose Baumwolle (G. raimondii). Mit Pestiziden ging man auf den Baumwollfeldern sehr großzügig um, die erfolgreiche Tradition des Fruchtwechsels wurde aufgegeben.

Die Konsequenzen waren fatal: Viel von der genetischen Vielfalt, die es zu Beginn dieses Jahrhunderts gegeben hatte, ging unwiederbringlich verloren, wurde von den indianischen Bauern aufgegeben oder von einer ganzen Armee neuer Pflanzenpathogene unterdrückt, die nach dem massiven Pestizideinsatz aufkamen. Schließlich war sogar das Überleben der kommerziellen weißen Baumwolle bedroht. Dennoch hielt die Regierung bis in die achtziger Jahre an diesem unsinnigen Programm fest.

Erst 1990 verbot ein neuer peruanischer "Umweltkodex" die Ausrottungspraxis, doch Pestizide beherrschen nach wie vor die Landwirtschaft, ihr Verbrauch erreichte in dieser Dekade sogar seinen Höchststand: Etwa acht Kilogramm wurden pro Person und Jahr in Peru versprüht, und das, obwohl manche Experten darauf hinweisen, daß sich trotzdem nur noch ein Prozent des Schadens, den Insektenplagen verursachen, auf diese Weise vermindern läßt.

Langsam kommt das "Native Cotton Project" voran. Immerhin kultivieren derzeit etwa 15000 Kleinbauern und Indianer 75 Landrassen weißer und natürlich pigmentierter Baumwolle auf Dutzenden von Parzellen in ganz Peru. Sie sind weltweit die bei weitem größte Einzelgruppe von Produzenten für natürlich gefärbte Fasern. Die meisten nutzen biologische Methoden: Sie entfernen Schädlinge von Hand (häufig lesen Kinder das Getier ab und ertränken es in einem mit Wasser gefüllten Gefäß) und bauen Pflanzen an, die Ungeziefer vertreiben – Techniken aus der Zeit, bevor Kolumbus Amerika entdeckte. Ausgrabungen von Siedlungen aus dem Jahre 1250 nach Christus zeigen beispielsweise, daß Baumwolle im Wechsel mit Kürbisgewächsen angebaut wurde.

Darüber hinaus fand man in Bodenproben Pollenkörner von Lippia, einem unkrautartigen, strauchigen Gewächs, das die meisten Bauern für nutzlos hielten. Aber erst nach Jahren der Befragung einheimischer Bauern erfuhren Wissenschaftler von einem Achtzigjährigen, daß er jeweils eine Reihe Lippia neben seinen einheimischen Baumwollpflanzen anbaute, um einen bestimmten Schädling einzudämmen, Dysdercus peruvianus. Dieser Käfer ruiniert die Ernte, indem er die Baumwollsamen anbohrt, so daß deren dunkle Öle austreten und die Fasern der Kapsel verfärben. Dem kam der alte Bauer zuvor, indem er Lippia-Strauchwerk abschnitt, in der Sonne trocknete und anzündete, wenn der Wind in der richtigen Richtung stand. Beißender Rauch wehte über die Felder und vertrieb dank bestimmter Inhaltsstoffe das Ungeziefer.

Ein großer Erfolg für unser Projekt war 1993 das Angebot einer Textilfirma in Arequipa, unsere Baumwolle international zu vertreiben. Unter dem Markennamen Pakucho (das heißt in der Sprache der Inkas "braune Baumwolle"), stellen die Indianer nun verschiedene Produkte und Textilien aus natürlich pigmentierter Baumwolle her. Die holländische Organisation Skal zertifiziert den biologischen Anbau gemäß den jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen. Für die Bauern, die zuvor aus Not dazu gezwungen waren, auf ihrem Land Coca anzupflanzen, hat sich damit eine echte und noch dazu lukrative Alternative eröffnet. Es gibt mittlerweile ähnliche Versuche auch in anderen Ländern Südamerikas. So spinnt und webt beispielsweise eine kleine Gruppe von Kleinbauern unter studentischer Führung in den Hügeln von Santander in Kolumbien wieder einheimische Baumwolle. Im Hochland Guatemalas leitet das Ixchel-Museum von Guatemala-Stadt ein Projekt in Gemeinden, in denen braune Baumwolle (Ixcoco genannt) traditionell gesponnen wurde, bis diese Praxis fast ausstarb. Und auch im bolivianischen Osten hoffen die Chiquitano-Indianer, ihren biologischen Baumwollanbau wieder zum Leben zu erwecken. In diesem Jahr dürfte der Export Perus an natürlich pigmentierter und organisch gewachsener Baumwolle vermutlich den Wert von 15 Millionen US-Dollar überschreiten. Tatsächlich scheint die Zukunft dieser alten Textiltradition vielerorts golden zu sein.

Literaturhinweise


Moche: A Peruvian Coastal Community. Von John Gillin. Institute of Social Anthropology, Publication No. 3, Smithsonian Institution, Washington D. C., U. S. Government Printing Office, 1947.

The Natural History of the Cotton Tribe (Malvaceae, Tribe Gossypieae). Von Paul A. Fryxell. Texas A&M Press, 1979.

Naturally Colored and Organically Grown Cottons: Anthropological and Historical Perspectives. Von J. M. Vreeland in: Proceedings of the 1993 Beltwide Cotton Conferences. National Cotton Council of America, 1993.

Cotton. Von J. F. Wendel in: Evolution of Crop Plants. Von J. Smartt und N. W. Simmonds (Hg.). John Wiley & Sons, 1995


Aus: Spektrum der Wissenschaft 8 / 1999, Seite 38
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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