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Vor fünfzig und hundert Jahren


1948


Wieder deutsche Fernsehforschung. Nachdem die Militärregierung vor kurzem Deutschland die Wiederaufnahme der Fernsehforschung gestattet hat, trafen sich in diesen Tagen auf Einladung des Nordwestdeutschen Rundfunks in Hamburg führende Fernsehtechniker aus allen Zonen. Der NWDR plant schon in Kürze, Fernsehversuche wieder einzuleiten... Die deutsche Forschung hat es dabei nicht leicht, der Vorsprung in USA und England ist auf Grund der großen Praxis offensichtlich. Als Qualitätsmaßstab für den Stand der Fernsehtechnik wird oft die Zeilenzahl genannt, in die man das zu übertragende Bild auflöst. (Dies ist nicht ganz korrekt, da hiermit nur die Schärfe in senkrechter Richtung bestimmt wird, die Schärfe in waagrechter Richtung kann trotz gleicher Zeilenzahl verschieden sein.) Beginnend mit 30 Zeilen pro Bild wurde in Deutschland bis 1939 die Auflösung auf 441 Zeilen entwickelt. England übertrug mit 405 Zeilen, die USA ebenfalls mit 441. Jetzt sendet man dort mit 525 Zeilen. Hier gilt es also nachzukommen. (Süddeutsche Zeitung, 4. Jg., Nr. 83, 30. September 1948, Seite 5)

Wissenschaft in Not. Die in Clausthal versammelten Physiker aller vier Zonen Deutschlands erheben mit ihren Freunden aus England, Holland, Norwegen und USA in höchster Not warnend die Stimme. Wir verzichten darauf, auf die geistigen Werte hinzuweisen, welche nicht nur unserem eigenen Lande, sondern der ganzen Welt verlorengehen, wenn die deutsche Wissenschaft geopfert wird, die der Menschheit so viele grundlegende Erkenntnisse geschaffen hat. Wir könnten es nur schwer begreifen, wenn diese kulturellen Werte mit bedauerndem Achselzucken hinter die unmittelbaren Lebensbedürfnisse zurückgestellt werden. Aber es handelt sich ja nicht nur um kulturelle Werte, sondern um Existenz und Zukunft unseres Volkes. Es ist eine Binsenweisheit geworden, welche man sich immer wieder zu wiederholen scheut, daß die Wissenschaft von heute die Technik von morgen ist. Müssen wir vergeblich daran erinnern, daß die heutige industrielle Produktion die Frucht vorangegangener Forschung ist, und daß Forschung und Wissenschaft ein wichtiger Teil des Volksvermögens sind, der nicht verschwendet werden darf. (Göttinger Universitäts-Zeitung, 3. Jg., Nr. 20, 24. September 1948, Seite 3)

Vitamin B12. Im Jahre 1926 stellte Minot fest, daß die "perniziöse" Anämie, eine vorher unheilbare und stets tödlich verlaufende Form der Blutarmut, durch Gaben von Leber günstig beeinflußt werden konnte. Der Gedanke lag nahe, in der Leber nach einem spezifisch wirkenden Stoff, einem Vitamin gegen die bösartige Blutarmut zu suchen. Vor einiger Zeit glaubte man, diesen Stoff in der Folinsäure gefunden zu haben. Bei Versuchen, die perniziöse Anämie mit der Folinsäure zu behandeln, stellte man jedoch fest, daß ihre Wirkung bei weitem nicht so günstig war wie die der Leberextrakte oder spritzbaren Leberpräparate. Es mußte also ein anderer in der Leber enthaltener Wirkstoff die Heilwirkung bei Blutarmut verursachen. In dem Laboratorium der Chemischen Werke Merck und Co. in Rahway, USA, wurde nun eine Substanz in kristalliner Form aus der Leber isoliert, die diese spezifische Wirkung auf die Blutarmut ausübt. Der neue Wirkstoff erhielt die Bezeichnung Vitamin B12. Ein Kilogramm Leber enthält 0,03 Milligramm dieses neuen Vitamins. (Orion, 3. Jg., Heft 9, 15. September 1948, Seite 380

1948


Wieder deutsche Fernsehforschung. Nachdem die Militärregierung vor kurzem Deutschland die Wiederaufnahme der Fernsehforschung gestattet hat, trafen sich in diesen Tagen auf Einladung des Nordwestdeutschen Rundfunks in Hamburg führende Fernsehtechniker aus allen Zonen. Der NWDR plant schon in Kürze, Fernsehversuche wieder einzuleiten... Die deutsche Forschung hat es dabei nicht leicht, der Vorsprung in USA und England ist auf Grund der großen Praxis offensichtlich. Als Qualitätsmaßstab für den Stand der Fernsehtechnik wird oft die Zeilenzahl genannt, in die man das zu übertragende Bild auflöst. (Dies ist nicht ganz korrekt, da hiermit nur die Schärfe in senkrechter Richtung bestimmt wird, die Schärfe in waagrechter Richtung kann trotz gleicher Zeilenzahl verschieden sein.) Beginnend mit 30 Zeilen pro Bild wurde in Deutschland bis 1939 die Auflösung auf 441 Zeilen entwickelt. England übertrug mit 405 Zeilen, die USA ebenfalls mit 441. Jetzt sendet man dort mit 525 Zeilen. Hier gilt es also nachzukommen. (Süddeutsche Zeitung, 4. Jg., Nr. 83, 30. September 1948, Seite 5)

Wissenschaft in Not. Die in Clausthal versammelten Physiker aller vier Zonen Deutschlands erheben mit ihren Freunden aus England, Holland, Norwegen und USA in höchster Not warnend die Stimme. Wir verzichten darauf, auf die geistigen Werte hinzuweisen, welche nicht nur unserem eigenen Lande, sondern der ganzen Welt verlorengehen, wenn die deutsche Wissenschaft geopfert wird, die der Menschheit so viele grundlegende Erkenntnisse geschaffen hat. Wir könnten es nur schwer begreifen, wenn diese kulturellen Werte mit bedauerndem Achselzucken hinter die unmittelbaren Lebensbedürfnisse zurückgestellt werden. Aber es handelt sich ja nicht nur um kulturelle Werte, sondern um Existenz und Zukunft unseres Volkes. Es ist eine Binsenweisheit geworden, welche man sich immer wieder zu wiederholen scheut, daß die Wissenschaft von heute die Technik von morgen ist. Müssen wir vergeblich daran erinnern, daß die heutige industrielle Produktion die Frucht vorangegangener Forschung ist, und daß Forschung und Wissenschaft ein wichtiger Teil des Volksvermögens sind, der nicht verschwendet werden darf. (Göttinger Universitäts-Zeitung, 3. Jg., Nr. 20, 24. September 1948, Seite 3)

Vitamin B12. Im Jahre 1926 stellte Minot fest, daß die "perniziöse" Anämie, eine vorher unheilbare und stets tödlich verlaufende Form der Blutarmut, durch Gaben von Leber günstig beeinflußt werden konnte. Der Gedanke lag nahe, in der Leber nach einem spezifisch wirkenden Stoff, einem Vitamin gegen die bösartige Blutarmut zu suchen. Vor einiger Zeit glaubte man, diesen Stoff in der Folinsäure gefunden zu haben. Bei Versuchen, die perniziöse Anämie mit der Folinsäure zu behandeln, stellte man jedoch fest, daß ihre Wirkung bei weitem nicht so günstig war wie die der Leberextrakte oder spritzbaren Leberpräparate. Es mußte also ein anderer in der Leber enthaltener Wirkstoff die Heilwirkung bei Blutarmut verursachen. In dem Laboratorium der Chemischen Werke Merck und Co. in Rahway, USA, wurde nun eine Substanz in kristalliner Form aus der Leber isoliert, die diese spezifische Wirkung auf die Blutarmut ausübt. Der neue Wirkstoff erhielt die Bezeichnung Vitamin B12. Ein Kilogramm Leber enthält 0,03 Milligramm dieses neuen Vitamins. (Orion, 3. Jg., Heft 9, 15. September 1948, Seite 380

1898


Graf Zeppelins lenkbarer Luftfahrzug. Ende Juni d. J. ist in Stuttgart eine "Gesellschaft zur Förderung der Luftschiffahrt" mit einem Actiencapital von 800000 Mark begründet worden zum Bau jenes Zeppelinschen und unter Umständen auch anderer Luftschiffe... Der Zeppelinsche Luftfahrzug besteht, wie schon der Name andeutet, aus mehreren für sich selbständigen, an einander gekuppelten Theilen. Die Zwischenräume sind aber, um Luftwiderstände zu vermeiden, mit cylindrischen Stoffmuffen umhüllt, so dass der ganze Zug als ein einziges sehr lang gestrecktes, vorn und hinten kugelförmig abgerundetes Luftschiff erscheint. Unter diesen Umständen erhält der Luftfahrzug einen für die Ueberwindung des Luftwiderstandes günstigen, verhältnissmässig kleinen Querschnitt bei grosser Tragfähigkeit und Stabilität. Der vorderste Ballon stellt das Zugfahrzeug vor und ist zu diesem Zweck nicht, wie bei allen früheren lenkbaren Luftschiffen, mit einem, sondern mit mehreren Motoren versehen, die je zwei Schraubenpropeller, welche seitlich möglichst nahe dem Widerstandscentrum angebracht sind, in Rotation setzen... Unter der ganzen Länge des Fahrzuges befindet sich ein Laufgang, von dem aus man auf Strickleitern nach allen Theilen des Fahrzuges gelangen kann. (Prometheus, IX. Jg., No 468, 1898, Seiten 823 bis 824)

Polonium. Einige Mineralien, welche Uran und Thor enthalten (Pechblende, Chalcolit, Uranit), zeigen eine ganz auffallend starke Emission von Becquerelschen (Uran-)Strahlen, welche selbst diejenige des Urans und Thors übertreffen können. Dies führte Herrn P. Curie und Frau S. Curie auf die Vermuthung, dass diese Mineralien eine Substanz enthalten möchten, welche stärker wirksam ist als die beiden genannten Metalle, und sie haben ihre Vermuthung einer experimentellen Prüfung unterzogen... Durch die verschiedenen Versuche wurde schliesslich ein Stoff gewonnen, dessen Emissionsvermögen 400mal so gross war, als das des Urans. Unter den bekannten Elementen und Verbindungen konnte kein Körper von solcher Emissionsfähigkeit gefunden werden. Die Verfasser vermuthen daher, dass hier ein noch unbekanntes, dem Wismuth sehr nahe stehendes Metall vorliegt, das sie "Polonium" zu nennen vorschlagen. (Naturwissenschaftliche Rundschau, XIII. Jg., Nr. 38, 1898, Seiten 491 bis 492

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Graf Zeppelins lenkbarer Luftfahrzug. Ende Juni d. J. ist in Stuttgart eine "Gesellschaft zur Förderung der Luftschiffahrt" mit einem Actiencapital von 800000 Mark begründet worden zum Bau jenes Zeppelinschen und unter Umständen auch anderer Luftschiffe... Der Zeppelinsche Luftfahrzug besteht, wie schon der Name andeutet, aus mehreren für sich selbständigen, an einander gekuppelten Theilen. Die Zwischenräume sind aber, um Luftwiderstände zu vermeiden, mit cylindrischen Stoffmuffen umhüllt, so dass der ganze Zug als ein einziges sehr lang gestrecktes, vorn und hinten kugelförmig abgerundetes Luftschiff erscheint. Unter diesen Umständen erhält der Luftfahrzug einen für die Ueberwindung des Luftwiderstandes günstigen, verhältnissmässig kleinen Querschnitt bei grosser Tragfähigkeit und Stabilität. Der vorderste Ballon stellt das Zugfahrzeug vor und ist zu diesem Zweck nicht, wie bei allen früheren lenkbaren Luftschiffen, mit einem, sondern mit mehreren Motoren versehen, die je zwei Schraubenpropeller, welche seitlich möglichst nahe dem Widerstandscentrum angebracht sind, in Rotation setzen... Unter der ganzen Länge des Fahrzuges befindet sich ein Laufgang, von dem aus man auf Strickleitern nach allen Theilen des Fahrzuges gelangen kann. (Prometheus, IX. Jg., No 468, 1898, Seiten 823 bis 824)

Polonium. Einige Mineralien, welche Uran und Thor enthalten (Pechblende, Chalcolit, Uranit), zeigen eine ganz auffallend starke Emission von Becquerelschen (Uran-)Strahlen, welche selbst diejenige des Urans und Thors übertreffen können. Dies führte Herrn P. Curie und Frau S. Curie auf die Vermuthung, dass diese Mineralien eine Substanz enthalten möchten, welche stärker wirksam ist als die beiden genannten Metalle, und sie haben ihre Vermuthung einer experimentellen Prüfung unterzogen... Durch die verschiedenen Versuche wurde schliesslich ein Stoff gewonnen, dessen Emissionsvermögen 400mal so gross war, als das des Urans. Unter den bekannten Elementen und Verbindungen konnte kein Körper von solcher Emissionsfähigkeit gefunden werden. Die Verfasser vermuthen daher, dass hier ein noch unbekanntes, dem Wismuth sehr nahe stehendes Metall vorliegt, das sie "Polonium" zu nennen vorschlagen. (Naturwissenschaftliche Rundschau, XIII. Jg., Nr. 38, 1898, Seiten 491 bis 492


Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 1998, Seite 114
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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