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Vor fünfzig und vor hundert Jahren


1944

Steigern wir die Temperatur unseres Dampfes über 100000 Grad, ja schließlich über 1000000 Grad hinaus, so verlieren die Atome durch thermische Ionisation allmählich ihre sämtlichen Hüllenelektronen, so daß wir als Endzustand, wie er im Innern mancher Sterne vorliegt, ein Gemisch von "nackten" Atomkernen und Elektronen erhalten. Bei diesen bisher nur der Theorie zugänglichen allerhöchsten Temperaturen wird schließlich noch eine letzte Gruppe von Vorgängen möglich, die mit wachsender Temperatur immer häufiger auftritt und im Innern der Fixsterne bei Temperaturen von etwa 20 Millionen Grad eine entscheidende Rolle spielt. Beim Zusammenstoß von Atomkernen höchster Geschwindigkeit können dann nämlich die Atomkerne selbst zu Bruch gehen und Kern-reaktionen verschiedenster Art erfolgen. Eine dieser Reaktionen, die im Innern der Sonne und der Fixsterne in größtem Maße vor sich geht, ist die Bildung von Heliumkernen aus Wasserstoffkernen, und diese exotherme Kernreaktion bildet nach unserer heutigen Kennt- nis die entscheidende Energiequelle der Sonne und der meisten Fixsterne. (Die Naturwissenschaften, Heft 14/26, April/Juni 1994, Seite 106)

Rissenachweis durch Fluoreszenzflüssigkeit. Zum Nachweis von Oberflächenrissen benutzt man bei magnetischen Werkstoffen das Magnetpulververfahren, bei Magnesium-Gußlegierungen ein Beizverfahren, sonst ganz allgemein die Ölkochprobe. Jetzt wurde ein neues Verfahren angegeben, das ebenso wie die Ölkochprobe für alle metallischen Werkstoffe angewendet werden kann, aber einfacher und sauberer ist. Bei ihm wird eine Flüssigkeit, in der fluoreszierende Stoffe gelöst sind, durch Tauchen, Streichen oder Spritzen auf die zu untersuchenden Teile aufgetragen. Infolge der Kapillarwirkung dringt sie in alle, auch sehr feine Risse ein. Die an der Oberfläche haftende überschüssige Fluoreszenzflüssigkeit wischt man dann ab. Bei Betrachten des Prüfteils im ultravioletten Licht in einem mäßig abgedunkelten Raum treten die Risse infolge des Fluoreszierens deutlich hervor. (VDI-Zeitschrift, Bd. 88, Heft 15/16, 15. April 1944, Seite 211)

Blutersatzmittel. Früher ersetzte man Blut bei Blutverlusten durch physiologische Salzlösungen, von denen die besten das Normosal von Straub und das Tutofusin von Weichardt gewesen sind. Allein diese Mittel haben den Fehler, daß sie wohl den hydrostatischen Druck des Blutes besitzen, nicht aber den kolloidosmotischen Druck der Eiweißkörper, also nicht die wasseranziehende Kraft der Kolloide. Man gab da zuerst den Lösungen Gummi arabicum hinzu, was sich durchaus nicht bewährte, sodann Polyvinylalkohol, was ebenfalls ein Irrtum war. Es soll zwar jetzt in Polyvinyl-Pyrrolidon ein passender Körper gefunden worden sein, allein besser ist auf jeden Fall die Blutkonserve. (Natur und Kultur, 41. Jg., Heft 4 bis 6, April/Juni 1944, Seite 41)


1894

Wie M. Moissan mittheilt, ist es ihm gelungen, eine grosse Anzahl von Stoffen, welche bisher für nicht flüchtig gehalten wurden, mittelst des elektrischen Schmelzofens zu verflüchtigen und dann wieder zu condensiren. Zur Ausführung seiner Versuche versah er den Ofen mit einem U-förmigen Condensationsrohr aus Kupfer, welches mit einem Mantel versehen war, in welchem Kühlwasser unter hohem Drucke circulirte. Mittelst eines Lichtbogens von 350 Ampères wurden in diesem Ofen in 5 Minuten 30 Gramm Kupfer verflüchtigt. Ein kleiner Theil davon condensirte sich bereits unter dem Deckel des Ofens, der grössere Theil fand sich in fast chemisch reinem Zustande im Condensationsrohre vor. Silber verdunstete unter lebhaftem Kochen und setzte sich in Form kleiner Kügelchen im Condensationsrohr ab, ebenso Platin. Das Destillationsproduct des Aluminiums stellt ein graues Pulver mit metallischem Glanze dar. Das destillirte Zinn zeigt eine eigenthümlich faserige Beschaffenheit. (Prometheus, V. Jg., Nr. 221, Seite 206)

Kugelsichere Panzerung. Am 12. März fand auf dem Schießstand der Vereinsbrauerei zu Nixdorf-Berlin die Feuerprobe eines Panzers statt, der die neuste, allseitig großes Aufsehen erregende Erfindung Dowe's darstellt, und der von vornherein als vollständig kugelsicher vom Erfinder bezeichnet wurde. Der Panzer war 5 Dezimeter stark, mit rothem Plüsch überzogen und hatte daher viel Aehnlichkeit mit einem Polster. Eine hölzerne Rückwand hatte den Zweck, zu zeigen, daß die den Panzer treffenden Geschosse hinter ihm keinen Druck auf die zu schützende Stelle ausüben. Der Panzer war dem Feuer schon auf eine Entfernung von 175 Metern ausgesetzt. Bei der Ausführung des Versuchs wurden hauptsächlich Militärgewehre Modell 88 benutzt. Es zeigte sich, daß von den 15 Kugeln, die in die Umhüllung der Panzerung eingedrungen waren, keine einzige den Panzer durchschlagen hatte. Herr Dowe hat bis jetzt über sein Verfahren zur Herstellung solch kugelsicherer Panzer noch nichts der Oeffentlichkeit preisgegeben. Auch darüber, inwiefern die neue Erfindung sich von dem schon vielfach besprochenen frühern Panzer, der bereits in Mannheim erprobt wurde, unterscheidet, gab er noch keine Aufklärung. Nur so viel wurde erwähnt, daß der neue Panzer noch kugelsicherer sei als der alte, und daß die Fabrikation weniger Umstände verursache. Es scheint, daß Herr Dowe seinen Panzer nicht, wie früher irrthümlich angenommen wurde, als Uniformstück verwendet wissen will, sondern daß er sich ihn als sichere Schutzwehr für die im Liegen schießenden Soldaten dachte. (Illustrirte Zeitung, Nr. 2649, 7. April 1894, Seite 372)


Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 1994, Seite 117
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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