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Vor fünfzig und vor hundert Jahren


1945

Wie aus englischen Quellen zur Verbreitung von Elektromobilen verlautet, hat die Entwicklung der Fahrzeugbatterien eine solche Höhe erreicht, daß man in England daran denkt, ein Netz von Ladestationen über das ganze Land zu verteilen. Wie man früher bei den Tankstellen Benzin faßte, würde man dann bei solchen Ladestationen die ausgebrauchte Batterie gegen eine neue vertauschen und die Fahrt mit frischer Kraft fortsetzen. Diese Pläne – wenn sie auch nicht verwirklicht werden – zeigen, daß vielleicht doch einmal das Elektromobil auch im Ueberlandverkehr einige Bedeutung erhalten kann. (Schweizer Chemiker-Zeitung und Technik-Industrie, 28. Jg., Nr. 5, Seite 98)

Raketenflüge. Eine Dreistufenrakete, bei der die entleerten Treibstofftanks abgeworfen werden, ist impraktikabel nach Alfred Africano, früherer Präsi-dent der Amerikanischen Raketengesellschaft. "Das Gewichtsverhältnis steigt exponentiell mit der Anzahl der Stufen", sagt er, "so daß hier mehr als 2500 Tonnen Startgewicht erforderlich wären, um gerade eine Tonne über den Atlantik zu befördern." Selbst ein Krieg rechtfertige kein 5000000-Pfund-Projektil, Kostenpunkt irgendwo zwischen 10 und 100 Millionen Dollar, um gerade eine Tonne TNT in ein feindliches Land zu schießen. Und selbst wenn sich der erforderliche Energiebedarf decken ließe, dürften die Schäden um das Startgelände, die durch das Verbrennen von 100000 Pfund Treibstoff pro Sekunde entstünden, wie es zum Erreichen einer nur fünffachen Erdbeschleunigung nötig wäre, hundertmal größer sein, als eine Tonne Sprengstoff über dem feindlichen Land anrichten würde. (Scientific American, Band 172, Nr. 3, Seite 173)

1895

Das Mittel zum neuen Karbidlicht soll das Kalcium-Karbid, der Kalcium-Kohlenstoff, eine neue Kohlenstoffverbindung bezw. das aus dieser hergestellte Acetylengas geben. Kalcium-Karbid ist wie Acetylen seit langem bekannt, doch war seine Herstellung bisher eine sehr schwierige. Moissan und Wilson haben nun aber gezeigt, dass man diesen Stoff mittels der Hitze des elektrischen Bogens direkt aus Ätzkalk und Kohle zu so billigen Preisen herstellen kann – zu 68 Mk. pro Tons frei Berlin –, dass seine Anwendung für die Technik möglich wird. Die Gewinnung des Acetylengases aus dem Kalcium-Karbid ist eine höchst einfache, und in der Gasanstalt der Zukunft werden alle Retorten, Reinigungsapparate und dergleichen überflüssig sein. Zur Gaserzeugung genügt ein einfaches Übergiessen von Wasser, man braucht somit nur Löschkästen – allerdings von grossen Dimensionen – und Gasometer. Die Leuchtkraft des Acetylengases ist gleich 22-25 Kerzen, während unser Berliner Steinkohlengas nur 16 Kerzen Leuchtkraft hat... Wenn nur die Praxis hält, was die Theorie in so reinen Farben verspricht. Vorläufig erfahren wir von kompetenter Seite, dass sich jenes aus Kalcium-Karbid hergestellte Gas durch einen ganz besonders abscheulichen Geruch "auszeichnet", der Stein erweichen, Menschen rasend machen kann. Unsere Chemiker werden also erst noch ein "Parfüm" für das neue Gas erfinden müssen. (Photographische Mitteilungen, 31. Jg., Heft 23, Seite 375)

Vulkanische Energie. Ueber die Energie, welche bei Ausbrüchen vulkanischer Berge entwickelt wird, hat Herr A. Ricco eine Berechnung angestellt, welcher er die Masse des bei einigen Explosionen auf der Insel Volcano ausgeworfenen Materials und die Höhe und Breite der Dampfwolke zu Grunde legte. Als Resultat ergab sich, dass in jeder Minute auf dem Quadratmeter der Bocca 11400 Millionen Kilogrammeter Arbeit geleistet worden sind, dass also auf die fast 78 m2 grosse Explosionsöffnung 890000 Millionen Kilogrammeter kommen, eine Energie, die zur Erklärung aller beobachteten Erscheinungen ausreicht. (Naturwissenschaftliche Rundschau, X. Jg., Nr. 11, Seite 144)

Lenkbarer Radschlitten. Ein neuer Wintersport, der bald weite Verbreitung finden dürfte, ist mit dem von Otto Voigt in Lübeck erfundenen Radschlitten eingeführt worden. Wie schon der Name besagt, besteht der Radschlitten aus einer geschickten Combination eines Fahrrades mit einem Schlitten und vereinigt die guten Eigenschaften beider in sich, indem er den im Winter brachliegen- den Radfahrsport in gewisser Beziehung wieder ermöglicht und gleichzeitig dem so beliebten Schlittenfahren die weitestgehenden Concessionen macht. Wie aus der Abbildung ersichtlich, besteht das neue Fahrrad aus einem leichten, eleganten Schlittengestell, in das ein mit Stollen versehenes Rad eingesetzt ist, das wie bei den gewöhnlichen Fahrrädern mittels der Pedale bewegt wird. Die Stollen greifen in die Eis-, bezw. Schneebahn ein und verhindern das Rotiren des Rades auf der Stelle. Das Rad läuft zwischen einer Gabel auf einem gewöhnlichen Lager. In ihrer Verlängerung ist die letztere durch den Längstheil des Schlittens geführt und trägt die Lenkstange; zwischen beiden Theilen sitzt eine Spiralfeder, die das Andrücken des Rades an den Boden sichert. Eine unterhalb der Lenkstange befindliche, mit Kniehebel versehene Feder dient ferner dazu, das Rad im unbenutzten Zustande, z.B. beim Bergabfahren u.s.w., zu heben und später wieder in Action zu setzen... Für Touren- und Distanzfahrten werden die Radschlitten mit Kettenvorgelege, wie bei den Niederrädern, versehen, wodurch eine wesentlich höhe- re Schnelligkeit erzielt wird. (Illustrirte Zeitung, Band 104, No 2696, Seite 242)


Aus: Spektrum der Wissenschaft 3 / 1995, Seite 63
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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