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Vor fünfzig und vor hundert Jahren


1945

Durch neue Erscheinungsformen des Krieges ist die Bevölkerung aller Länder auf Vorgänge in der Natur aufmerksam geworden, mit deren Studium sich seit etwa einem Jahrzehnt verschiedene Forscher intensiv befaßten. Die Atomphysik ist von einem Tag auf den andern in den Gedankenkreis unzähliger Menschen eingedrungen. (Schweizerische Technische Zeitschrift, 20. Jg., No 39/40, 27. September 1945, Seite 513)

Die Fernsteuerung von Flüssigraketen. Es ist seit mehreren Monaten vieles, zum Teil nur auf Vermutungen Beruhendes, über V 2 geschrieben und gesprochen worden. Wenn verschiedentlich behauptet wurde, dass deutsche Agenten in England die einfliegenden V2-Raketen ins Ziel gesteuert hätten, so entspricht das nicht den Tatsachen. Technisch bestand gar keine Möglichkeit, die Geschosse beim Eintauchen in die Erdatmosphäre erneut zu steuern. Daraus ergibt sich, dass die gesamte Fernsteuerung nur während der Antriebsperiode, also innerhalb der ersten 70 s wirkte. In dieser Zeit erreicht die Rakete eine Höhe von etwa 29 km, die Geschwindigkeit ist dann am grössten, die Treibstoffe werden abgestellt. Anschliessend fliegt das Gerät wie ein Projektil ohne Steuerung und ohne Antrieb auf einer Flugbahn weiter, die die Form einer klassischen Wurfparabel hat. Da in diesen Höhen von 30 bis 100 km die Luft- und Witterungseinflüsse bedeutungslos sind, treten auf der antriebsfreien Strecke keine Fehler mehr auf. (Schweizerische Bauzeitung, Band 126, Nr. 10, 8. September 1945, Seite 95)

Penicillin. Ursprünglich war man der Ansicht, daß Penicillin nicht wie die Sulfonamide von Gewebesäften und Serum gehemmt werde. Neuerdings wurde aber gezeigt, daß Serum einen hemmenden Effekt auf die Penicillin-Wirkung ausübt, wahrscheinlich weil es vom Darm resorbierte, Penicillin-hemmende Substanzen enthält. In Penicillin-resistenten Bakterienkulturen findet sich ein Bakteriensekret, das Penicillin hemmt: Penicillinase. (Schweizerische Medizinische Wochenschrift, 75. Jg., Nr. 38, Seite 841)


1895

Steinholz (Xylolith), so nennt sich eine neue künstliche Holzmasse. Dieselbe wird aus Sägespänen in Verbindung mit Chemikalien unter sehr hohem Drucke hergestellt und kann auch verschiedenartig (blau, roth, grün, schwarz) gefärbt werden. Das Steinholz ist feuer- und wetterbeständig, Nässe und Hitze können ihm nichts anhaben, und dabei läßt es sich verhältnißmäßig leicht sägen, hobeln, bohren, fräßen, drehen und schnitzen. Es ist ferner ein schlechter Wärmeleiter. (Zeitschrift für Instrumentenbau, 15. Jg., No. 34, 1. September 1895, Seite 889)

Naturfarbenphotographie nach einer indirekten Methode. Die von Auguste und Louis Lumière eingeschlagene Methode besteht darin, dass sie zunächst drei Negative herstellen, welche verschiedenen Farben entsprechen. Die hierzu verwendeten Platten sind für die betreffende Farbe empfindlich gemacht und werden mittels gefärbter Schirme (orange, grün, violett) nur mit einer bestimmten Farbe, für welche sie das Maximum der Empfindlichkeit besitzen, beleuchtet. Zur Erzeugung der positiven Abdrücke werden mit Hülfe dieser Negative drei verschieden gefärbte monochromatische Schichten (roth, gelb, blau) hergestellt und übereinander gelagert. Diese Schichten bestehen aus Tischlerleim, der mit Ammonium-Bichromat versetzt ist, um ihn lichtempfindlich zu machen, und der ausserdem zum Hervorrufen der Halbschatten noch eine in kaltem Wasser unlösliche Substanz, z. B. Silberbromür, enthält, das später durch Fixirnatron ausgewaschen werden kann. Die nach einander hergestellten und mit der entsprechenden, richtig konzentrierten Farbe getränkten Schichten werden von einander durch Kollodiumhäutchen getrennt. Man soll auf diesem Wege ganz brauchbare Bilder zu Stande bringen. (Zeitschrift für Instrumentenkunde, XV. Jg., Heft 9, September 1895, Seite 844)

Die elektrische Kraft des Zitterrochens ist von d'Arsonval in Paris einer erneuten Bestimmung unterzogen worden. Er arbeitete an Thieren von 25 cm Breite und 35 cm Länge, und fand, dass die Dauer der Schläge ein- bis anderthalb Zehntelsekunde betrug. Die Spannung des ausgesendeten Stromes schwankte zwischen 8 und 17 Volt, seine Intensität zwischen 1 und 7 Ampère. Derartige Ströme lassen sich sehr gut sichtbar machen, indem man sie durch eine Glühlampe oder eine Geissler'sche Röhre schickt. Der französische Physiologe nahm eine Glühlampe für 4 Volt und 1 Ampère und verband sie durch Drähte mit dem elektrischen Organ des Fisches. Wenn er diesen in den Flossenrand kneipte, leuchtete die Lampe einen Moment in blendender Weissgluth auf. Zwickte er zu stark, so vermehrte das Thier die Kraft des Schlages noch und die Lampe "verbrannte". (Central-Zeitung für Optik und Mechanik, XVI. Jg., No. 17, 1. September 1895, Seite 191)

Riesenurlibellen. Schon seit langem hatte man in den Kohlenkalken von Comentry im Departement Allier in Frankreich gelegentlich Reste gefunden, die auf Thiere von bedeutender Größe schließen ließen; endlich aber entdeckte man solche von genügender Deutlichkeit und in einem Erhaltungszustande, daß man danach die ganzen Thiere rekonstruiren konnte. Diesen Wesen gab Brongniart den Gattungsnamen Meganeura. Besagtes Meganeura hatte einen dicken Kopf, kolossal entwickelte Kiefern, die an der Innenseite eine starke Bezahnung hatten. Die Augen waren, ganz nach Libellenart, groß und rund. Die Beine waren kräftig und ziemlich lang, das hinterste Paar länger als die beiden vordern. Das Thier besaß sehr lange Flügel, die fast fünfmal so lang wie breit waren. Brongniart führt zwei Arten an: Meganeura Monyi, die 70 Cmtr. klafternde Riesenform, und Selysii, die noch nicht halb so groß ist. (Illustrirte Zeitung, Bd. 105, No. 2724, Seite 326)


Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 1995, Seite 108
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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