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Vor fünfzig und vor hundert Jahren


1946

Die Kriegsjahre haben ein Ereignis in Vergessenheit geraten lassen, das für die Kulturgeschichte Europas von hervorragender Bedeutsamkeit ist: Wir meinen die Entdeckung des Dionysos-Mosaiks, das im Jahre 1941 in Köln anläßlich der Ausschachtungsarbeiten für den Dombunker an der Südseite des Domes gefunden wurde. Die hohe kulturgeschichtliche Bedeutung dieses Mosaikbodens ist zunächst darin zu erblicken, daß er mit einer Fläche von 75 qm den größten, fast vollständig erhaltenen römischen Mosaikboden nördlich der Alpen darstellt. Das ist leicht daraus zu erklären, daß in den ersten Jahrhunderten nach Christus Köln der Sitz der römischen Militärregierung für Niedergermanien war und daher in seinen Mauern die höchsten Beamten und Offiziere beherbergte. Einem solchen hohen Offizier der römischen Besatzungsmacht mag der ausgedehnte Palast gehört haben, der an der Südseite des Domes angeschnitten wurde. In einem der großen Säle befand sich das Mosaik. (Universitas, Jg. 1, Heft 9, Dezember 1946, Seite 1166)

Der Wasserturm von Bikini. Die zweite Atombombe des Unternehmens "Kreuzweg" wurde am 24. Juli 1946 um 22.35 Uhr mitteleuropäischer Zeit, also um 08.35 Uhr Bikini-Zeit, in einer Tiefe von wenigen Metern in den Gewässern der Lagune des Bikini-Atolls zur Explosion gebracht. Zunächst schoß ein mächtiger Wasserturm in die Höhe, der am oberen Rande von zahlreichen, eigenartig länglich gerollten Wölkchen bekränzt war... Man schätzt, daß er eine Höhe von zweitausend und einen Durchmesser von einigen hundert Meter erreichte... Die Aufnahme wurde gemacht, als sich die Dampfwolken nach oben zu heben begannen, wobei sich charakteristische Wirbelringe ablösten. Beim Zusammenbrechen schießen gewaltige Wassersäulen nach allen Richtungen aus dem Turm hervor. Die Wucht der herunterstürzenden Wassermassen, deren Gewicht eine Million Tonnen betragen haben soll, ruft eine mächtige Flutwelle hervor. (Orion, 1. Jg., Heft 9, Seite 31)

Nobelpreis an Otto Hahn. Am 10. Dezember 1946 empfängt Otto Hahn in Stockholm aus der Hand des Königs von Schweden den Nobelpreis für Chemie, welchen ihm die schwedische Akademie der Wissenschaften wegen der Entdeckung der Uranspaltung durch Neutronen vor einem Jahre, nachträglich für 1944, zuerkannt hat... Im Falle Hahns war es ein Nobelpreis mit Hindernissen. Er veröffentlichte, zusammen mit Fritz Straßmann, die Spaltung des Uranatoms in zwei ungefähr gleiche Teile Anfang 1939. Seine Feststellungen fanden an den vielen Stellen, an denen man seine Versuche nachprüfte, sogleich staunende Zustimmung – ebenso rasch, wie 1896 Röntgens Entdeckung. Und es bestand sogleich volle Einmütigkeit in den Fachkreisen, daß diese Leistung einen Nobelpreis verdiene. Dem entgegen stand das Verbot Hitlers für alle Deutschen einen Nobelpreis anzunehmen. Hat er doch 1940 die drei Preisträger, den Chemiker und Biologen Butenandt, den Chemiker Kuhn und den Mediziner Domagk, auf den Preis zu verzichten genötigt. (Göttinger Universitäts-Zeitung, 2. Jg., Nr. 1, 6. Dezember 1946, Seite 8)

Chronische Unterernährung führt zunächst zu allgemeinem Unwohlsein, rascher Ermüdbarkeit (auch psychisch mit typischem Gedächtnisverlust für frische Ereignisse), zu vermehrtem Schlafbedürfnis, mit Schlaf bis zu 16 Stunden am Tag und schließlich mit Weckbarkeit nur durch Erwähnung des Essens, das sehr bald das einzige geistige Interesse darstellt. Dieses Hungergefühl geht auch während Jahren nie verloren, sondern nimmt mit der Zeit eher zu und es kommt soweit, daß selbst geistig und ethisch hochstehende Menschen nur an die Möglichkeiten denken, ihre Rationen zu vergrößern, sogar auf Kosten ihrer besten Kameraden. (Schweizerische Medizinische Wochenschrift, 7. Jg., Nr. 52, Seite 1346)

1896

Stahl-Fischerböte, die niemals sinken, ist die neueste aus Norwegen zu uns gekommene Erfindung. Diese Böte können, wie Versuche in Bergen bestätigen, voll Wasser schlagen und sinken dennoch nicht, auch ist die Gefahr des Kenterns eine so geringe, dass ein solches Boot, auch wenn es voll Wasser geschlagen ist, dennoch mit vollen Segeln weitersegeln kann. Ferner ist ein Ramponiren der Böte dadurch erschwert, dass die Seiten doppelt und ausserdem noch durch Schotten in verschiedene Abtheilungen getheilt sind; ebenso ist der Bodenraum von den Seiten abgeschlossen. Selbst bei hochgehender See haben sich diese Böte gut bewährt. (Uhland's Verkehrszeitung, X. Jg., Nr. 50, Seite 298)

Seit der Entdeckung der X-Strahlen ging das Streben der Gelehrten dahin, erstere so zu verbessern, um mit ihrer Hilfe ausser dem Knochengerüst auch die edleren Theile im Innern des lebenden Menschen durch Photographie für das Auge sichtbar zu machen. Nunmehr ist auch dieses Problem gelöst, denn der Firma Siemens & Halske ist es endlich gelungen, die von ihr fabricirten Röntgen-(Crooke'schen)Röhren so gut zu verbessern, dass mittelst derselben X-Strahlen erzeugt werden, welche bei einer Schlagweite von 15 bis 20 Centimeter gestatten, einen Menschen so zu durchleuchten, dass man das Herz, Zwergfell und dergleichen auf den gewonnenen Photogrammen deutlich sieht. Trotz dieser ungeheueren Verbesserung stellen sich die neuen Röntgen-Röhren in Folge vereinfachter Fabrikation wesentlich billiger als die bisher erzeugten. (Central-Zeitung für Optik und Mechanik, XVII. Jg., No. 23, Seite 238)


Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 1996, Seite 99
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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