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Vulkanismus.

Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2000. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. 264 Seiten, DM 78,–.


Von den heute rund 550 aktiven Vulkanen auf der Erde brechen jedes Jahr etwa 60 aus. Die meisten liegen zwar weit von uns entfernt, die nächsten in Süditalien. Doch die Welt ist klein geworden. Größere Ausbrüche, wo auch immer, erleben wir am selben Tag im Fernsehen mit. Auf unserem immer dichter bevölkerten Planeten sind durch Eruptionen immer mehr Menschen bedroht. Wenn ein Vulkan besonders viel Schwefeldioxid in die Atmosphäre jagt, wie 1982 El Chichón in Mexiko oder 1991 der Pinatubo auf den Philippinen, sinken weltweit die Temperaturen, und wenn es schlimm kommt, wie nach dem Ausbruch des Tambora 1815 in Indonesien, erfrieren mitten im Sommer Pflanzen auf den Feldern.

Einschlägige Gesteine dokumentieren früheren Vulkanismus in großen Teilen der Erde. Weitaus mehr Lava aber als von allen Vulkanen an Land zusammen wurde und wird unsichtbar am Boden der Tiefsee ausgestoßen. Die gesamte ozeanische Kruste besteht aus Hunderttausenden von ineinander verschachtelten Vulkankomplexen sowie deren Fördergängen und Magmakammern.

Hans-Ulrich Schmincke, Direktor der Abteilung Vulkanologie und Petrologie am Forschungszentrum für marine Geowissenschaften Geomar in Kiel, stellt den Vulkanismus mit seinen vielfältigen Eruptionsformen und Auswirkungen an Land, im Meer und in der Atmosphäre anschaulich, umfassend und im Zusammenhang dar.

Dem selbstgestellten Anspruch, Formeln und Fachjargon weitgehend zu vermeiden, ist er gerecht geworden. "Stärker technisch abgefasste Abschnitte in einigen Kapiteln", wenn es etwa um die Vorgänge in Magmakammern oder das Fließverhalten der Magmen, um Blasenbildung und die Zusammensetzung vulkanischer Gase geht, sind keine unüberwindliche Hürde, nicht zuletzt dank der zahlreichen guten Fotos und instruktiven Zeichnungen.

Dem Hinweis auf eine frühere Auflage von 1986 zum Trotz ist ein ganz neues Buch entstanden: größer im Format und umfangreicher, weitaus ansehnlicher, geradezu ästhetisch jetzt mit seinen ins Layout eingebundenen Bildern an Stelle von separaten Farbseiten, mit farbig ausgearbeiteten Zeichnungen statt Schwarzweiß-Skizzen. Im Anhang findet sich nun neben einem umfangreichen Literaturverzeichnis und einem Stichwortverzeichnis eine Übersicht über physikalische Einheiten und Abkürzungen. Wünschenswert wäre noch ein Hinweis auf einschlägige Internet-Adressen.

Vor allem wurde der Stoff wieder auf den Stand der Forschung gebracht. Und da hat sich inzwischen viel getan. Etwas breiteren Raum nehmen Schminckes eigene Forschungsschwerpunkte ein, die vergleichsweise jungen Vulkanfelder der Eifel und die vulkanischen Ozeaninseln. Dass dabei die Balance nicht verloren geht, zeigen schon die fast ausschließlich vom Autor stammenden Fotos von Vulkanen aus aller Welt.

Prominente Eruptionen, etwa die Ausbrüche des Mount St. Helens in Nordamerika 1980, des Nevado del Ruiz in Kolumbien 1985 oder des Pinatubo auf den Philippinen 1991, werden eingehend erörtert. "Jede große, gut untersuchte Vulkaneruption bedeutet einen Sprung in unserem Verständnis von vulkanischen Vorgängen – und in unserer Einsicht in die komplexen Kommunikationsprobleme zwischen Wissenschaftlern, der Öffentlichkeit und den Administrationen vor einer drohenden Eruption."

Zum tragischen Lehrstück für die Notwendigkeit besserer Kommunikation wurde im November 1985 ein nicht einmal besonders starker Ausbruch des schon seit einem Jahr tätigen Nevado del Ruiz, der 25000 Opfer forderte. Durch die Hitze war ein Teil der Eis- und Schneekappe am Gipfel geschmolzen. Das zu Tal stürzende Schmelzwasser riss älteres Lockermaterial mit. Eineinhalb Stunden nach dem Ausbruch erreichten die Schlammfluten die 50 Kilometer entfernte Stadt Armero und töte-ten drei Viertel der überraschten Einwohner. Internationale Vulkanologenteams hatten vor der Gefahr gewarnt, aber bei den Behörden nicht hinreichend Gehör gefunden.

Wenige Jahre darauf, bei der großen Eruption des Pinatubo, war alles anders. Obgleich eine Million Menschen bedroht waren, kamen nur etwa 350 ums Leben. Eine bedeutende Rolle bei dem glimpflichen Ausgang schreibt Schmincke einem Video zu, das Vulkanologen nach der Katastrophe von Armero produziert hatten und das die Vulkangefahren drastisch schilderte. Als die Lage am Pinatubo kritisch zu werden begann, wurde es in den Dörfern rings um den Vulkan verteilt.

Der letzte große Ausbruch in Deutschland fand vor 12900 Jahren in der Eifel statt: Zurück blieb der Laacher See. Nach gründlichen Untersuchungen zieht Schmincke das Fazit, dass der Vulkan nicht erloschen sei. In den nächsten Jahren, so seine Prognose, wird vermutlich kein Ausbruch in der Eifel stattfinden; auf längere Sicht jedoch sind künftige Eruptionen "äußerst wahrscheinlich". Dass seit dem letzten Ausbruch so lange Zeit – aus menschlicher Sicht – vergangen ist, beeindruckt den Vulkanologen nicht: Davor hatte 50000 Jahre lang in dem Gebiet kein Vulkan gespieen.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 6 / 2000, Seite 98
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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