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Service-Roboter: Wann wird der Traum vom mechanischen Hausmann Wirklichkeit?

Noch vor wenigen Jahren prophezeiten Experten Milliardenmärkte für Serviceroboter, doch erst jetzt kommen erste Geräte in den Handel.


Als die Automobilindustrie in den sechziger Jahren auf den Roboter als universell einsetzbares Werkzeug setzte, prophezeiten namhafte Wissenschaftler, dieser Trend werde auch vor den persönlichen Lebensbereichen nicht Halt machen. "Personal robots" sollten im Haushalt helfen, Einkäufe erledigen und vieles mehr. Doch auf die Visionen folgte erst einmal die Ernüchterung ? der Roboter als Freund und Helfer des Menschen blieb ein Wunschtraum.

Vielmehr beschränkte sich der Einsatz ? und damit weitgehend auch die Forschung ? auf die industrielle Fertigung, vor allem auf das Schweißen, Fräsen, Prägen und Lackieren im Automobilbau. Erst mit schwindenden Gewinnmargen dieses Industriezweigs Mitte der 80er Jahre, dementsprechend geringeren Investitionen in weitere Roboter, wurden andere Anwendungen wieder attraktiv.

Es entstand ein neues Konzept: Serviceroboter sollten das Leben erleichtern und den Menschen von langweiliger oder gefährlicher Arbeit entlasten. Euphorisch pries beispielsweise das Fraunhofer-Institut für Produktionsautomatisierung in einer Studie 1994 die Marktaussichten: So vermuteten die Experten aus Stuttgart, dass allein in Handel, Transport und Verkehr bis zum Jahr 2010 bis zu 14 Milliarden Mark umzusetzen seien. Haushaltsroboter böten ein Marktpotenzial von bis zu 12 Milliarden Mark. Auch in der Medizintechnik, Rehabilitation, im Baugewerbe sowie im Hotel- und Gaststättenbereich wurden ähnliche Größenordnungen angenommen

Offensichtlich hatten die Forscher die Probleme unterschätzt: die Komplexität der erforderlichen Technik, insbesondere der Sensoren zur Umgebungswahrnehmung und der Steuerungssoftware, vermutlich auch die zur Entwicklung von marktreifen und kostengünstigen Produkten erforderliche Zeit. Mittlerweile gibt es aber dank sinkender Hard- und Softwarepreise sowie dank der steten Leistungssteigerung in der Halbleitertechnik erste serienreife Serviceroboter. Kommt der Markt langsam in Gang?

So gibt es den automatischen Rasenmäher "Robomow" der israelischen Firma "Friendly Machines" seit April 2000 in Deutschland zu kaufen, Kostenpunkt etwa 1600 Mark. Er bewegt sich stets auf dreieckigen Bahnen innerhalb eines durch einen dünnen Draht umzäunten Reviers, laut Herstellerangaben erreicht er so jeden Punkt. Mittels Ultraschall- und Berührungssensoren erkennt er dabei Hindernisse und vermag sie zu umfahren. Sollte der Roboter dennoch den einen oder anderen Grashalm übersehen, kann der Nutzer ihn fernsteuern. Die Schnitttiefe ist manuell in sechs Stufen einstellbar.

Diffusion der Roboter

Des Weiteren will das deutsche Unternehmen Kärcher, Hersteller von hochtechnisierten Reinigungsgeräten, im kommenden Frühjahr einen automatischen Haushaltsstaubsauger zum Preis von 900 bis 1000 Mark auf den Markt bringen (ein Gerät für die Industrie ist bereits im Handel erhältlich). Einmal vom Nutzer in Gang gesetzt, befährt das Gerät seine Umgebung nach dem Zufallsprinzip und ist damit in der Lage, etwa 15 Quadratmeter pro Stunde zu reinigen. Hindernissen weicht es dank seiner Infrarotsensoren aus. Alle 20 Minuten fährt es selbstständig zu einer Ladestation.

Ein drittes Beispiel: In mehr als 20 Kliniken in den USA und Japan wird der "Helpmate" von "Helpmate Robotics" eingesetzt, ein fahrbarer Automat, der in etwa Essen und Bettwäsche in einem geschlossenen Transportkasten zu den Stationen befördert. Er orientiert sich an einer eingespeicherten Karte seiner Umgebung, sein jeweiliges Ziel kann ihm per Tastatur oder Spracheingabe vorgegeben werden. Hindernissen weicht auch dieser Roboter sensorgesteuert aus. Darüber hinaus existieren diverse, recht ausgereifte Prototypen, etwa zur Versorgung älterer Menschen oder zur Reinigung von Fassaden und Gehsteigen.

Nach wie vor beruhen alle Prognosen über die weitere Verbreitung aber eher auf Glauben als auf Wissen. Denn auch die Vorhersagen der UN-Wirtschaftskommission für Europa von 1999, die beispielsweise einen Anstieg der automatischen Staubsauger von derzeit 2000 verkauften Exemplaren weltweit auf mehr als 450000 bis 2002 annehmen, beruhen nicht auf sicheren Indikatoren. Allerdings lassen sich solche Einschätzungen durch Vergleiche mit ähnlichen Märkten und einer Analyse nach so genannten Diffusionstheorien durchaus rechtfertigen.

Diese beschreiben die Ausbreitung von Innovationen in einer Gesellschaft von Individuen. Im Mittelpunkt steht dabei die Akzeptanz durch den Einzelnen, die "Adoption". Eine Analyse beispielsweise des derzeitigen Handy-Booms zeigt typische Phasen der Diffusion auf: Anfangs begeisterte sich eine kleine Zahl von "Innovatoren". Sie suchten keinen direkten Nutzen in der Neuigkeit, denn Innovation stellt für sie einen Wert an sich dar. Tatsächlich haben diese Personen wenig Bedeutung für eine weitere Diffusion, denn die Gruppe ist zu klein und interessiert sich auch baldmöglichst für die nächste Attraktion.

Wichtiger waren technisch informierte, für Neues begeisterungsfähige und zudem zahlungskräftige "Early adopters", die aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung ein positives Meinungsbild erzeugten und so Käuferschichten ? die "frühe Mehrheit" ? für ein Produkt gewinnen konnten. Diese Weitergabe musste aber auf Seiten des Produkts durch stete Leistungsverbesserung, sinkende Herstellungskosten und ein gutes Marketing unterstützt werden. Nur so war es möglich, dass sich der Mobilfunkmarkt seit dem Start der D-Netze 1992 derart ausweiten konnte. Erinnern wir uns: Die Grundlage des Mobiltelefonierens legte das so genannte A-Netz 1958; die Geräte wurden im Auto montiert, wogen 16 Kilogramm und kosteten 15000 Mark, überdies erfolgte die Vermittlung der Gespräche über das "Fräulein vom Amt". Eines der ersten tragbaren Handys, das "Pocky" kam 1989 auf den Markt, wog mehr als ein halbes Kilogramm und kostete mehr als 8500 Mark.

Serviceroboter stehen noch ganz am Anfang eines solchen Diffusionsprozesses, der Massenmarkt könnte aber auch hier innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre erreicht sein. Die Wissenschaftler geben sich allerdings mittlerweile deutlich vorsichtiger. So prognostizierte Gerd Hirzinger vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) auf der Robotik 2000, dass automatische Helfer für Ältere und Behinderte in spätestens 30 Jahren zum Alltag gehören dürften.

Immerhin: Hardwarekomponenten der Systeme wurden in den vergangenen Jahren immer billiger und ausgereifter. Hindernisse nach dem Echolot-Prinzip mit Ultraschallsensoren finden zu wollen, erwies sich als zu aufwendig und kostspielig. Laserscanner, im Kranz um den Roboter angeordnet, erlauben eine exaktere Navigation in allen Richtungen und sind deutlich preiswerter. In diesem Bereich profitiert die Robotik vom Einsatz solcher Systeme in anderen Bereichen. Kritisch ist allerdings noch die Entwicklung von Software, die Roboter lernfähig macht und ihnen außerdem die Fähigkeit verleiht, in einer nicht struk-turierten Umgebung selbstständig zu agieren.

Neben dem technischen Fortschritt ist es aber auch eine Frage der Vermarktungsstrategien, ob Serviceroboter breite Marktsegmente durchdringen können. Eine Zunahme im Bereich der Pflege-roboter für ältere beziehungsweise in ihrer Mobilität eingeschränkte Personen wäre denkbar, wenn den Krankenkassen die günstigeren Kosten des Roboters im Vergleich zu bisherigen Pflegemodellen deutlich gemacht würden. Zudem müssen die Hersteller Kommunikationsstrategien zur Überwindung von Technikängsten entwickeln und umsetzen.

Angesichts einer regelrechten Überflutung mit immer neuen Innovationen hat keine davon heute mehr das Zeug zum Selbstläufer. Hilfe mag aus einer Nische kommen, die ihrerseits erst vor kurzem entstanden ist, aber schon eine Fangemeinde gefunden hat: die Edutainment-Roboter. Spielzeughersteller rüsten auf und versuchen, mit Roboterhunden und -puppen die Kinderzimmer zu erobern. Werden diese Lifestyle-Produkte innerhalb der nächsten Dekade Mode, dürften auch automatische Staubsauger und andere Helfer unschwer ihren Platz im Haushalt finden.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 2000, Seite 93
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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