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Wissenschaftsgeschichte: Was uns die Klassiker heute sagen

Einige der berühmtesten Experimente der Psychologie offenbarten im Nachhinein Mängel: dürftige Methoden, zweifelhafte Daten, übertriebene Deutungen. Warum die Meilensteine von einst dennoch wichtig bleiben.

Wie viel ist zwei plus drei? So stand die Aufgabe an eine Kreidetafel geschrieben. Und Hans löste sie mit Bravour, indem er mit dem linken Vorderhuf fünfmal an ein Brett stieß. Das war der Beweis: Pferde können lesen und rechnen!

Anfang des 20. Jahrhunderts machte das Wunderpferd Hans in Berlin Furore und trat mit seinem Besitzer, dem Mathematiklehrer Wilhelm von Osten (1838–1909), öffentlich auf. Konnte ein Gaul wirklich so intelligent sein, wie von Osten dem staunenden Publikum versicherte? Der Psychologe Oskar Pfungst (1874–1932) lüftete wenig später das Geheimnis. Hans’ Besitzer signalisierte dem Vierbeiner auf subtile Weise das Rechenergebnis, indem er seine Körperhaltung leicht veränderte, sobald die richtige Zahl an Klopfern erreicht war.

Gleichgültig, ob der Pferdeflüsterer ein Scharlatan war oder selbst an das erstaunliche Talent des Tiers glaubte, der »kluge Hans« wurde zum Symbol für ein Problem, das Psychologen bis heute beschäftigt: Die Wünsche und Überzeugungen von Forschern beeinflussen ihre Resultate, mitunter sogar, ohne dass sie sich dessen bewusst wären. Einfacher ausgedrückt: Wer sucht, der findet – zum Beispiel Bestätigungen für die eigene, lieb gewonnene Theorie.

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Gehirn&Geist – Wer entscheidet? Wie das Gehirn unseren freien Willen beeinflusst

Was bedeutet es, ein Bewusstsein zu haben? Haben wir einen freien Willen? Diese Fragen beschäftigt Neurowissenschaft, Philosophie und Theologie gleichermaßen. Der erste Artikel zum Titelthema zeichnet die Entwicklung der neurowissenschaftlichen Forschung nach und zeigt, wie das Gehirn das subjektive Erleben formt. Anschließend geht es im Interview mit dem Neurophilosophen Michael Plauen um die Frage, ob wir frei und selbstbestimmt handeln, oder nur Marionetten unseres Gehirns sind. Die Antwort hat Konsequenzen für unser Selbstbild, die Rechtsprechung und unseren Umgang mit KI. Daneben berichten wir, wie virtuelle Szenarien die traditionelle Psychotherapie erfolgreich ergänzen und vor allem Angststörungen und Posttraumatische Belastungsstörungen lindern können. Ein weiterer Artikel beleuchtet neue Therapieansätze bei Suchterkrankungen, die die Traumata, die viele Suchterkrankte in ihrer Kindheit und Jugend erfahren haben, berücksichtigen. Zudem beschäftigen wir uns mit der Theorienkrise in der Psychologie: Der Risikoforscher Gerd Gigerenzer erklärt, warum die Psychologie dringend wieder lernen muss, ihre Theorien zu präzisieren.

Gehirn&Geist – Verbrechen: Die Psychologie des Bösen

Warum faszinieren wahre Verbrechen? True Crime ist ein Spiegel unserer psychologischen Neugier: Was macht Menschen zu Tätern – und wie gelingt es Ermittlern, die Wahrheit ans Licht zu bringen? In dieser Ausgabe geht es um die Kräfte, die Menschen in den Abgrund treiben oder zurückholen. Wir zeigen, warum Rache selten Frieden bringt, wie gefährliche Häftlinge in Sicherungsverwahrung leben, was das Stockholm-Syndrom über Überlebensstrategien verrät und mehr.

Spektrum - Die Woche – Der Wahnsinn der anderen

Die Psychiatrie schreibt in der Kolonialzeit ein dunkles Kapitel: Durch gefährliche Behandlungsmethoden und Therapien wurde die einheimische Bevölkerung kontrolliert und ihrer Selbst entfremdet. Was dort geschehen ist und mehr – etwa, ob Veganern Aminosäuren fehlen – erzählt »Spektrum - Die Woche«.

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Quellen

Cahalan, S.: The great pretender. The undercover mission that changed our understanding of madness. Cannongate, 2020

Crivelli, C. et al.: Reading emotions from faces in two indigenous societies. Journal of Experimental Psychology: General 145, 2016

Griggs, R. A.: The disappearance of independence in textbook coverage of Asch’s social pressure experiments. Teaching in Psychology 42, 2016

Haslam, S. A., Reicher, S.: Social psychology: Revisiting the classic studies. Sage Publications, 2012

Perry, G. et al.: Credibility and incredulity in Milgram’s obedience experiments: A reanalysis of an unpublished test. Social Psychology Quarterly 10.1177/0190272519861952, 2019

Literaturtipp

Chambers, C.: The 7 deadly sins of psychology. Princeton University Press, 2019. Der britische Psychologe Chris Chambers über die »Todsünden« seines Fachs. Eine erhellende Lektüre!

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