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Wegweiser durch das EG-Dickicht

Die Europäischen Gemeinschaften dürften in Zukunft der finanzkräftigste Forschungsförderer in Europa sein. Doch Wissenschaftler, die davon den Nutzen haben könnten oder sich einer europäischen Thematik zuwenden, finden oft nur schwer den Weg zur entsprechenden Quelle. In Deutschland und der Schweiz wird diese Informationslücke nun mit Kommunikationsnetzwerken geschlossen.

An vielen Universitäten werden europäisch orientierte Studien betrieben, beschäftigen sich ganze Institute mit europäischen Fragen. Allein in Bonn zum Beispiel sind es das Zentrum für Europäisches Wirtschaftsrecht, das neue Institut für europäische Integrationsforschung, zwei Graduiertenkollegs und andere Einrichtungen – insgesamt neun; hinzu kommt eine Fülle von Europa-Studien, über die eine voriges Jahr erschienene Veröffentlichung "Europa als Herausforderung" Auskunft gibt. Bonn will sich künftig als Wissenschaftsstadt mit deutlichem Europa-Schwerpunkt profilieren.

Seit den sechziger Jahren sind die mittlerweile mehr als 500 Europäischen Dokumentationsstellen wichtige Quellen der fachlichen Information über den Kontinent; davon befinden sich 73 in Deutschland. Es sind entweder Depositarbibliotheken, die das gesamte von der EG gelieferte Material sammeln, Referenzzentren mit einer Basisdokumentation oder Europäische Dokumentationszentren (EDZ), welche die Veröffentlichungen der EG lediglich katalogisieren und diese Information dem universitären Bereich sowie der interessierten Bevölkerung zugänglich machen. Die jüngste Einrichtung dieser Art wurde im Juni dieses Jahres in Bonn eröffnet. Schwerpunkte der Europäischen Dokumentationszentren sind Wirtschafts- und Rechtsfragen.

In diesem Jahr geht die erste Phase der "Aktion Jean Monnet" zu Ende. Die EG finanziert in diesem Rahmen Lehrstühle sowie Seminare und Lehrveranstaltungen mit, die Lehre und Forschung im Bereich der europäischen Integration voranbringen. In Deutschland wurden dabei 23, in der gesamten EG 136 Europa-Lehrstühle gefördert. Die Beteiligung Deutschlands hätte freilich noch besser sein können, wie in einer Bilanz der Aktion (in der Zeitschrift "integration" 3/1993 des Bonner Instituts für europäische Politik) aufgezeigt ist.

Spezielle Beratung

Zur Unterrichtung über die Forschungs- und Technologieförderung durch die EG wurde für die nordrhein-westfälischen Hochschulen an der Universität Bonn als Modell die Beratungsstelle EuroConsult – Research & Education eingerichtet. Auch ein Leitfaden für Antragsteller, den die EG-Kommission jetzt für die dritte Auflage neu bearbeiten ließ, dient der Orientierung ("Forschungs- und Technologieförderung der EG". Herausgegeben von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, Luxemburg.). Er gibt Auskunft über alle wissenschaftlichen Programme der Gemeinschaft sowie über Antragsfristen, Auswahlkriterien und Adressen.

Insgesamt haben die EG-Kommission und nationale Einrichtungen ein engmaschiges Netzwerk von Informationsstellen für die Wissenschaft aufgebaut. Generelle Auskunft darüber gibt die Vertretung der EG-Kommission in Bonn (Ansprechpartnerin: Ingrid Schnock). Von den 27 Verbindungsstellen zur Förderung der EG-Forschungs- und Entwicklungsobjekte im Rahmen des Programms "Nutzung und Verbreitung der Ergebnisse (VALUE)" sind vier in Deutschland eingerichtet. Ihre Dienstleistungen umfassen Veranstaltungen, benutzerfreundlich aufgemachte Informationen und Beratung über Förderungsmöglichkeiten sowie Hilfe beim Abwickeln von EG-Forschungsprojekten bis hin zur Unterrichtung über deren Ergebnisse und die Vermarktung.

Worum es geht, ist zum Beispiel an der 1990 gegründeten Koordinierungsstelle EG der Wissenschaftsorganisationen (KOWI) zu verdeutlichen. Außer der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die diese Service-Einrichtung der akademischen Selbstverwaltung finanziert, sind an ihr die Alexander-von-Humboldt-Stiftung, der Deutsche Akademische Austauschdienst, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Großforschungseinrichtungen, die Hochschulrektorenkonferenz, die Max-Planck-Gesellschaft und der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft beteiligt. Die KOWI hat Büros in Bonn und Brüssel. Sie unterrichtet die Interessenten mit einem elektronischen Informationssystem über die Möglichkeiten der EG-Förderprogramme, berät aufgrund von Einzelanfragen, dient allen deutschen Wissenschaftlern als Anlaufstelle in Brüssel und hilft bei der Suche nach Projektpartnern. Regelmäßige Newsletter geben Auskunft über Termine und Ausschreibungen von EG-Programmen, bieten Anschriften und allgemeine Übersichten über die Aktivitäten der EG-Kommission (Anschrift: KOWI, Godesberger Allee 127, 53175 Bonn).

Sonderfall Schweiz

Für Schweizer Wissenschaftler, die an europäischer Zusammenarbeit interessiert sind, war der 6. Dezember 1992 ein schwarzer Tag, als ihre Landsleute sich gegen die Mitgliedschaft im Europäischen Wirtschaftsraum entschieden. Sie können darum nach wie vor nicht Projekte der EG koordinieren, müssen für ihre europäischen Projekte mindestens zwei Partner in der Gemeinschaft finden und sind, weil die Schweiz nicht im Programm-Management der EG vertreten ist, auf besonders schnelle und zuverlässige Information angewiesen.

Zwei Tage nach dem Volksentscheid bewilligten die eidgenössischen Räte allerdings 477 Millionen Franken, damit Schweizer Wissenschaftler von 1993 bis 1996 an Forschungs- und Bildungsprogrammen der EG teilnehmen können. Daß die politische Führung eine solche Kooperation anders bewertet als die Mehrheit der Bürger, machte der zuständige Staatssekretär Heinrich Ursprung erst wieder bei einer Podiumsdiskussion über deutsche und schweizerische Forschungspolitik am 23. September in Bonn deutlich – übrigens zur Verwunderung des Präsidenten der DFG, Wolfgang Frühwald, der sich von der EG-Forschungsförderung für die deutschen Hochschulen nicht sehr viel verspricht. Beim schweizerischen Bundesamt für Bildung und Wissenschaft sind in den ersten acht Monaten dieses Jahres bereits rund 300 international ausgearbeitete Vorschläge für EG-Projekte als Förderanträge eingegangen.

In Bern ist am 3. September ein ausgeklügeltes Netzwerk von Informationseinrichtungen über die EG-Forschungsprogramme vorgestellt worden. An allen zehn Schweizer Hochschulen wurden mit Bundesmitteln einschlägige Beratungsstellen ("Euroguichets") eingerichtet. Für die verschiedenen EG-Forschungsprogramme wurden Kontaktstellen aufgebaut, die landesweit schweizerische Interessenten aus Industrie und Hochschulen beraten. Ein neuer Leitfaden informiert ausführlich über die Prinzipien der EG-Forschungsprogramme, die detaillierten Teilnahmebedingungen sowie die einzelnen Projekte und die Auskunftsstellen (siehe Kasten auf Seite 111; Anschrift: Bundesamt für Bildung und Wissenschaft, Internationale Forschungsprogramme, Wildhainweg 9, CH – 3001 Bern).

Schneisenschlag mit Gopher

Die Quellen der Information über EG-Programme haben aber, je reicher sie sprudeln, einen Nachteil: Man verliert die Übersicht. Ulrich Dürr von der Präsidialabteilung und Dieter Weiß vom Hochschulrechenzentrum der Universität Gießen illustrieren das so: "Erster Fundort ist meist das Amtsblatt der EG, dann kommen in lockerer, zum Teil variierender Reihenfolge Meldungen von der EG-Landesvertretung in Brüssel, von KOWI, dem Hochschulministerium, gegebenenfalls noch einmal von einem Fachministerium und letztlich auch noch von der nationalen EG-Kontaktstelle; ganz zu schweigen von den diversen Meldungen in hochschuleigenen Informationsblättern, basierend auf den eben genannten Quellen." Die interessierten Wissenschaftler müssen immer von neuem vergleichen, ob die Texte irgend etwas Neues bringen.

In der vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft herausgegebenen Zeitschrift "Wirtschaft & Wissenschaft" (August 1993) schlagen Dürr und Weiß ein generelles Informationssystem für Forschungsförderung – nicht nur jene der EG – vor, das diese Redundanz beseitigt. Sie nutzen in Gießen das an der Universität von Minnesota in Minneapolis entwickelte System Gopher, das ohne aufwendige EDV-Sprache benutzerfreundlich viele öffentlich zugängliche Datenbanken erschließt. Gopher ist im weltweiten Internet verfügbar.

Die Hochschulen könnten sich zwar jeweils ihre eigenen Dateibestände aufbauen. An einer Universität in Deutschland aber sollte nach Meinung der beiden Experten eine Koordinationsstelle eingerichtet werden, die aus den Einzelmeldungen die Redundanzen ausschließt und eine zentrale Gopher-Datei aufbaut, die auch per e-mail mit Kurzhinweisen auf neu eingespeiste Meldungen aufmerksam macht. Diese Dienstleistung könnte die einzelnen Wissenschaftler entlasten; sie müßten nicht täglich nachsehen, ob sich Änderungen ergeben haben. Sowohl die EG als auch KOWI sollten an diesem System teilnehmen.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 11 / 1993, Seite 110
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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