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Wenn per Maus die Kasse klingelt

Einkaufen im Internet und Homebanking versuchen unseren Alltag zu erobern – doch noch spielen sie eine eher marginale Rolle. Ihr Erfolg wird davon abhängen, wie sicher und komfortabel die Netztransaktionen in Zukunft sein werden.


Samstagnachmittag in der Innenstadt: Vor den Kassen der Kaufhäuser bilden sich riesige Schlangen, Kinder quengeln, Eltern stöhnen. Aber warum überhaupt zum Einkaufen fahren? Da gibt es ja das Internet, wo eine Reihe von Versandhäusern Waren online anbieten. Ein paar Klicks am heimischen PC, und schon kommt das gewünschte Produkt ins Haus. Lästige Bankgeschäfte lassen sich auf die gleiche Weise erledigen – so lockt die Werbung allerorten. Und die Realität? Der eine verzweifelt am Computer, wenn er Geld überweisen will und stattdessen die ständig besetzte Hotline anrufen muß. Andere wiederum sind begeistert und versichern, zumindest ihre Buchbestellungen nur noch online abzuwickeln. Internet-Alltag in Deutschland.

Die Voraussagen über die mit dem Netz zu erzielenden Umsätze ähneln einer Kaffesatz-Leserei: Das European Information Technology Observatory (EITO) schätzte im vergangenen Jahr das weltweite Online-Handelsvolumen bis 2001 auf 540 Milliarden Dollar ein. Andere Prognosen sind weit konservativer und kommen nur auf 20 Milliarden Dollar. Tatsächlich meldete das Electronic Commerce Forum e.V. für 1998 einen Umsatz von einer Milliarde Mark in Deutschland. 1999 werden es vermutlich fünf Milliarden sein.

Als Beleg für den erfolgreichen elektronischen Handel (E-Commerce) werden immer wieder die gleichen Firmen ins Feld geführt. Beispielsweise die Computerhändler Dell und Gateway, die täglich Rechner für rund fünf Millionen Dollar über das Internet absetzen. Oder Amazon.com, der erst fünf Jahre alte amerikanische Buchhandelsriese. 1998 hat die reine Internet-Firma einen Umsatz von einer Milliarde Mark erzielt. Die Amazon-Kurse an der Börse steigen stetig, obwohl das Unternehmen bislang keine Gewinne veröffentlichte und vermutlich auch keine machte.

Die Vorzüge des Einkaufens in einem solchen virtuellen Buchladen sind offensichtlich: Innerhalb von Sekunden findet der Kunde trotz Millionen von Büchern in der Kartei nicht nur den gewünschten Titel, sondern auch alle anderen Bücher, die ihn in diesem Zusammenhang interessieren könnten. Außerdem kann er die Rezensionen von renommierten Kritikern sowie die Urteile von anderen Lesern studieren. Auf Wunsch bekommt er sogar per E-Mail eine Nachricht, wenn sein Lieblingsautor wieder ein Werk veröffentlicht hat. Inzwischen haben auch klassische Buchriesen die Vorteile des Internets erkannt: "Erstmals haben wir die Möglichkeit, die Endkunden direkt anzusprechen", sagt Thomas Middelhoff, Vorstand der Bertelsmann AG. Die Hoffnungen vieler Firmen speisen sich nicht zuletzt aus der steigenden Zahl von Internet-Usern. Mittlerweile sind in Deutschland etwa sieben Millionen Menschen online. 150 Millionen sind es weltweit, 15mal mehr als noch vor fünf Jahren. Doch der Internet-Handel steht erst am Anfang. So liegt das Volumen des Online-Handels gegenüber dem Einzelhandelsumsatz im Promillebereich und wird auch im nächsten Jahrzehnt die Zehn-Prozent-Hürde wohl kaum überschreiten.

Derzeit ist Internet-Shopping meist gleichbedeutend mit Versandhandel, wobei sich in den letzten Jahrzehnten eine Reihe von Vertriebswegen (Call-Center, Btx-online) etabliert haben, gegen die der Internet-Handel nur schwer ankommt. Doch inzwischen sind fast alle bekannten Versandhäuser im Netz zu finden. Dazu zählen Quelle (Umsatz 1998: 25 Mio. DM reiner Internet-Handel), Shopping24 (Otto) und my-world (Karstadt, 6 Mio. DM). Mit baldigen Gewinnen rechnet niemand: Zwar steigen die "hits" – die Besuchszahlen der Internetseiten – aber nicht jede Visite führt zum Kauf. Auch mit Spaßbestellungen haben die Anbieter ihre Erfahrungen: my-world bezeichnete noch vor zwei Jahren mehr als die Hälfte der Bestellungen als unseriös. Mittlerweile seien aber rund drei Viertel ernst gemeint. Den größten Anteil haben die klassischen E-Commerce-Artikel: Computertechnik (Software, Hardware), Bücher, Reisen, Musik und Videos.


Dreidimensionale Modenschauen



Wie ein Unternehmen das Online-Shopping so attraktiv machen kann, daß der Kunde seinem gewohnten Kaufverhalten untreu wird, hat die Wirtschaftsgeographin Barbara Lenz von der Uni Stuttgart untersucht. So richtete Karstadt schon vor vier Jahren "Cyber-Bars" innerhalb der Kaufhäuser ein, um die Kaufwilligen mit dem Medium vertraut zu machen. "Die meisten kommen aber nur ins Netz, wenn sie einen zusätzlichen Nutzen daraus ziehen können", erklärt Barbara Lenz.

Deshalb lassen sich die virtuellen Kaufhäuser einiges einfallen. Der Ottoversand zum Beispiel führt im Internet dreidimensionale bewegte Modeschauen vor, die der Kunde interaktiv beeinflussen kann. "Wir müssen den Internet-Surfern mehr bieten als der Katalog", sagt Uwe Stephan, der bei Quelle den Online-Auftritt konzipiert. Mit dem "Denk dran"-Service hilft das Versandhaus vergeßlichen Kunden: Vor den Geburtstagen der Lieben erinnert eine E-Mail an das Ereignis und fragt, ob schon ein Geschenk gekauft wurde. Die künftige Breitband-Kommunikation wird vieles ermöglichen, das derzeit nur in Ansätzen erkennbar ist, wie multimediale 3D-Präsentationen oder die individuelle Kundenbetreuung durch Zuschaltung eines Beraters. Das Schlagwort vom "Customizing" macht ebenfalls die Runde. Dabei werden Kunden etwa beim Betreten des virtuellen Geschäfts nach Berufsgruppe, Wohnort etc. gefragt. Im Hintergrund wird dann ihr Suchverhalten ausgewertet. Lenz: "So sollen dem Kunden zukünftig immer genau diejenigen Angebote gemacht werden, die sein Käuferprofil treffen."

Aufmerksamkeit zu erregen, ist zwar wichtig, aber ein multimediales Feuerwerk stößt die Kunden eher ab. Sie wollen vor allem selbsterklärende Bedienoberflächen. In der Tat sind manche User bereits mit dem "einfachen" Bestellen überfordert. Nach einer Untersuchung des US-Marktforschungsunternehmens Zona Research taten sich ein Drittel aller potentiellen Käufer schwer beim Versuch, Waren online zu bestellen. 62 Prozent gaben sogar an, mindestens einmal bei der Produktsuche aufgegeben zu haben. Eine übersichtliche Gestaltung und benutzerfreundliche Navigation sind immer noch die Ausnahme.

Doch die Lust am Online-Kauf steigt: Die Internet-Zeitschrift "FirstSurf" hat eine zwar nicht repräsentative, aber aufschlußreiche Umfrage unter mehr als 13000 Usern gemacht. Zwei Drittel gaben an, bereits EDV-Produkte übers Netz gekauft zu haben. Die Hälfte der Befragten bezog Bücher und fast ein Drittel sogar Kleidung online. Doch nur acht Prozent würden auch Lebensmittel über das Internet einkaufen. Eine vom Bielefelder Emnid-Institut durchgeführte Studie kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Ein Fünftel der Befragten hätten Spaß daran, in 3D-Shops zu bummeln und einzukaufen. Von den fünf Prozent, die bereits online eingekauft haben, würden es 36 Prozent allerdings nicht wieder tun. Ernüchternd: 95 Prozent der Deutschen haben noch nie im Netz eingekauft. Zu hohe Telefonkosten und die Sicherheitsrisiken sind die vorwiegenden Gründe für die Zurückhaltung. Da vertrauliche Daten teilweise unverschlüsselt übertragen werden, ist die Gefahr groß, daß Dritte sie einsehen und sogar manipulieren können.


Sicherheit bei E-Commerce und Homebanking



"Dem Mißbrauch ist Tür und Tor geöffnet. So kann man mit speziellen Suchmaschinen Kreditkartennummern sammeln und für eigene Zwecke nutzen", meint Hartmut Strube von der Verbraucherzentrale NRW. Standards, die dies verhindern könnten, würden zwar immer diskutiert und angekündigt, doch dann passiere nichts, kritisiert der Verbraucherschützer. Zwar dominiert im deutschen Internet-Handel – anders als in den USA – die Lieferung auf Rechnung oder per Lastschrift, dennoch steigt die Zahl der Kreditkarten-Benutzer an. Das von vielen Firmen eingesetzte SSL-Verschlüsselungsverfahren (siehe Kasten auf der vorigen Seite) reicht nach Ansicht des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik nicht aus. Relativ große Sicherheit bietet das SET-Verfahren, das etliche Kreditkartenorganisationen zum Standard machen möchten. Doch noch wird dieses Protokoll nur in Pilotprojekten angewendet.

Während sich die Akzeptanz von Electronic Commerce eher schleppend entwickelt, wird Inter-net-Homebanking immer beliebter. Fast alle Kreditinstitute bieten es mittlerweile an. Allein die Deutsche Bank verzeichnete 1998 etwa 60000 Internet-Bankbesucher – Tendenz steigend. Schätzungen gehen da-von aus, daß bereits in diesem Jahr sechs Millionen Online-Konten in Deutschland existieren werden. Doch auch beim Internet-Banking lauern Gefahren: Die üblichen PIN und TAN-Nummern sind seit langem in der Diskussion. Eine Lösung soll der Standard Homebanking-Computer-Interface (HBCI) bringen – eine deutsche Entwicklung, die mit SET konkurriert.


In der Erprobung: biometrische Verfahren



Darauf haben sich alle deutschen Geldhäuser geeinigt. Der Bundesverband deutscher Banken ist zuversichtlich, daß sich HBCI, das bis Sommer 1999 flächendeckend eingeführt sein soll, auch auf E-Commerce ausweiten wird. Einen Schritt weiter geht das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Pilotprojekt "Teletrust". Etwa 3000 Teilnehmer testen Gesichts-, Fingerprint- und Stimmanalyse-Technologien. Diese biometrischen Verfahren wie etwa der Fingertip-Sensor von Siemens können Komfort und Sicherheit erhöhen, weil so die eindeutige Identifizierung möglich wird und sich der Kunde keine Geheimnummern mehr merken muß. Inwieweit dabei der Schutz persönlicher Daten gefährdet sein könnte, muß noch geklärt werden. Nicht zuletzt von diesen Fragen der Datensicherheit und den Komfortaspekten wird der künftige Erfolg oder Mißerfolg von Internet-Handel und Homebanking abhängen.

Literaturhinweise

Blütenträume – Über Zahlungssysteminnovationen und Internet-Handel in Deutschland. Von Knud Böhle und Ulrich Riehm. Forschungszentrum Karlsruhe, Wissenschaftliche Berichte FZKA 6161. 1998.

Dietmar Fink und Arno Wilfert (Hg.): Telekommunikation und Handel. München 1999.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 1999, Seite 92
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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