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Schrifterkennung: Wer unterschreibt, der lebt

Eine persönliche Handschrift lässt sich fälschen, jedoch niemals der Vorgang des Unterschreibens. Allein der Druck des Stifts auf das Papier zeigt individuelle Verlaufsmuster.


Ein Handschlag zum Abschluss einer Geschäftsverhandlung mag im Bekanntenkreis noch angehen, doch schon das römische Zivilrecht forderte 533 n. Chr. die persönliche Unterschrift unter einem Vertrag als Nachweis der Einigung. Dass dieses Vorgehen schon im biblischen Palästina üblich war, bezeugt der Prophet Jeremias etwa 626 v. Chr. (Jeremias 32, Vers 12): "Und ich gab den Kaufbrief Baruch, dem Sohn Nerijas, des Sohnes Machsejas, vor den Augen meines Vetters Hanamel und vor den Augen der Zeugen, die den Kaufbrief unterschrieben hatten, vor den Augen aller Judäer, die im Wachhof saßen." Auch geschickte Fälscher können daran nichts ändern: Die handschriftliche Signatur, mit Tinte und auf Papier geleistet, gilt immer noch als sicherstes Verfahren.

Zu Recht, denn schon mit bloßem Auge unterscheiden sich die Handschriften zweier Menschen durch den Raum, den eine Signatur einnimmt, der zwischen ihren Buchstaben verbleibt oder innerhalb eines Buchstabens eingeschlossen ist. Weitere sichtbare Merkmale lassen sich aus Form und Schriftführung ableiten. Den Grund für die Unterschiede liefert die Physiologie. Denn Schreiben erfordert die Zusammenarbeit zahlreicher Muskeln ab der Rumpfmitte aufwärts unter der Kontrolle des Gehirns wie auch der unwillkürlichen Motorik. Dieser Prozess läuft bei zwei Menschen niemals identisch ab, sodass ein Sachverständiger schnell erkennen kann, ob eine Signatur authentisch ist.

Auch Computer mit entsprechender Software bringen dieses Kunststück zu Wege. Eine Unterschrift wird gescannt und mit einem hinterlegten Original (Template) verglichen. Die Software "legt" die Unterschriften übereinander, vermisst Linien und Steilheiten, vergleicht Buchstaben und Strichbeschaffenheit. Diese Verfahren sind bei Banken längst Stand der Technik, um Schecks und Überweisungen auf Authentizität zu prüfen.

Die Maschinen nutzen aber mitunter auch eine Information, die das Auge nicht wahrnehmen kann: den Druck, mit dem ein Stift während des Signierens geführt wird. Wie stark ihn die Hand auf die Unterlage presst, wie lange die Unterschrift dauert, ob es Pausen gibt oder Stellen, an denen der Stift leicht angehoben wird, um dann neu anzusetzen – all das hat System. Vor allem: Es ist kaum möglich, diese Merkmale zu imitieren, nicht einmal maschinell.

Kombination mit der Tippdynamik

Gängige Systeme zur rechnergestützten Unterschriftenanalyse verwenden drucksensitive Spezialstifte oder eine druckempfindliche Schreibfläche. Deren sandwichförmiger Aufbau besteht meist aus zwei elektrisch leitenden Platten mit einem Luftspalt dazwischen. Der auf die Schreibfläche ausgeübte Druck verbindet die zwei Platten lokal; dies ist messbar und zeigt damit in etwa den Schreibdruck und die Position des Stiftes an. Eine Alternative lagert die Schreibplatte an ihren Enden auf Drucksensoren, wie sie in herkömmlichen elektrischen Waagen üblich sind. Aus den Verkippungen der Platte beziehungsweise den Belastungen der Eckpunkte lassen sich der momentane Ort des Stiftes und der lokale Druck berechnen.

Das Verfahren ist so feinfühlig, dass man auf eine solche Platte eine "Tastatur" aufdrucken kann: Der Sensor bestimmt, in welchem Bereich ein Finger auftrifft beziehungsweise welche "Taste" er getroffen hat. Auf diese Weise ließe sich die Erkennung der Handschrift noch mit dem Eintippen eines Kennworts sowie der Analyse der ebenfalls personenspezifischen Tippdynamik kombinieren. Ein solches multimodales Verfahren verbessert die Trennschärfe, verringert also die möglichen Fehleinschätzungen. Andererseits ließen sich die verschiedenen Erkennungsmerkmale natürlich auch alternativ nutzen: Wer in einer Bank kein Template zur Unterschrift hinterlegt hat, kann immer noch mit seiner herkömmlichen PIN Geld abheben.

Schließlich könnte die elektronisch erfasste handschriftliche Signatur oder die tippdynamisch erfasste PIN auch mit den Verfahren der digitalen Signatur gekoppelt werden. Dazu würde beispielsweise von einem Template und dem Inhalt des elektronischen Dokuments die Quersumme gebildet, den Daten ein Zeitstempel hinzugefügt, das Ganze verschlüsselt und an das Ausgangsdokument angehängt. Dies entspräche dem Gesetz und der Verordnung zur digitalen Signatur, die zur Identifizierung des Signaturschlüsselinhabers "Besitz (Smartcard), Wissen (PIN) und ein oder mehrere biometrische Merkmale" verlangt.

Dass die Erkennungssoftware altersbedingte Veränderungen der Handschrift berücksichtigen kann, ist ein großer Vorteil. Dazu ersetzt sie nach der Erkennung einen kleinen Teil des Templates durch den entsprechenden Anteil des gerade Wiedererkannten. Auf diese Weise passt sie sich der sich verändernden Eingabedynamik an.

Mittlerweile hat die Western Bank in den USA ihre "Homebanker" mit Schrifterfassungsgeräten ausgestattet. In Deutschland nutzen die Software-Gesellschaft der bayerischen Sparkassen und die Stadt- und Kreissparkasse Erlangen, die Kreissparkasse Groß-Gerau und die Volksbank Gießen bereits Verfahren zur elektronischen Erfassung der eigenhändigen Signatur. Von der verbesserten Sicherheit abgesehen erwarten sich die Anwender vor allem eines: das teure Papierarchiv durch eine kostengünstigere Datenbank zu ersetzen und die Unterschriften der Kunden in digital unterstützte Arbeitsabläufe einzubinden.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 8 / 2003, Seite 71
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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