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Antisense-Therapie: Wettlauf gegen die Prionen

Gefährdete Personen bereits behandeln, solange sie noch gesund sind: Mit dieser Strategie möchten Wissenschaftler eine tödliche Hirnerkrankung verhindern.
Symbolbild Gedächtnisverlust: Bäume in Kopfform entblättern mehr und mehr

Manche Menschen werden mit einem Ereignis konfrontiert, das ihr Leben vollkommen unerwartet in zwei Hälften teilt. Zu diesen Menschen gehören wir. Als wir uns das erste Mal in Sonias Hinterhof in Hermitage, Pennsylvania, trafen, als wir uns verliebten und als wir später in genau jenem Hinterhof heirateten, ahnten wir nicht, dass wir uns gerade noch in der ersten Hälfte befanden. Wir hatten nicht die Absicht, unsere Karrieren als Juristin und Ingenieur aufzugeben und in einen völlig anderen Beruf zu wechseln. Wir konnten uns nicht vorstellen, von Grund auf eine ganz neue Disziplin zu lernen. Und wir dachten nicht im Traum daran, eines Tages unsere Doktor­arbeiten in Biomedizin zu vertei­digen – mit Präsentationen einer mög­lichen Behandlung für eine tödliche neurodegenerative Krankheit.

Der Tag, an dem sich plötzlich alles änderte, war der 9. Oktober 2011. Sonia erfuhr, dass sie wohl Trägerin einer seltenen Mutation sei. Deshalb würde sie ziemlich sicher in vergleichsweise jungem Alter an einer Prionenkrankheit sterben. Ein solches schnell fortschreitendes Hirnleiden tritt auf, wenn ein in Neuronen vorhandenes Protein namens PrP seine Form ändert. Es wird zum so genannten Prion (die normale Version des Proteins, PrP oder Prion-Protein, wurde erst nach der verformten Version entdeckt und entsprechend benannt). Kommt ein Prion in Kontakt mit PrP, nimmt dieses ebenfalls Prionengestalt an. Eine Kaskade der Proteinfehlfaltung setzt ein, die sich im gesamten Gehirn ausbreitet. Sie tötet Nervenzellen schneller als alle anderen neurodegenerativen Erkrankungen.

Wenige Wochen später wussten wir, dass Sonia die Mutation tatsächlich geerbt hat. Zu dem Zeitpunkt be­gann unsere Mission. Sind wir erfolgreich, wird Sonias Gehirn und das anderer Betroffener gesund und funktionsfähig bleiben, und zwar für Jahre oder Jahrzehnte – hoffentlich ein Leben lang. Scheitern wir, wird Sonia in ihren besten Jahren fast über Nacht von der Krankheit eingeholt werden. Binnen Monaten nach dem ersten auffälligen Symptom wird sie dann verheerende Hirnschäden erleiden …

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  • Quellen

Bennett, C. F. et al.: Antisense oligonucleotide therapies for neurodegenerative diseases. Annual Review of Neuroscience 42, 2019

Raymond, G. J. et al.: Antisense oligonucleotides extend survival of prion-infected mice. JCI Insight 4, 2019

Vallabh, S. M.: The patient-scientist’s mandate. New England Journal of Medicine 382, 2020

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