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Schwangerschaft: Wie das erste Kind das Gehirn verändert

Eine Schwangerschaft geht mit massiven Um­stellungen im Körper einher. Dass diese auch am Gehirn werdender Mütter ihre Spuren hinter­lassen, zeigt eine Studie von Forschern um Elseline Hoekzema von der Universität Leiden in den Niederlanden. Sie untersuchten die Gehirne von 25 Frauen, bevor und nachdem diese ihr erstes Kind zur Welt gebracht hatten. Die Daten verglichen sie mit denen von 19 Männern, die zum ersten Mal Vater wurden, sowie mit 20 Frauen und 17 Männern, die kinderlos waren.

Bei den Müttern konnten die Forscher nach der Geburt des Nachwuchses in verschiedenen Arealen eine Abnahme der grauen Substanz feststellen. So nennen Wissenschaftler jene Bereiche des Zentralnervensystems, die hauptsächlich aus den Zellkörpern von Neuronen bestehen. Der Abbau betraf unter anderem den medialen frontalen Kortex und den posterioren Kortex sowie Teile des präfrontalen und des temporalen Kortex. Die meisten dieser Regionen sind aktiv, wenn wir sowohl unsere eigenen Bewusstseinsvorgänge als auch die Gefühle, Erwartungen und Absichten anderer entschlüsseln, so die Forscher. Sie überlappten sich erstaunlicherweise auch mit jenen Arealen, die bei Müttern, die ihr eigenes Baby anblickten, verstärkt aktiviert waren.

Die Veränderungen hielten mindestens zwei Jahre an – so lange begleiteten die Wissenschaftler ihre Teilnehmer nach der Geburt. Bei den Vätern entdeckten Hoekzema und ihre Kollegen keine Hirnveränderungen, genauso wenig wie bei den Probandinnen und Probanden ohne Kinder. Sie vermuten daher, dass diese durch die Schwangerschaft selbst hervorgerufen werden – und nicht etwa durch die Anpassung an die Elternrolle.

Die Forscher spekulieren, die Veränderungen im Gehirn könnten dafür sorgen, dass die Frauen besser für die sozialen Anforderungen gewappnet sind, die das Muttersein mit sich bringt. So könnten sie ihnen etwa dabei helfen, die Bedürfnisse ihres Babys deutlicher zu erkennen.

Diese Interpretation scheint auf den ersten Blick paradox: Normalerweise würde man eher davon ausgehen, dass das Gehirn in besonders beanspruchten Regionen aufrüstet. Hoekzema und ihr Team meinen jedoch, dass bei den Schwangeren ein ähnlicher Prozess ablaufen könnte wie bei Jugendlichen. In der Pubertät entledigt sich das Gehirn überflüssiger Synapsen, um letztlich die Entwicklung von neuen, spezialisierteren Netzwerken zu ermöglichen. Ein solcher Prozess, so die Interpretation der Forscher, findet möglicherweise auch im Gehirn von frischgebackenen Müttern statt. Kognitive Einbußen zeigten die Probandinnen in jedem Fall nach der Schwangerschaft nicht.

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  • Quellen
Nat. Neurosci. 10.1038/nn.4458, 2016
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