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Wie Falter sich finden

Farben, die der Mensch oft nicht einmal sieht, Duftbuketts und Balzrituale zählen zum kommunikativen Arsenal begattungsbereiter Schmetterlinge. Ihm hat die Evolution ihren Stempel aufgedrückt.


Unser sexuelles Interesse wird in hohem Maße durch Sinnesreize angeregt. Man erhascht einen Schimmer von glänzendem Haar, blickt in zwei strahlende Augen – und ist hingerissen. Ebenso können bereits ein Geruch oder eine Berührung Verlangen wecken.

Da ist es nicht weiter verwunderlich, wenn Schmetterlinge – als äußerlich meist viel attraktivere Geschöpfe als der Mensch – sich bei der Partnerwahl ebenfalls von vielerlei, insbesondere auch von visuellen Eindrücken leiten lassen. Der biologische Hintergrund ist immer der gleiche: für Nachwuchs zu sorgen, so daß die eigenen Gene weitergetragen werden.

Der Begründer der Evolutionstheorie Charles Darwin (1809 bis 1882) kannte zwar weder den Begriff Gene noch die von Gregor Mendel (1822 bis 1884) aufgestellten, aber erst Anfang des 20. Jahrhunderts wiederentdeckten Erbgesetze, doch über den evolutiven Sinn von Sexualität hat gerade er sich viele Gedanken gemacht. Erstmals 1871 veröffentlichte er seine Schlußfolgerung, daß Arten dazu tendierten, Körpermerkmale und Verhaltensweisen auszubilden, mit denen sich die Paarungs- und damit die Fortpflanzungschancen verbessern. Solche Eigenschaften würden entweder ein Individuum für das andere Geschlecht attraktiver machen oder ihm helfen, Konkurrenten zu besiegen.

Als Darwin seine Theorie der sexuellen Selektion aufstellte, dachte er besonders auch an die bunten Flügel der Tagfalter. Die auffälligen Farben und Muster, schrieb er damals in "Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl", wirkten wie zum Zur-Schau-Stellen gemacht; deswegen sei anzunehmen, daß Schmetterlingsweibchen allgemein die leuchtendsten, schönsten Männchen vorzögen, anders gesagt, von ihnen am stärksten zur Paarung angeregt würden.

Experimentelle Forschungen unserer Zeit haben Darwins Verdacht für verschiedene Tagfalterarten bestätigt. Farben sowie weitere, unseren Sinnen verschlossene Signale, etwa Lockstoffe, sind für sie ein sexueller Magnet. Wie man aber heute weiß, verhalten sich die Tiere wählerischer, als es auf den ersten Blick aussieht: Farbkleid und Geruch dienen wohl zu mehr als nur zum bloßen Auffallen – Nuancen können offenbar etwas über Gesundheit und Qualitäten des Trägers verraten.



Farbenschlüssel zur Geschlechtserkennung


Die Rolle der Farbe für die gegenseitige sexuelle Attraktivität – also für den ersten, wichtigen Schritt der Geschlechterfindung – ließ sich am deutlichsten bei einigen Schmetterlingsarten mit geschlechtsspezifisch unterschiedlicher Kolorierung nachweisen. Es gibt allerdings auch Arten, bei denen Männchen und Weibchen für uns ziemlich gleich aussehen. Wie können sie sich dann überhaupt gegenseitig erkennen?

Eine Antwort liefert der Gelbling Eurema lisa, eine amerikanische Art aus der auch in Deutschland verbreiteten Familie der Weiß- und Gelblinge. Dem menschlichen Auge erscheinen beide Geschlechter zwar gleich getönt – nicht aber den Faltern selbst, die auch den ultravioletten Bereich des Lichtspektrums wahrnehmen. Die gelbliche Grundfärbung entsteht durch Pigmente, die in die winzigen Schuppen auf den an sich durchsichtigen Flügeln eingelagert sind, doch die Männchen haben Schuppen, die zugleich UV-Licht reflektieren.

Für meine Experimente nutzte ich den Umstand, daß ein Freier ein Weibchen kurz umflattert, bevor er landet und eine Begattung versucht, sich hingegen schnell davonmacht und weitersucht, falls er auf einen Geschlechtsgenossen trifft. Um die maßgeblichen Schlüsselreize herauszufinden, klebte ich zunächst Flügel auf kleine Kärtchen. Die Männchen, denen ich sie präsentierte, ließen sich tatsächlich auf den weiblichen Attrappen nieder und versuchten sogar zu kopulieren; für die männlichen zeigten sie kaum Interesse.

Daß sie sich nach dem für sie sichtbaren Farbunterschied richteten, zeigte das nächste Experiment. "Verweiblichte" ich männliche Flügelpaare mittels eines aufgelegten UV-Filters, erfolgten die Paarungsversuche an diesen, nicht aber an gleichen (männlichen) Flügeln, die mit für UV-Licht durchlässigem Quarzglas abgedeckt waren. Vergleichbare Resultate erhielten Robert E. Silberglied und Orley R. "Chip" Taylor jr. von der Universität von Kansas in Lawrence bei dem Gelbling Colias eurytheme, einem Kleefalter (Bild 1): Die Männchen – die bei dieser Art UV-Licht stärker reflektieren als die Weibchen – behandeln Geschlechtsgenossen wie Weibchen, wenn dieser Spektralbereich abgeschirmt wird (Bild 2 oben).

Doch auch Weibchen können einen potentiellen Partner an der Farbe erkennen. Meine Arbeitsgruppe an der Staatsuniversität von Arizona in Tempe hat dies an dem Weißling Pontia protodice untersucht, und zwar in einer dicht damit bevölkerten ländlichen Gegend bei Phoenix. Bei dieser Art fliegen Weibchen, die noch nie oder in letzter Zeit nicht kopuliert haben, gewöhnlich auf Männchen zu und verfolgen sie gelegentlich. Das wollten wir uns zunutze machen. Dazu fingen wir einige Männchen und Weibchen ein und legten sie regelrecht an die Leine – daß heißt, wir banden ihnen um die Taille zwischen Vorder- und Hinterleib einen Faden, dessen anderes Ende an einem stabilen Draht wie an einer Angelrute befestigt war. Daran konnten wir sie umherbewegen und auch gezielt in der Nähe von freien Weibchen flattern lassen. Diese flogen denn auch vielfach auf und näherten sich dem angeleinten Tier; einem weiblichen Exemplar folgten sie höchstens kurz, wogegen sie einem männlichen oft mit viel Ausdauer nachsetzten.

Übrigens reflektieren bei dieser Art – umgekehrt wie bei den zuvor genannten Spezies – nur die Flügel der Weibchen intensiv UV-Strahlung; bei den Männchen schluckt dagegen ein bestimmtes Pigment die kurzen Wellenlängen. Dieses nun läßt sich – ein günstiger Umstand für solche Experimente – leicht durch Eintauchen der Flügel in verdünnte Ammoniaklösung ablösen, so daß auch sie dann deutlich UV-Licht reflektieren, ohne ansonsten verändert zu sein.

Mit so behandelten Flügeln bastelte ich echt wirkende Attrappen. Tatsächlich fanden sie nur bei den Männchen, nicht aber bei den Weibchen, starkes Interesse. Damit war erwiesen, daß bei dieser Schmetterlingsart beide Geschlechter bei der Unterscheidung zwischen Männchen und Weibchen auf die Farbe achten.

Wie genau die Weibchen mancher Falter es mit der Färbung nehmen, wenn sie ihre Wahl aus einer Schar von Bewerbern treffen, zeigte Diane C. Wiernasz von der Universität Houston in Texas an Pontia occidentalis, einer nah verwandten Art. Sie ließ jungfräuliche Weibchen in einem Versuchsgelände frei und fing dann jene Männchen ein, die bei ihnen Erfolg hatten. Dabei zeigte sich, daß akzeptierte Freier an den Vorderflügelspitzen dunklere Flecken haben als abgelehnte Bewerber. Teilweises Überpinseln mit weißer Farbe minderte die Attraktivität deutlich. Zwar gibt es hierzu nur die eine Studie, doch belegt sie immerhin, daß die Weibchen einiger Falter recht geringe Farbunterschiede berücksichtigen.

Wir wollten wissen, ob diese Vorliebe für eine kräftige Kolorierung eine Paarung mit den jeweils jüngsten und gesündesten Männchen sichert. Als Untersuchungsobjekt wählten wir den schon erwähnten Gelbling Colias eurytheme, mit dessen Beobachtung meine Mitarbeiter und ich einen heißen, schwülen Sommer in den Luzernefeldern Arizonas zubrachten. Für ihn war schon in den siebziger Jahren nachgewiesen worden, daß die von Männchenflügeln reflektierte UV-Strahlung Weibchen anzieht. Mit der Zeit schwindet allerdings die Pracht, weil immer mehr Schuppen verloren gehen (Bild 3). Wurden Männchen dadurch mit zunehmenden Alter unattraktiver? Zumindest für jungfräuliche Weibchen konnten wir das bestätigen: Abgenutzte Flügel mochten sie nicht, und zwar offensichtlich wegen der faden Farben.



Betörende männliche Parfüms


Daß die Geschlechter sich erkennen, ist aber nur der Anfang, denn erst danach beginnt das ernstliche Werben, wobei der Freier zunächst erreichen muß, daß die Auserwählte überhaupt kooperiert, also irgendwo landet und lange genug zur Begattung stillhält, mitunter eine Stunde und länger. Bei manchen Faltern muß das Weibchen dazu bereit sein, seinen Hinterleib zwischen den Hinterflügeln hervorzustrecken. Nur von einigen Dutzend der rund 12000 Spezies wurde bislang das Paarungsritual erforscht, das der eigentlichen Kopulation vorausgeht. Wenn die Männchen dabei Chemie einsetzen, ist das nicht einfach eine erregende Duftnote, sondern, soviel steht fest, regelrecht eine Liebessprache.

Zu den Arten, deren geruchliche Kommunikation am besten aufgeklärt ist, zählt der in den USA als Königin-Falter bezeichnete Danaus gilippus, ein Verwandter des dort wegen seiner wandernden Schwärme populären Monarchfalters. Das Männchen erzeugt ein regelrechtes Bukett an Pheromonen – chemischen Stoffen, auf die Artgenossen ansprechen. Seine Sexuallockstoffe gelangen von speziellen Drüsen an den Hinterflügeln auf fächerartig ausstülpbare Haarpinsel am Hinterleib (Bild 5). Wegen der verhältnismäßig großen Oberfläche eignen sich diese nur beim Männchen vorhandenen Strukturen hervorragend dazu, die Pheromone auf die Fühler (Antennen) des Weibchens zu übertragen; der balzende Falter bestreicht diese mit den Haarpinseln, während er vor der Umworbenen auf und ab flattert (Bild 5 rechts). Das chemische Signal veranlaßt das Weibchen, sich niederzulassen und sitzenzubleiben, während das Männchen es begattet.

Wahrscheinlich verwenden viele Schmetterlingsarten bei der Balz Pheromone, denn oft haben die Männchen Strukturen, die Duftstoffe wirksam verbreiten könnten, etwa auf den Flügeln Stellen mit ungewöhnlich angeordneten und geformten Schuppen oder auf dem Vorderleib bürstenartige Gebilde aus Haaren. Bei den Gelblingen zumindest geben solche speziellen, die Oberfläche vergrößernden Schuppen tatsächlich Komponenten ab, die stimulierend auf Weibchen wirken dürften.

Manche Arten haben zudem ein ritualisiertes Balzverhalten, das ebenfalls der direkten Übermittlung von Pheromonen dienen könnte. So landet das Männchen eines europäischen Augenfalters, des Ockerbindigen Samtfalters (Hipparchia semele, auch Rostbinde genannt) vor dem Weibchen, nimmt dessen Fühler zwischen seine zugeklappten Flügel und beugt sich dann langsam nach vorn, so daß die Fühler über eine auffällige Gruppe mutmaßlich Pheromone tragender Schuppen streifen (Bild 4). Das Männchen des Gelblings Eurema daira plaziert sich dicht beim Weibchen und streichelt dessen Antennen mit den Kanten der auf und ab bewegten Vorderflügel. Das Männchen von Agraulis vanillae macht es ähnlich; es öffnet und schließt die Flügel so, daß die Fühler des Weibchens immer wieder dazwischen geraten und so mit bürstigen Schuppen in Berührung kommen.

Ein derart aufwendiges Vorspiel ist bei Schmetterlingen allerdings nicht die Norm. Meistens dauert die Werbung keine halbe Minute und besteht hauptsächlich darin, daß das Männchen die Partnerin umflattert. Typisch dürfte etwa die kurze Balz des eingangs erwähnten Gelblings Eurema lisa sein: Bevor das Männchen landet, umschwirrt es das Weibchen für wenige Sekunden, was genügen würde, dessen Antennen mit Pheromonen zu bestreichen und es so willig zu stimmen.

Manchmal reagieren die Umworbenen jedoch auf kein Bemühen selbst noch so eifriger und prachtvoller Männchen. Ausgesprochen unwillig können sie sein, wenn sie eben eine erfolgreiche Paarung hinter sich haben: Falls sie gerade irgendwo sitzen, schlagen sie dann schnell abwehrend die Flügel; sind sie in der Luft, so flüchten sie, etwa in einem Steigflug von mehreren Metern. Gibt der verschmähte Bewerber dennoch nicht auf, dauert das Getändel unter Umständen minutenlang. Das wiederum lockt Zuschauer an: Auch Schmetterlinge scheinen einen konfliktgeladenen Flirt fesselnder zu finden als einen spannungsfrei-harmonischen.



Suchen – oder Warten


Bevor ein Männchen seine Verführungskünste spielen lassen kann, muß es überhaupt ein geeignetes Weibchen finden. Bei vielen Arten sucht es dazu einfach die Gegend ab. Oft werden dabei nacheinander Orte angeflogen, wo Partnerinnen sich aufhalten könnten, etwa Pflanzen, an denen sie ihre Eier abzulegen pflegen oder wo sie aus der Puppe schlüpfen. (Die gut untersuchten Beispiele von vor allem nachtaktiven Arten, deren Männchen weibliche Lockstoffe erkennen – oft über größere Entfernungen und in winziger Konzentration – sollen hier nicht abgehandelt werden.)

Nicht alle Schmetterlinge unternehmen solche Patrouillen; manche besetzen Reviere, in denen sie auf Weibchen warten. Eine recht ausgefeilte Strategie verfolgen etwa die Männchen des amerikanischen Edelfalters Asterocampa leilia, in Amerika "Kaiserin Leilia" genannt. Die Raupen dieser Art leben auf Zürgelbäumen, an denen sie sich auch verpuppen, und die Weibchen werden während ihres kurzen Lebens nur ein einziges Mal begattet. Es kommt also darauf an, sie möglichst bald nach dem Schlupf zu erwischen. So legen die Männchen sich denn regelrecht auf die Lauer.

Schon am frühen Morgen, wenn die Weibchen schlüpfen und bald fliegen werden, beziehen sie ihre Position. Und zwar setzen sie sich zunächst auf sonnige, freie Flecken auf dem Boden nahe bei solchen Bäumen (Bild 6 oben); wahrscheinlich können sie von dort alles gut überschauen und auch potentielle Rivalen rechtzeitig entdecken, während die Sonne sie gleichzeitig wärmt, denn in der kühlen Morgenluft wären die wechselwarmen Tiere sonst zu träge für die notwenigen Verfolgungsflüge. Später wählen sie einen Ansitz im Baum in ungefähr einem Meter Höhe – ziemlich exakt der Flughöhe der Weibchen –, von dem aus sie ins Freie Ausschau halten (Bild 6 unten). Wir konnten zudem beobachten, daß sie den Kopf dabei stets waagerecht halten, selbst wenn sie schräg sitzen: Die Zone schärfsten Sehens, ein Band entlang dem Äquator des visuellen Feldes, dürfte sich dann mit der bevorzugten Flugebene der Weibchen decken.

Sein oft sehr großes Territorium bewacht und verteidigt das Männchen ein oder zwei Stunden lang eifrig. Alles, was sich nähert, löst einen Anflug aus, ob Schmetterling, Vogel oder ein geworfenes Steinchen. Weibchen werden verfolgt, potentielle Konkurrenten vertrieben, und nach jeder solchen Unternehmung kehrt das Männchen an seinen Platz zurück.

Viele Schmetterlingsarten gebärden sich übrigens sogar noch wesentlich territorialer. Die von ihnen beanspruchten Paarungsgründe sind weniger eine Ressource der Spezies wie im Falle des Zürgelbaums, sondern eher günstige oder auffällige Geländestrukturen; beispielsweise kämpfen sie um vegetationsfreie Plätze, sonnige Fleckchen, Mulden und Rinnen und vor allem Anhöhen. Wir können nur Vermutungen darüber anstellen, warum Männchen von Schmetterlingen – oder auch die von anderen Insekten – derartige Territorien haben. So könnten Weibchen Sonnenflecken gern aufsuchen, um sich aufzuwärmen, oder vielleicht eignet sich ein kahler Platz besonders zum Sehen und Gesehenwerden. Am merkwürdigsten erscheint die Vorliebe für Anhöhen. Unbegattete, nicht aber begattete Weibchen mancher Arten haben eine Tendenz, hügelaufwärts zu fliegen, doch was bei der Evolution dieses Verhaltens Ursache und Wirkung ist, bleibt ein Rätsel.



Vorsorge aus Eifersucht


Offenbar hat die Balz eines Schmetterlingsmännchens mit allen Begleitelementen – ob nun Flügelfärbungen, Duftnoten, Werbungsritualen oder Ortspräferenzen – den Zweck, ihm möglichst viele erfolgreiche Paarungen zu sichern. Entsprechend macht auch Sinn, daß junge Weibchen den Vorzug vor älteren erhalten, denn von ihnen ist wegen der wahrscheinlich höheren Überlebenschancen bis zur Eiablage statistisch mehr Nachwuchs zu erwarten.

Für ein Männchen muß dann aber auch gelten, daß es neuerliche Paarungen eines von ihm begatteten Weibchens mit anderen Männchen möglichst verhindern sollte. Schließlich macht es dem Weibchen bei der Kopulation ein wertvolles Geschenk, indem es ihm zusammen mit den Spermien in einem großen Samenpaket auch Nährstoffe zukommen läßt: Die Spermatophore kann 6 bis 10 Prozent des Körpergewichts eines Männchens betragen. Es kann sich nicht leisten, diese Nährstoffe zugunsten eines Rivalen zu verschwenden (siehe auch "Morgengaben bei Heuschrecken", Spektrum der Wissenschaft, Oktober 1997, Seite 82).

So ist denn auch evolutiv ein Mechanismus entstanden, der dasjenige Männchen begünstigt, das es schafft, als erstes mit dem Weibchen zu kopulieren: Die-ses ist nämlich mit einer Spermatophore im Genitaltrakt weiteren Avancen abgeneigt. Das läßt sich auch experimentell belegen, indem man den Genitaltrakt künstlich füllt. Selbst ein jungfräuliches Tier wird dann spröde. Durchtrennt man jedoch die Nervenverbindungen, die offenbar den Füllungszustand registrieren, gewinnt ein bereits begattetes Tier wieder sexuelles Interesse. Eine rabiatere Methode zur Verhinderung weiterer Kopulationen wenden Männchen an, die den weiblichen Geschlechtsgang einfach mit einem Pfropfen regelrecht abdichten.

Bei Weibchen geht der Evolutionsdruck in andere Richtungen. Oft paaren sie sich nur ein einziges Mal, weswegen sie äußerst wählerisch sein müssen. Erhält diese eine Chance der beste – fitteste – Bewerber, dann hat ein Weibchen nicht nur eine hohe Gewähr für eine gute genetische Ausstattung seiner Nachkommen; es dürfte auch von einer größeren, nahrhafteren Spermatophore profitieren, die ihm höchstwahrscheinlich zu einem längeren Leben verhilft – und damit zur Chance, mehr Eier zu legen. Wie lebenstüchtig und fit im evolutiven Sinn ein Bewerber ist, mag es an dessen Farbe, Duft und Gehabe ermessen. Dabei spricht die Duftnote vermutlich für die Qualität der Kost: Die Männchen von Asterocampa leilia bilden ihren charakteristischen Sexuallockstoff beispielsweise nur nach dem Besuch bestimmter Pflanzen: aus dort aufgenommenen chemischen Verbindungen (Bild 5 unten). Daß jüngere, gesündere Männchen die brillanteren Farben haben, wurde schon erwähnt.

Für Schmetterlinge wie für alle sich geschlechtlich vermehrenden Lebewesen gilt: Gleich ob raffiniert oder simpel in der Strategie – Balz und Paarung sind evolutionär gestaltete Mechanismen des sich fortentwickelnden Lebens. Von daher macht es wenig Unterschied, ob man einen Schwarm prächtiger Monarchfalter in den Bergen Zentralmexikos beim Liebesspiel beobachtet oder ein Paar Kohlweißlinge im Garten: Man sieht das momentane Ergebnis eines stetig weiterlaufenden Anpassungsprozesses.

Literaturhinweise

– Partnerwahl im Tierreich. Sexualität als Evolutionsfaktor. Von J. L. Gould und C. G. Gould. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1990.
– The Evolution of Insect Maiting Systems. Von R. Thornhill und J. Alcock. Harvard University Press, 1983.
– The Development and Evolution of Butterfly Wing Patterns. Von H. F. Nijhout. Smithsonian Institution Press, 1991.
– The Evolution of Mate-Locating Behavior in Butterflies. Von R. L. Rutowski in: American Naturalist, Band 138, Heft 5, Seiten 1121 bis 1139, November 1991.
– Questions about Butterfly Behavior: The Case of the Empress Leilia. Von Ronald L. Rutowsky in: American Butterflies, Band 2, Seiten 20 bis 23, Mai 1994.
– Sexual Dimorphism, Mating Systems, and Ecology in Butterflies. Von R. L. Rutowski in: Evolution of Mating Systems in Insects and Arachnids. Herausgegeben von J. C. Choe und B. J. Crespi. Cambridge University Press, 1997


Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 1998, Seite 86
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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