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Reformation: Eine Gelehrtendebatte eskaliert

Zu Anfang war es nur ein Streit unter Theologen. Doch Luthers Thesen bargen einen Sprengstoff, der die Kirche innerhalb weniger Jahre spaltete. Eine neue Sichtweise auf die Schriftquellen macht diese Dynamik verständlich.
Bereits 1518 war Martin Luther auf dem Reichstag in Augsburg von einem Abgesandten des  Papstes, Kardinal Cajetan, verhört und zum Widerruf aufgefordert worden.

"Der Verrückte war lachend eingetreten und hatte vor dem Kaiser andauernd mit dem Kopf gewackelt. Nachdem sie ihn gesehen haben, halten ihn viele von denjenigen, die ihn an sich begünstigen, entweder für verrückt oder für vom Teufel besessen." Derart abfällig schilderte der päpstliche Gesandte Girolamo Aleandro den Auftritt Martin Luthers auf dem Reichstag in Worms im April 1521. Knapp dreieinhalb Jahre waren seit der Veröffentlichung der 95 Thesen vergangen (dass Luther sie an die Schlosskirche von Wittenberg anschlug, ist eine frühe Legendenbildung), nun sollten die weltlichen Herrscher ihr Urteil sprechen. Doch so sehr sich der Nuntius darüber auch empörte: Am Ende zog der Ketzer aus der germanischen Provinz unbeschadet davon.

Die Kirche war damit gespalten, und das ist sie bis heute. Protestanten und Katholiken gehen nach Jahrhunderten wüster Polemik zwar inzwischen freundlicher miteinander um, doch in fundamentalen Fragen herrscht weiterhin Uneinigkeit. Umso wichtiger ist es, zu begreifen, wie eine theologische Fachdebatte derart eskalieren konnte.

Antwort findet nur, wer neben dem Standpunkt Luthers und seines Umfelds auch die Positionen des Papstes und der Kurie, also seines Verwaltungs- und Herrschaftsapparats miteinbezieht. Dafür gibt es diverse Schriftzeugnisse, die zwar seit Langem bekannt sind, bislang aber unge­nügend ausgewertet wurden. Zu diesen Quellen gehören insbesondere die Gutachten jener katholischen Experten, die Luthers Thesen widerlegen sollten, und die Briefe, die Aleandro vom Reichstag an die päpstliche Zentrale schrieb. All diese Texte wurden zwar bereits kommentiert und interpretiert, am gründlichsten von dem Kirchenhis­toriker Friedrich Lauchert (1863–1944), doch zumeist blieb es bei theologischen Fragestellungen. Erst seit Kurzem berücksichtigen Forscher geschichtliche Rahmenbedingungen wie den herrschenden Zeitgeist oder Vorurteile gegenüber den nationalen Kulturen des jeweiligen Kontrahenten. Um es vorwegzunehmen: Eine Verständigung zwischen den beiden geistlichen Lagern war demnach von vornherein ausgeschlossen ...

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  • Quelle

Reinhardt, V.: Luther der Ketzer. Rom und die Reformation. C.H.Beck, München, 3. Auflage 2017

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