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'Wissen muss umgesetzt und angewendet werden.'

Interview mit Prof. Dr.-Ing. Hans-Jürgen Warnecke, Präsident der Fraunhofer-Geselschaft zur Förderung der angewandten Forschung


Spektrum der Wissenschaft: Wie stehen Sie zu den Überlegungen bei der GMD, eine einheitliche Organisation für die Informations- und Kommunikationstechnik zu schaffen, die von der Grundlagenforschung bis zur Entwicklung alles integriert?

Professor Hans-Jürgen Warnecke: Wir wollen das Fraunhofer-Prinzip aufrechterhalten, sonst wird es für den Steuerzahler teuer. Im Falle der Fusion erwarten wir, dass sich die GMD-Institute zumindest auf den Weg machen, hinsichtlich der Wirtschaftsorientierung ihrer Arbeit in unsere Richtung zu marschieren. Das hat nicht nur einen finanziellen, sondern auch einen praktischen Grund: Wissen erhält erst dann einen Wert, wenn es umgesetzt und angewendet wird. Deswegen ist für uns ein wesentliches Kriterium, ob unser Wissen einem privaten Unternehmen so viel wert ist, dass es dafür zahlt oder Kapital in die Gründung von Unternehmen investiert, die sich auf diese Technologie stützen. In der FhG darf es kein Institut geben, in dem die Zukunft nie Gegenwart wird. Diesen Maßstab wollen wir nicht aufgeben. Freilich sehen wir ein, dass die Umstellung viele Jahre benötigt.

Spektrum: Sie stellen also das Prinzip der FhG über das der GMD?

Warnecke: Wir sind durchaus bereit, uns in Richtung GMD zu bewegen. Wir wollen der Grundlagenforschung mehr Raum geben, aber nicht der rein erkenntnisorientierten. Unter dem Dach der FhG ist schon immer Platz für umsetzungs- oder anwendungsorientierte Grundlagenforschung. Auch wenn keine Anwendung zu sehen ist, erwarten wir, dass der Forscher die Frage wenigstens im Hinterkopf behält, was man damit machen kann und dass sich vielleicht in fünf oder zehn Jahren daraus eine wirtschaftliche Aktivität ergeben wird. Mit anderen Worten: dass sich ein Institut als Ganzes in Richtung Wirtschaftsorientierung bewegt. Das schließt nicht aus, dass in dem Institut eine oder mehrere Arbeitsgruppen einen relativ niedrigen Ertrag aus Wirtschaftserträgen oder aus öffentlich geförderten Projekten haben. Sie wären also mehr oder weniger stark grundlagenfinanziert. Wenn das Institut als Ganzes in sich diese Mischung und Finanzierungsstruktur herstellt, sind wir zufrieden.

Spektrum: In den Verhandlungen um die Fusion gab es in der GMD offenbar irgendwann einen Bruch.

Warnecke: Es hat dort von Anfang an eine Minderheit ablehnender Kräfte gegeben. Als im Laufe der Verhandlungen immer klarer wurde, dass die unterschiedlichen Unternehmenskulturen nicht so einfach zusammengefügt werden können, reifte bei der GMD die Überzeugung, nicht dem Finanzierungsmodell der FhG mit ihren hohen Eigenerträgen genügen zu können und zu wollen. Wozu sollten sie ihre relativ bequeme Grundfinanzierung aufgeben? Aus verständlichen Ängsten und Sorgen und verstärkt durch eine besonders ausgeprägte interne Kommunikation kam es dann zu einer breiten Ablehnung.

Spektrum: Wäre es taktisch nicht sinnvoller gewesen, die ganze Sache vorher durchzudiskutieren?

Warnecke: Möglicherweise. Es bestand aber die Sorge, dass diese Reaktion schon vor der Bekanntgabe stattgefunden hätte. Der Kampf wäre dann schon vorher ohne Ergebnisse ausgetragen worden. Man hätte dann nicht mehr den Mut zu dem Beschluss gehabt. Die Politik drängte sehr stark zur Fusion. Auch der GMD-Vorsitzende hat im vorigen Herbst erklärt, er trage das voll mit.

Alle waren sich damals einig: In der geschichtlich gewachsenen deutschen Forschungslandschaft sind Neustrukturen notwendig, um ihre Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Ich bin immer noch überzeugt, dass die angestrebte Zusammenarbeit für alle Seiten nützlich und sinnvoll sein könnte. Ein Scheitern wäre fatal. Denn das wäre ein Signal, dass es in der deutschen Forschungslandschaft schwer oder gar unmöglich ist, etwas zu bewegen.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 6 / 2000, Seite 94
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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