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Wissenschaft im Alltag: Füller & Co.

Vom Federkiel zum elektronischen Stift


Moderne Schreibgeräte haben scheinbar wenig mit den geschlitzten Bambusrohren der Ägypter oder den Federkielen mittelalterlicher Mönche gemein. Und doch arbeiten sie nach dem gleichen Grundprinzip: Kapillarkräfte befördern Tinte oder Paste auf das Papier (siehe Stichwort). Freilich: Füller, Kugelschreiber und Tintenroller sind ungleich einfacher zu handhaben als der Gänsekiel, erspart doch ein Tintenvorrat das Eintunken ins Fass und sorgen präzise mechanische Regelsysteme für einen klecksfreien Tintenfluss. Eine geschlitzte Metallfeder verschließt beim Füller den Tintenkanal, bis sie durch den Schreibdruck leicht aufwärts gebogen wird. Im Spalt zwischen Feder und Kanal sowie im nun leicht geöffneten Schlitz ziehen Kapillarkräfte die Flüssigkeit zum Papier. Ohne weitere Maßnahmen würde sich aber ein Unterdruck im Behälter aufbauen und den gleichmäßigen Fluss stören. Kleckse, Auslaufen oder Tintenmangel waren die Regel, bis der amerikanische Versicherungsvertreter Lewis E. Waterman 1884 eine Belüftung des Tanks entwickelte: Verbrauchte Tinte wird kontrolliert durch Luft ersetzt.

Mit dem Druckausgleich war die Entwicklung des Füllers nicht abgeschlossen. Feine Lamellenstrukturen, die so genannten Ausgleichskammern, speichern vorübergehend Tinte, wenn Temperatur- und Luftdruckschwankungen Flüssigkeit aus dem Vorratsbehälter drücken. Dieses Puffern unterstützt ebenfalls den gleichmäßigen Tintenfluss. Kugelschreiber und Tintenroller ersetzen die Feder des Füllers durch eine Metallkugel, meist aus verschleißfestem Wolframkarbid, die sich in einer Fassung frei drehen kann. Der feine Spalt zwischen beiden liefert die zum Schreiben notwendigen Kapillarkräfte. Während die Mine eines Kugelschreibers farbstoffhaltige Paste enthält (und bei Großraumminen eine Fettabdichtung am hinteren Ende), ist es beim Kugelroller Tinte.

Neuentwicklungen beruhen meist auf einem dieser Prinzipien, versuchen mit modernen Verfahren die Mechaniken oder die ergonomische Handhabung zu optimieren. Auch Werkstoffe und Design spielen eine große Rolle. Während ein Kunststoff-Kugelschreiber im Supermarkt für wenige Euro zu haben ist, kann ein Renommierstück leicht einige hundert kosten. Noch teurer käme derzeit wohl eine Innovation des deutschen Unternehmens Lamy: der Prototyp eines elektronischen Füllers, dessen Tintenfluss durch Piezoventile, Sensoren und Prozessorchips gesteuert wird. Die Vorteile: sofortiges Anschreiben, Auslaufsicherheit und noch gleichmäßigerer Tintenfluss. Eine Option für die Zukunft.

Die Macht der Feder


Vom Abc-Schüler bis zum Kalligrafie-Künstler reicht das Anwenderspektrum beim Füllhalter. Dem entspricht eine Palette an Federn. Sie bestehen meist aus Edelstahl (eine Vergoldung hat nur optische Vorzüge). Reine Goldfedern sind weicher, allerdings ungleich teurer. Um rascher Abnutzung zu begegnen, enden Schreibfedern in einem Hartmetallkorn (Iridium), das auch die Strichstärke bestimmt. Je nach der individuellen Handhaltung empfiehlt sich ein gerades oder abgeschrägtes Korn, ein gerundetes verzeiht auch wechselnde Handstellungen ohne Kratzen. Ein flaches Korn lässt den Füllhalter dafür sanfter über das Papier gleiten. Für Schönschreiben und Kalligrafie eignen sich kornlose Bandzugfedern.


Wussten Sie schon?


- Das Patent für das Kugelschreiber-Konzept erhielt 1938 der Ungar Laszló Biró. 1944 lieferte er 30000 Stück an die britische Luftwaffe, da seine Erfindung unempfindlicher gegen Luftdruckschwankungen als Füllhalter sein sollte. Ab 1945 stiegen auch andere amerikanische Firmen in den Markt ein, doch die Produkte waren anfangs wenig verlässlich. Feinmechanikern und Uhrmachern im Schwarzwald gelang es, mit der notwendigen Präzision Tintenkanäle und Kugelfassungen zu liefern und deutsche Kugelschreiber zu etablieren. – Besondere Probleme bereitet dabei der Flugverkehr: Im Tintenbehälter steht die Luft beim Einsteigen unter Atmosphärendruck, in großer Höhe wird aber der Kabinendruck abgesenkt – ohne spezielle Vorrichtungen wären Flecken die Folge. Allerdings wird immer noch empfohlen, einen Füllhalter vor dem Abflug möglichst voll zu tanken. – Tintenschreiber haben einen zehnfach stärkeren Fluss an Schreibmittel als Kugelschreiber. Ihr Schriftbild ist somit attraktiver, doch reicht die Mine nur etwa 1000bis1500 Meter weit, beim Kugelschreiber sind es je nach Spitze 5000bis 10000 Meter.
- Schon in der Antike wurden Mischungen aus Eisensalzen und Gerbsäure zum Schreiben verwendet, da sie tiefschwarze Spuren hinterlassen. Den Rohstoff für die Gerbsäure gewann man aus Galläpfeln, Wucherungen an Blättern und Zweigen von Eichen. Im Mittelalter setzte sich diese Eisengallustinte mehr und mehr durch und wurde von dem Dresdner Parfümeriefabrikanten August Leonardie zur Fertigtinte weiterentwickelt. Die Alternativen sind heute wässrige Lösungen von Anilinfarbstoffen, Konservierungsmitteln und anderen Zusätzen.


Stichwort:Kapillarkraft


Kohäsion bezeichnet die gegenseitige Anziehung der Moleküle einer Flüssigkeit, Adhäsion (Grenzflächenkräfte) die zwischen ihnen und einem Gefäß, etwa einem Steigrohr. Überwiegt Letztere, wölbt sich der Spiegel der Flüssigkeitssäule konkav nach oben. Die Oberflächenspannung hat dann eine Komponente in diese Richtung, und die Flüssigkeit steigt solange, bis die Gewichtskraft diesen "Kapillareffekt" ausgleicht. Die Steighöhe ist umso größer, je dünner das Röhrchen, je geringer die Dichte des Mediums und je größer seine Oberflächenspannung ist.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 2003, Seite 88
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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