Wissenschaft im Internet: Lieber tot und lebendig
Das richtige Zauberwort eröffnet den Zugang zu einer interaktiven Wunderwelt der Quantenmechanik.
Wellen benehmen sich im Quantenreich, als wären sie Teilchen, und Teilchen zerfließen in Wellen. Ein Quantenobjekt gibt entweder seinen Aufenthaltsort preis oder seine Geschwindigkeit – doch niemals beides zugleich.
Solche und andere Seltsamkeiten machen Dinge möglich, die in der klassischen Physik undenkbar sind. So etwa den verblüffenden "Bombentest" von Avshalom Elitzur und Lev Vaidman (Spektrum der Wissenschaft 01/1997, S. 42): Der Auslöser einer gedachten Bombe ist so empfindlich, dass sie schon vom Hinschauen, sprich der Wechselwirkung mit einem einzelnen Photon, explodiert. Gleichwohl kann man mithilfe der Quantenmechanik "nachsehen", ob die Bombe noch scharf ist – und zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit überleben. Erforschen lässt sich der Trick unter www.ati.ac.at/~summweb/ (übrigens in einer harmlosen Variante, die Bomben durch lichtempfindliche Filme ersetzt).
Ebenso überraschend ist auch das Verhalten von Elektronen beim Flug durch einen Doppelspalt, ein klassisches Beispiel für den "Welle-Teilchen-Dualismus": Statt wie kleine Kugeln geradewegs durch den linken oder den rechten Spalt zu fliegen, erzeugen die Quanten auf einem Bildschirm dahinter ein Interferenzmuster, wie es eigentlich nur Wellen, nicht aber Teilchen hinterlassen dürften. Auf einer umfangreichen Seite für "Visual Quantum Mechanics" (phys.educ.ksu.edu/vqm, Stichwort "Double Slit Diffraction") wird das Phänomen simuliert. Das Internet birgt viele interaktive Schätze dieser Art – und sie enthüllen sich dem, der das Zauberwort für die Suchmaschinen kennt: "physlets" für physikalische (Java-)Applets.
Viele virtuelle Quantenexperimente erfordern einiges an theoretischem Hintergrund. Dieser lässt sich im Internet ebenfalls auffrischen, etwa beim Blättern durch "milq", ein Internet-Projekt zur Lehrerfortbildung in der Quantenmechanik (www.cip.physik.uni-muenchen.de/~milq). Gut eignen sich auch das multimediale Lernprogramm auf www.didaktik.physik.uni-erlangen.de/ und die interaktive (englischsprachige) Online-Vorlesung www.quantum-physics.polytechnique.fr.
Quanten fürs Auge bietet www.kfunigraz.ac.at/imawww/vqm/index.html, so zum Beispiel Animationen zur Quantentheorie und farbenprächtige Wellenfunktionen des Wasserstoffatoms. Ein kleiner Seitensprung lohnt auch zu www.almaden.ibm.com/vis/stm/stm.html. Die Seite gehört zum IBM-Forschungszentrum Almaden im Silicon Valley und führt stolz die Wunder der Rastertunnelmikroskopie vor.
Wer der Quantenphysik auch praktische Seiten abgewinnen will, wirft noch einen Blick auf www.ap.univie.ac.at/users/fe/Quantencomputer. Ein interaktiver Quantencomputer-Baukasten verdeutlicht dort das Prinzip, wie die Überlagerung von Quantenzuständen zu enorm schnellen Berechnungen genutzt werden kann (Spektrum der Wissenschaft 01/2002, S. 86).
"Schrödingers Katze", das berühmte Haustier der Quantenphysiker, macht in einem Gedankenexperiment (anschaulich erklärt unter www.cip.physik.uni-muenchen.de/~milq/) die einzigartige Erfahrung, gleichzeitig tot und lebendig zu sein. Physiker nennen dies eine Superposition von Quantenzuständen.
Ein Preisausschreiben im Scientific American lud jedermann dazu ein, sich dem viel diskutierten Phänomen auf unterhaltsame Weise zu nähern: mit einem Limerick (www.sciam.com/article.cfm). Es gewann das folgende Werk, dessen Autor um des Reimes willen statistics mit stat abkürzte:
Schrödinger said that a cat Is alive, or it’s dead, and that’s that. But Heisenberg said, "It’s alive and it’s dead, and its state can be seen as a stat."
Aus: Spektrum der Wissenschaft 11 / 2002, Seite 114
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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