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Wissenschaft im Internet: Ratespiel gegen den Computer



Robert Lembke und sein Team spielten es einstmals im Rundfunk, und Kinder pflegen lange Autofahrten damit erträglich zu machen: Ich denke mir etwas aus, und du musst mit 20 (oder 21) Ja-nein-Fragen erraten, was es ist.

Die richtigen Fragen zu stellen erfordert erheblichen Scharfsinn. Am besten hat der Rater eine Liste denkbarer Lösungen im Kopf und stellt seine jeweils nächste Frage so, dass die Liste durch die Antwort, einerlei welche, möglichst stark zusammenschrumpft. Allgemeinwissen und Denken in hierarchischen Strukturen sind hilfreich: Wenn ich die Frage "Ist es ein Vogel?" schon mit ja beantwortet habe, erübrigt sich die Frage "Ist es ein Warmblüter?"

Um so erstaunlicher ist es, dass ein ziemlich simples Programm, das über das Internet die Rolle des Raters spielt, die stolze Erfolgsquote von 35 Prozent erreicht. Unter www.20q.net (20q wie "20 questions") ist alle Welt eingeladen, sich Dinge auszudenken und dazu die (englischen) Fragen des Programms zu beantworten. Außer "ja" und "nein" sind Antworten wie "vielleicht", "weiß nicht" oder "kommt nicht darauf an" erlaubt.

Was steckt hinter dem Programm? Expertensysteme, hierarchische Datenbasen für Allgemeinwissen, programmierte Schlussfolgerungsregeln? Nichts von alledem. Die ganze Weisheit sitzt in einer großen Tabelle (Matrix), die man mit etwas gutem Willen als ein sehr einfaches neuronales Netz interpretieren kann. Die Spalten entsprechen den ratbaren Begriffen und die Zeilen den möglichen Fragen. Jeder Tabelleneintrag gibt an, ob die zugehörige Antwort "ja", "nein" oder "unbekannt" lautet, und zusätzlich, wie sehr oder wie sicher diese Antwort zutrifft. Hier gehen Ideen aus der Fuzzy Logic ein.

Das Programm wählt die jeweils nächste Frage nach möglichst großer Trennschärfe aus, sprich möglichst gleicher Wahrscheinlichkeit für beide Antworten; eine kleine Zufallskomponente kommt hinzu. Unterwegs zeigt es dem Benutzer die Antwortmöglichkeiten, die es zur Zeit für die plausibelsten hält, und gibt damit reichlich Anlass zur Erheiterung: Wahrlich, das Programm weiß nicht, was es tut.

Aber es wird immer besser, denn es nutzt, wie bei neuronalen Netzen üblich, die Antworten des Benutzers zur Nachbesserung seiner Tabelleneinträge. Falsche Antworten werden auf die Dauer von einer wachsenden Mehrheit richtiger unschädlich gemacht, und dank seiner Arbeitsweise ist das Programm robust gegen kleine Verschmutzungen seiner Tabelle.

Robin Burgener aus Ottawa (Kanada) betreibt das Projekt seit 1988. Der Andrang ist beträchtlich: Spielen Sie besser morgens, wenn Amerika noch schläft und der Server nicht überlastet ist.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 10 / 2001, Seite 110
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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