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TiNOX: Wissenschaft in Unternehmen: Dünne Schichten auf Sonnenfang



Ein dunkler Wasserschlauch in der prallen Sommersonne liefert heißes Wasser – wer gärtnert, kennt das Prinzip der Solarthermie. Viele Hausbesitzer nutzen es zur Warmwasserbereitung. Vor allem bei trübem Wetter muss eine solche Anlage beweisen, dass sie effizient arbeitet. Eine besonders hohe Ausbeute liefern Kollektoren mit so genannten selektiven Absorbern. Sie absorbieren über möglichst das gesamte Sonnenspektrum Energie, strahlen aber anschließend nur einen Bruchteil davon als Verlustwärme wieder ab.

Die Münchener Firma Tinox brachte 1995 die ersten Dünnschichtabsorber auf Titan-Basis auf den Markt; sie setzen 95 Prozent der aufgefangenen Energie in Wärme um. Die Basis stellt meist eine Trägerfolie aus Kupfer, das Wärme gut leitet, Korrosion widersteht und sich leicht mit den wasserdurchflossenen Rohren verschweißen lässt. Um Lichtreflexionen zu mindern, wird die Kupferfolie – ähnlich Brillengläsern – durch Aufbringen dünner Schichten entspiegelt. Dafür eignen sich Metallverbindungen, etwa Oxide, die Licht wesentlich schwächer reflektieren als Metalle.

Tinox steht für Titan-Nitrit-Oxid, eine Mischung aus Titan-Nitriten und Titan-Oxiden. Eine hauchdünne Quarzschicht, die das Ganze schützend abschließt, hilft, den kleinen Anteil diffus reflektierten Lichts ebenfalls einzufangen – es wird in den Kollektor zurück-geworfen. Dieser gesamte Aufbau gibt dreimal weniger Wärmestrahlung im Infraroten wieder ab als die bisher verwendeten galvanischen Schichten.

Grüner Punkt für Tinox?

Unabhängige Institute wie das Fraunhofer Institut für Solare Systeme (ISE) in Freiburg und das Swedish International Testing and Research Institute in Borås haben die Alterung der blau schimmernden Titan-Absorber getestet: Auch nach 25 Jahren fällt der Wirkungsgrad nicht merklich ab. Ein Quadratmeter Tinox-Absorber liefert im Jahr in Mitteleuropa über 500 Kilowattstunden, hochgerechnet auf die 25 Jahre vermeidet er etwa vier Tonnen CO2-Emissionen.

Auch die Herstellung ist besonders umweltfreundlich. Herkömmliche Absorber sind meist Bleche, die galvanisch mit Schwarzchrom oder Schwarznickel beschichtet werden; dabei entstehen mit Schwermetallen belastete Abwässer. Die Tinox-Schichten jedoch werden ohne anfallende Emissionen und mit einem geringen Energieaufwand von nur etwa einer Kilowattstunde pro Quadratmeter im Vakuum aufgedampft (PVD, physical vapour deposition). Rollen von Kupferfolie laufen dabei durch eine mehrere Kubikmeter große Hochvakuumkammer.

Dort verdampft eine Elektronenstrahlkanone Titan, das dann mit geringen Spuren Sauerstoff und Stickstoff zu den gewünschten Metallverbindungen reagiert; diese kondensieren schließlich auf der Folie in einer säulenartigen Mikrostruktur. Durch unterschiedliche Abspulgeschwindigkeiten und Verdampfungsraten lassen sich Struktur und Dicke der Beschichtung variieren, was letztlich die optischen Eigenschaften und die Farbwirkung bestimmt. Wem das tiefe Blau der Absorber nicht gefällt, der kann seine Hausfassade neuerdings mit einem gold-bronzefarben schimmernden Sonnenfänger schmücken. Dieser ist sogar günstiger in der Herstellung, hat aber leider einen etwas niedrigeren Absorptionskoeffizienten.

Wie Kollektoren noch weiter zu verbessern sind, untersuchten die Münchener Dünnschichtexperten zusammen mit der Forschungsgruppe Solarenergie der Universität Marburg. Für das Zusammenspiel von Absorber und Wärme ableitendem Rohr gilt: Je dünner die Kupferfolie ist, desto geringer sind die Verluste durch thermische Abstrahlung, desto schwieriger wird es aber auch, sie dauerhaft an die Wasser führenden Kupferrohre zu schweißen. Als wirtschaftliches Optimum erwies sich ein 120 Mikrometer starkes Blech. Ein Kilogramm Kupfer und je ein Gramm Titan und Quarz genügen dann für einen Quadratmeter Absorber, der am Ende seiner Betriebsdauer sogar ohne Vorbehandlung recycelt werden kann.

Wegen ihrer hohen Effizienz können die selektiven Solar-Absorber nicht nur Heiz- und Brauchwasser erwärmen, sondern auch industrielle Prozesse antreiben, Meerwasser entsalzen oder sogar zur Kühlung dienen: Indem das Kühlmittel verdunstet, entzieht es seiner Umgebung Wärme; der Kühlmittelkreislauf lässt sich mit solarerhitztem Wasser antreiben. Noch gibt es weltweit nur wenige "Solar-Cooling"-Anlagen, zum Beispiel eine industriell genutzte Klimaan-lage in Mexiko mit 600 Quadratmetern Tinox-Kollektoren. Der Vorteil dieser Technik liegt auf der Hand: Erfordert die Sonneneinstrahlung Kühlung, steht auch die Energie dazu bereit.


Das Unternehmen im Profil


Der promovierte Physiker Miladin Lazarov entwickelte die Titan-Nitrit-Oxid-Beschichtung im Rahmen seiner Promotion an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er gründete 1994 zusammen mit drei Kollegen die TiNOX GmbH, um Absorber im industriellen Maßstab herzustellen. Mit Erfolg: Die Firma gewann im Jahr 1998 den Umweltinnovationspreis des Bayerischen Wirtschaftsministeriums und nahm als "Weltweites Projekt" an der Expo 2000 teil. Heute beschäftigt der Betrieb rund fünfzig Mitarbeiter und beliefert als Marktführer Kollektorenhersteller in Deutschland und Europa: Sechzig Prozent aller neu installierten Kollektoren nutzen Ti-nox-Absorber. Für 2002 peilt das Unternehmen einen Jahresumsatz von 15 Millionen Euro an. Die Tochterfirma ScolMed entwickelt und vermarktet medizinische Titan-Beschichtungen für Langzeitimplantate.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 6 / 2002, Seite 96
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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Weitere Informationen unter www.tinox.com
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