Axxima Pharmaceuticals AG: Wissenschaft in Unternehmen: 'Firewalls' gegen Viren und Bakterien
Fieberhaft sucht die Pharmaindustrie nach neuen Wirkstoffen gegen Infektionskrankheiten. Denn immer häufiger erweisen sich Erreger gegen Antibiotika und antivirale Medikamente als resistent. Selbst neu auf den Markt gebrachte Pharmaka verlieren mitunter schon nach wenigen Monaten ihre Wirkung. Fatale Konsequenz: Die Zahl tödlich verlaufender Infektionen nimmt weltweit wieder zu. Das Martinsrieder Biotech-Unternehmen Axxima Pharmaceuticals AG hat deshalb eine völlig neue Strategie entwickelt: Ein molekulares Schutzschild, die so genannte "Signal Transduction Firewall", soll verhindern, dass sich Bakterien und Viren in den zellulären Informationsfluss einschalten.
Denn solch ein Krankheitserreger vermehrt sich, indem er die komplizierte Signalkette der Wirtszelle derart manipuliert, dass sie verstärkt bestimmte für ihn notwendige Proteine herstellt und/oder aktiviert. Axxima erforscht derartig veränderte Übertragungswege und sucht sie medikamentös zu blockieren. In vielen Fällen lassen sich nämlich an der Signalübertragung beteiligte Moleküle hemmen, ohne der Zelle zu schaden – sie kann auf andere Signalträger ausweichen. Der große Vorteil dieser Strategie: Resistenzen entwickeln sich nur langsam. Herkömmliche Medikamente blockieren von Bakterien und Viren selbst hergestellte Proteine. Weil die Erreger aber mit hoher Rate mutieren und dabei Gestalt und Aktivität häufig verändern, entstehen gegen diese Medikamente resistente Stämme. Bei der Blockade menschlicher Eiweiße müssen Bakterien und Viren eine völlig neue Überlebens- und Vermehrungsstrategie in der Wirtszelle entwickeln.
Als viel versprechende Molekülklasse für eine gezielte Unterbrechung der Interaktion zwischen Erreger und Molekülen der zellulären Signalübertragung hat das Unternehmen hauptsächlich phosphatübertragende Enzyme, so genannte Proteinkinasen identifiziert. Um die am besten geeigneten Vertreter aufzuspüren, hat Axxima eine Methode entwickelt, bei der sämtliche menschliche Kinasen gesunder Zellen mit denen infizierter Zellen verglichen werden. Von Interesse sind dabei diejenigen Enzyme, deren Aktivität durch den Erreger erhöht wurde. Diese lassen sich mit Hilfe von labortechnischen Verfahren und Software-Systemen herausfinden und beurteilen.
Im Fokus stehen die Viruserkrankungen Aids, Hepatitis B und Hepatitis C, durch Cytomegalie-Viren verursachte Erkrankungen bei Transplantatempfängern, Grippe (Influenza) sowie die bakterielle Tuberkulose. Bei HIV-infizierten Zellen zum Beispiel entpuppte sich eine zelluläre Proteinkinase als geeignetes Zielmolekül für die medikamentöse Blockierung. Nachdem Axxima jedoch eine Reihe von Hemmstoffen in den Martinsrieder Labors umfangreich getestet und den Wirkmechanismus aufgeklärt hatte, stießen die Forscher auf ein noch besser geeignetes Zielmolekül, ein zelluläres Transportprotein, dessen Funktion die Ausfuhr bestimmter Erbinformationen aus dem Zellkern ist. Hat sich ein Mensch mit HIV infiziert, so dringt das Virus in die Zelle ein, gibt seine Erbinformation frei, die dann in den Zellkern transportiert und dort in die zelleigene Erbinformation eingebaut wird. Zur Produktion von neuen Viruspartikeln muss die virale Erbinformation (RNA) im Kern vermehrt und anschließend ins Zellplasma transportiert werden. Dort werden Virusproteine hergestellt und die neuen Viruspartikel zusammengebaut, die anschließend die Zelle verlassen.
Zum Export der viralen Erbinformation aus dem Kern benötigt das Virus sehr viele zelleigene Transportproteine und regt dementsprechend deren Produktion im Zellplasma an. Axxima arbeitet mit einer Substanz namens AXD-455, die verhindern soll, dass die Transportproteine in den Zellkern gelangen – die RNA wird dann nicht mehr ins Zellplasma verfrachtet und die Vermehrung ist gestoppt. AXD-455 blockiert ein spezifisches Protein, das die Transportproteine mit einer Art Passierschein versieht, der die Poren der Kernhülle veranlasst, die Moleküle durchzulassen.
Seit Juni dieses Jahres wird AXD-455, das die Vermehrung aller bisher bekannten resistenten HIV-Stämme hemmen kann, in klinischen Studien auf Sicherheit und Wirksamkeit getestet. Anfang 2003 will Axxima auch bei Substanzen gegen die durch Cytomegalie-Viren verursachten Infektionskrankheiten sowie Tuberkulose mit klinischen Studien beginnen.
Das Unternehmen im Profil
Die Axxima Pharmaceuticals AG wurde 1997 von Dr. Axel Ullrich, dem Direktor der Abteilung Molekularbiologie des Max-Planck-Instituts (MPI) für Biochemie, und Dr. Heinrich Kuhn, dem ehemaligen Geschäftsführer der Garching Innovation GmbH, gegründet. Am Hauptsitz in Martinsried bei München sowie in der Tochterfirma ViChem in Budapest sind über sechzig Mitarbeiter beschäftigt. Ende 2003 will das Unternehmen drei Substanzen in klinischen und fünf Substanzen in präklinischen Tests prüfen. Ein Börsengang ist nicht vor diesem Zeitpunkt vorgesehen.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 10 / 2001, Seite 90
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben