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Wissenschaft in Unternehmen: Kunststoff unter der Höhensonne



Dr. Hönle AG
Kunststoff unter der Höhensonne

Ultraviolettes Licht wird in der Indus trie vielfach genutzt, insbesondere bei der Trocknung und Härtung spezieller Farben, Lacke, Kleb- und Kunststoffe. Einer der weltweit führenden Anbieter entsprechender Anlagen ist die Dr. Hönle AG in Martinsried bei München. Das seit Januar 2001 am Neuen Markt notierte Unternehmen startete 1976 mit UV-Geräten für den medizinischen Bereich. Heutige Systeme kommen in der Fertigung von Smartcards, Chips, elektronischen Bauelementen, Pkw-Streuscheiben, CDs und DVDs ebenso zum Einsatz wie in der Druckindustrie oder bei der Entkeimung von Verpackungen in der Kosmetik-, Lebensmittel- und Pharmabranche. UV-Gasentladungslampen basieren auf einem einfachen Prinzip: Ein elektrisches Feld regt die Elektronen der Gasfüllung an, höhere Energiezustände einzunehmen; wenn sie dann auf ihr Ausgangsniveau zurückfallen, setzen sie die aufgenommene Energie als Licht frei.

In der DVD-Fertigung beispielsweise werden je zwei Polykarbonat-Scheiben unter UV-Strahlung zusammengeklebt. Die auftreffende Energiemenge setzt eine photochemische Reaktion in Gang: Einem zunächst flüssigen Kunststoffkleber zugefügte Photoinitiatoren absorbieren die Energie des Lichts und werden dadurch in freie Radikale gespalten. Diese wiederum leiten die Bildung von Polymerketten aus den monomeren Grundbausteinen des Klebers ein. In Sekundenbruchteilen ist dieser vollständig ausgehärtet, und die DVD lässt sich weiterverarbeiten.

Die Klebstoffe haben spezifische Absorptionsspektren, die von den Photoinitiatoren bestimmt werden. Die Argon-gefüllte Gasentladungslampe der UV-Anlage ist mit Quecksilber und gegebenenfalls mit Eisenjodid oder Gallium dotiert, sodass sie entsprechend kurz- oder längerwelligere Strahlung emittiert.

Bei der Gasentladung wird maximal ein Drittel der eingesetzten elektrischen Leistung in UV-Licht umgewandelt, der große Rest hingegen als Wärme, also Infrarot-Strahlung abgegeben. Sollen hitzeempfindliche Bauteile verklebt werden, müssen zusätzliche Vorrichtungen deshalb den Infrarot-Anteil abführen. Dazu dienen beispielsweise Spiegel, die für diesen Wellenlängenbereich durchlässig sind.

Die UV-Strahlung beschleunigt nicht nur Trocknungs- und Härtungsprozesse gegenüber konkurrierenden thermischen Verfahren, die auf Warmluft, Infrarotlicht (IR) oder Near-Infra-Red (NIR) beruhen. Die Klebstoffe benötigen auch keine umweltschädlichen Lösungsmittel, die beim thermischen Trocknen aufwendig aufgefangen werden müssen. Darüber hinaus sind UV-getrocknete Oberflächen wie der Schutzlack einer CD unempfindlicher gegen chemische und mechanische Einflüsse als herkömmlich getrocknete. Dementsprechend erwartet die Dr. Hönle AG ein weltweites Jahreswachstum der UV-Technik von 15 bis 20 Prozent in diesem Marktsegment.

 

Tracto-Technik GmbH
Stählerne Maulwürfe

Offene Straßengräben sind Autofahrern und Anwohnern ein Dorn im Auge. Das Verlegen von Rohren und Kabeln in dieser offenen Bauweise ist aufwendig, destruktiv und mitunter auch gar nicht möglich. Als Alternative bieten sich druckluftbetriebene Erdraketen an, die ohne Bohrgestänge und -spülung arbeiten. Diese stählernen Maulwürfe ergraben unterirdisch bis zu siebzig Meter lange Tunnel und verlegen dabei Leitungen aller Art. Die Raffinesse liegt in der Steuerung des Bohrkopfes entlang einer Kurve, beispielsweise unter einem Haus hindurch und um einen Abwasserkanal herum. Seit über zwei Jahren produziert und vertreibt das Unternehmen Tracto-Technik GmbH in Lennestadt im Sauerland eine solche Erdrakete mit Namen "Grundosteer". Nach der Erkundung des Baugrundes wird sie mittels einer Lafette ausgerichtet.

Sobald Druckluft einströmt und die Maschine Bodenkontakt hat, gräbt sie sich mit einer Geschwindigkeit von etwa zehn Metern pro Stunde durch das Erdreich. Ein Peilsender im vorderen Maschinengehäuse meldet kontinuierlich die Position. Bei einer Abweichung oder zur gewollten Richtungsänderung dreht der "Steuermann" per Lenkknüppel ein am Druckluftschlauch befestigtes Spannsystem, damit den torsionssteifen Schlauch – ein innenliegendes Stützkorsett stabilisiert ihn – und so letztlich den Meißelkopf. Am Ziel angelangt, tritt die Erdrakete oberirdisch oder in einer Grube aus. Der Einzug des Rohres oder Kabels erfolgt beim Zurückziehen des Schlauches aus dem Tunnel.

Tracto-Technik produziert und vertreibt bereits seit 1972 weltweit ungesteuerte Erdraketen. Gegenwärtig exportiert das Unternehmen in über fünfzig Länder und beschäftigt insgesamt mehr als 500 Mitarbeiter, davon 19 in der Forschung. Prototypen werden auf unternehmenseigenem Testgelände sowie auf Baustellen der Kunden erprobt. Die Firma arbeitet mit mehreren Hochschulen zusammen, beispielsweise mit der FH Oldenburg, der FH Karlsruhe und der FH Wiesbaden. Mit letzterer wurde eine Kalkulationssoftware entwickelt, die anfallende Baukosten für ein Projekt exakt berechnet. Gemeinsam mit der Universität Siegen erarbeitete Tracto-Technik zudem das Ausbildungsprogramm "Grabenloses Bauen", das angehende Bauingenieure seit dem Wintersemester 1999 dort als Wahlpflichtfach belegen können.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 6 / 2001, Seite 90
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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