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EnOcean GmbH: Wissenschaft in Unternehmen: Strom zum Nulltarif



Ein Griff zum Schalter – knips! – und das Licht geht an. Das verwundert heutzutage allenfalls Kleinkinder. Wenn jedoch ein Funkmodul der Firma EnOcean beteiligt ist, dann verdient die Angelegenheit schon eine genauere Betrachtung. Das Unternehmen entwickelt nämlich Techniken, um Steuerbefehle oder Daten ohne Stromanschluss oder Batterie bis zu 300 Meter weit zu funken. Dazu genügen den Systemen bereits winzige Energiemengen von rund fünfzig Mikrojoule; ein Druck auf die Taste von Keyboard oder Handy benötigt ein Vielfaches davon.

Dass daraus eine elektrische Spannung wird, dafür sorgen piezoelektrische Kristalle. Durch den mechanischen Druck verändern sie ihre Form, und die Ladungen der Kristallgitter verschieben sich gegeneinander. Schalter mit solchen Piezo-Funkmodulen lassen sich unter dem Putz installieren oder auf Wände, Spiegel und Fenster kleben. Bis zu vier Schaltfunktionen wie "Licht ein/aus" oder "Jalousie herunter/herauf" kann ein Modul einem im Lampensockel oder unter Putz liegenden Empfänger weiterfunken, der die gewünschte Aktion veranlasst.

Damit es bei der Steuerung mehre-rer Verbraucher keine Verwirrung gibt, schickt jeder Schalter seine persönliche Identifikationsnummer als 32-Bit-Adresse. Damit ließen sich mehr als vier Milliarden Sender voneinander unterscheiden. Da die Telegramme innerhalb weniger Millisekunden mehrmals und vor allem gegeneinander zeitversetzt ausgesendet werden, kann ein Empfänger auch dann noch das für ihn bestimmte Signal erkennen, wenn in seinem Empfangsradius bis zu hundert Funkmodule gleichzeitig arbeiten. Die kurze Sendezeit hat noch einen weiteren Vorteil: Bei einer tausendstel Sekunde pro Vorgang und einer Leistung von jeweils zehn Milliwatt senden die Module etwa eine Millionen Mal weniger Energie als schnurlose Telefone und Handys.

Da die sonst üblichen Verkabelungen wegfallen, lassen sich die wartungsfreien Schalter beliebig platzieren. Allein da-von erhofft sich die Firma Marktvorteile für die Funkmodule. Deren Grundprinzip lässt sich aber auch noch variieren. Die Energiewandler könnten beispiels-weise Wärmeunterschiede zur Spannungserzeugung nutzen. Zwei bis drei Grad reichen ihnen zum Senden, das entspricht etwa Temperaturdifferenzen zwischen der Oberfläche von Heizkörpern oder warmen Maschinenteilen und der Raumluft. Auch kleine Solarzellen, wie in Armbanduhren gebräuchlich, können die angeschlossene Elektronik betreiben.

Druck auf dem Sensor, Druck im Reifen

Die zweite Grundkomponente eines Schalters ist ein Mikroprozessor inklusive Software. Da er nur Bruchteile einer Millisekunde betrieben und dazwischen ganz abgeschaltet wird, verbraucht er gerade mal etwa fünfzig Mikrowattsekunden pro Aktion. Zum Vergleich: Mit dieser Energie ließe sich eine Masse von einem Gramm fünf Millimeter hochheben. Dahinter steckt eine verbrauchsoptimierte Kombination von Standardkomponenten sowie eigenentwickelte Steuerungssoftware.

Dem Prozessor könnten Sensoren Daten liefern, die mit einer Identifika-tionsnummer versehen via Funktele-gramm vom Hochfrequenzsender verschickt werden. Der von EnOcean entwickelte Hochfrequenz-Sender weist einen Wirkungsgrad von fünfzig Prozent auf – herkömmliche Sender dieser Art kommen nur auf einen halb so guten Wert; er verbraucht deshalb nur etwa fünf Milliampere Strom.

Ab 2003 sollen batterielose Funkmodule mit Thermo- und Positionssensoren in industriellen Produktionsanlagen ihren Dienst tun. Für 2004 plant EnOcean einen Bewegungsmelder, der über herkömmliche Infrarot-Sensoren registriert, dass jemand den Raum betritt. Der zugehörige Hochfrequenz-Empfänger nimmt die Funksignale auf und schlägt gege-benenfalls Alarm. Im Jahr darauf soll ein Sensor am Autoreifen während der Fahrt kontinuierlich Luftdruck und Temperatur überwachen. Seine Energie bezieht er dabei aus der Abrollbewegung des Reifens. Bei jeder Umdrehung verformt er sich und gibt diese Änderung an ein piezoelektrisches Element weiter, das an geeigneter Stelle einvulkanisiert ist.

Bei allen guten Vorsätzen: Ende dieses Jahres werden zunächst die kabellosen Lichtschalter und Dimmer auf den Markt kommen. Wenn sie sich in der Konkurrenz zu den herkömmlichen Verfahren der Lichttechnik durchsetzen, hofft EnOcean auf weitere Anwendungen der Energiesparwunder sowohl in der Industrieautomatisierung als auch in der Medizintechnik.


Das Unternehmen im Profil


Die EnOcean-Gründer entwickelten die batterielose Funktechnik als Mitarbeiter der Siemens AG. 2001, bei Gründung der in Oberhaching bei München ansässigen GmbH, brachte der Konzern 14 Patente ein und hält Unternehmensanteile. EnOcean beschäftigt gegenwärtig zehn Mitarbeiter und will erste Produkte noch in diesem Jahr auf den Markt bringen.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 2002, Seite 98
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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