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Bartenbach Lichtlabor: Wissenschaft in Unternehmen: 'Wesentlich ist das Beleuchtete'



Eine röhrenförmige Lampe an derDecke macht den fensterlosen Raum im Untergeschoss des österreichischen Unternehmens taghell. "Wir befinden uns zwar im Keller, das Licht kommt aber von der Sonne", kommentiert Christian Anselm vom Bartenbach Lichtlabor in Aldrans bei Innsbruck. Ein so genannter Heliostat, ein Spiegel, der dem Lauf der Sonne nachgeführt wird, fängt deren Strahlen an der Außenseite des Gebäudes ein, weitere Spiegel und Linsen bringen sie bis in die Röhre, die das Licht dann im Raum verteilt. Auf seinem Weg wird der Strahl von rund eineinhalb Metern Durchmesser Platz sparend auf ein Fünfunddreißigstel der Fläche gebündelt.

Anselm drückt einen Knopf, und das Licht verwan-delt sich. Zwar bleibt es fast ge-nauso hell wie zu-vor. Doch bekommt es einen rötlichen Farbton und wirkt künstlich. Der Physiker hat nichts anderes getan, als den Heliostaten aus der Sonne zu drehen, das Licht kommt jetzt aus Leuchtstoffröhren. Obwohl der Raum immer noch gut ausgeleuchtet ist, stellt sich ein "Keller-Gefühl" ein. Der Lichtexperte positioniert den Heliostaten wieder richtig: Sofort "geht die Sonne auf". "Mit einer solchen Beleuchtung könnten aus Lagerräumen in Kellern vollwertige Besprechungszimmer werden", erläutert Anselm. Das zu beweisen, war Zweck eines EU-Projektes, das in dem Sonnenraum des Lichtlabors durchgeführt wurde.

Mit umgelenktem Sonnenlicht arbeiten die Innsbrucker Wissenschaftler häufiger. Christian Bartenbach, Gründer und Seniorchef der Firma, berichtet von einem Projekt für die Bayerische Versicherungskammer, bei dem Spiegel sowie reflektierende Lamellen Licht und Wärme in einen recht engen Innenhof bringen. Künstliche Beleuchtung könne mit natürlicher niemals mithalten, davon ist der studierte Elektroingenieur zutiefst überzeugt ? sofern die Sonne nicht blendet und stört.

Am Labor in Aldrans befindet sich ein zweiter Helio-stat. Dessen Strahl landet in einer Messkammer. So können die Forscher deren Fenster in jedem beliebigen Winkel zum Sonnenlicht drehen und ermitteln, wie viel Wärme sie durchlassen. "Das Klima lässt sich von der Beleuchtung nicht trennen", meint Anselm. In vielen Büros etwa würden die Leute an heißen Tagen Jalousien und Rollläden herunterziehen, damit sich die Räume nicht so aufheizen. Oft müssten sie dann mitten im Sommer das Licht einschalten. Dabei geht es auch anders, wie in der Messkammer des Lichtlabors zu sehen ist: Dort befindet sich ein Fenster mit einer Jalousie, deren gekrümmte Lamellen aus einem Aluminium bestehen, das die Forscher schon in den eigenen Büros getestet haben. Das Ergebnis: Der Raum bleibt kühl, trotzdem fällt genug Licht zum Arbeiten hinein. Damit man noch hinausgucken kann, sind in das Material winzige Löcher gebohrt.

Fenster mit Sonnenschutz lassen sich in dem österreichischen Labor nicht nur vermessen, sondern auch sozusagen beim Einsatz begutachten: In einem rundum verglasten würfelförmigen Gebäude mit acht Metern Kantenlänge ist es den Lichtspezialisten möglich, jeden Büroraum im Handumdrehen nachbilden, Jalousien und Beleuchtung in realistischer Umgebung bei Sonne, Bewölkung, Regen und Schnee erproben. Und der Kunde könne ein neues Beleuchtungssystem gleich am eigenen Leib erleben, erläutert Robert Gratzel.

Stolz präsentiert der Geschäftsführer ein weiteres Keller-Besprechungszimmer. An der Decke strahlen Hunderte von kleinen Lämpchen, die Hälfte davon weiß, die andere gelb, blau, grün und rot. "Das ist der erste Raum, der vollständig mit Leuchtdioden beleuchtet wird", erklärt Gratzel. Noch finden sich solche Dioden nur in Armaturenbrettern, Anzeigetafeln und vereinzelt in Ampeln. Künftig könnten sie indes die heute üblichen Glühbirnen und Leuchtstoffröhren verdrängen. Denn sie brauchen weniger Strom und gehen nicht so schnell kaputt. "Indem die Leuchtdioden der vier Farben einzeln gedimmt werden, lässt sich das Licht zudem in seiner spektralen Zusammensetzung verändern." Zu Hause könne man mit der neuen Technik die Wohnung je nach Stimmung gestalten und etwa eine Wand an einem Tag gelb machen, am nächsten rot.

Welchen Einfluss die Lichtfarbe auf die Leistungsfähigkeit hat, darüber weiß Walter Witting zu berichten. Der Psychologe am Lichtlabor hat an rund 1400 Versuchspersonen getestet, bei welcher Beleuchtung Menschen am Computer am effektivsten arbeiten.

Dazu mussten Probanden typische Aufgaben bewältigen, zudem hängte sie Witting an einen Lügendetektor ? um ihren Hautwiderstand zu messen ?, ermittelte die Muskelspannung im Augen- und Stirnbereich und bestimmte, wie schnell sie ermüdeten. Aus den Ergebnissen hat er folgende Empfehlungen formuliert: Das Licht sollte nicht blenden und der Helligkeitsunterschied zwischen Fenster und Bildschirm möglichst gering sein, damit sich das Auge nicht ständig umgewöhnen muss. Die Decke darf nicht zu hell sein. Als Lichtfarbe empfiehlt sich ein neutrales Weiß. Bei leicht rötlicher Beleuchtung etwa ermüdeten die Probanden schneller, arbeiteten langsamer und machten mehr Fehler.

Sogar die Tischfarbe erforschten Witting und seine Mitarbeiter. Am besten schnitt hier ein mittleres Grau ab. "Die Beleuchtung von Büros mit weißen Wänden haben wir zwar ausgeforscht", meint Witting. Zu untersuchen gäbe es dennoch genug, etwa andere Wandfarben oder Räume mit Strukturtapete.

Die 1976 gegründete Firma hat zudem die ausgeklügelte Beleuchtung einer Vielzahl spektakulärer Bauten entworfen. Die Referenzliste reicht vom Bonner Haus der Geschichte über den Leipziger Hauptbahnhof und den Frankfurter Flughafen bis zum Rundgang um die Kaaba in Mekka. Nur eines fehlt in der Liste: der Berliner Reichstag mit seiner Lichtkuppel. Wäre er an der Planung beteiligt gewesen, sähe das Bauwerk anders aus, sagt Christian Bartenbach. Die Lichtöffnung sei zu klein. Überdies nutze die Konstruktion nur schräg einfallendes Sonnenlicht. "Der Beweis: Der Reichstag kommt nicht ohne Kunstlicht aus." Von der Bedeutung guter Planung ist Bartenbach überzeugt. "Achtzig Prozent der Informationen, die der Mensch aufnimmt, kommen über Licht in den Kopf." Das Licht sei dabei kein Selbstzweck, und es komme auch nicht auf die Lampe an: "Wesentlich ist das Beleuchtete."


Das Unternehmen im Profil


Neben dem Hauptsitz in Aldrans unterhält das Bartenbach Lichtlabor Niederlassungen in München, Berlin und der Schweiz. Partnerschaften bestehen in Südkorea, Italien und Brasilien. Der Jahresumsatz beträgt 11,4 Millionen Mark; pro Jahr bearbeitet das Unternehmen rund hundert Projekte. Zusätzlich zur Planung von künstlicher und natürlicher Beleuchtung, von der Konzeption bis zur Objektüberwachung, entwickelt die Firma eigene Produkte. Die sechzig spezialisierten Mitarbeiter verteilen sich auf die Bereiche Projektierung, Forschung & Entwicklung, Wahrnehmungspsychologie und Modellbau.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 11 / 2001, Seite 86
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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