Direkt zum Inhalt

Psychologie: Wohl fühlen oder konzentrieren?

Das optimale Lichtdesign für jede Gelegenheit gibt es nicht.


Spektrum der Wissenschaft: Muss eine künstliche Raumbeleuchtung nicht immer schlechter als das natürliche Tageslicht sein?

Christoph Schierz: Nein, nicht unbedingt. Wir wissen zwar, dass ein Büroraum mit zu kleinen Fenstern Unbehagen auslöst. Doch liegt das wohl weniger an einer Überlegenheit von Sonnenlicht gegenüber Kunstlicht. Man schaut durch das Fenster und erlebt den tageszeitlichen Lichtwechsel, erfährt das Wetter oder sieht irgendwelche Geschehnisse. Das Tageslicht stellt also eine Verbindung zur Außenwelt her. Es bestimmt jedoch nicht allein, ob ein Lichtmilieu als angenehm erlebt wird.

Spektrum: Ein schlechtes dagegen mindert sogar die Leistungsfähigkeit?

Schierz: Das stimmt. Aus Studien in Industriebetrieben ist schon seit langem bekannt, dass bei mangelhafter Beleuchtungsstärke die Arbeitsgeschwindigkeit sinkt und die Fehlerrate wächst ? natürlich besonders dann, wenn für die Arbeit ein präzises Sehen erforderlich ist. Ungünstig wirken auch Lichtspiegelungen und Blendeffekte, insbesondere bei der Bildschirmarbeit.

Spektrum: Deshalb ziehe ich vermutlich beim Schreiben am Computer eine indirekte Beleuchtung vor?

Schierz: Diese Vorliebe teilen Sie mit vielen. Sowohl bei Laborversuchen als auch unter realen Arbeitsbedingungen in Büros hat sich gezeigt, dass eine helle und indirekte Beleuchtung meist angenehmer wirkt. Allzu direktes und schwaches Licht wird als unangenehm erlebt. Allerdings scheint indirektes Licht auch zu beruhigen, während eine direkte, aber starke Beleuchtung eher munter macht.

Spektrum: Wie wäre denn die optimale Beleuchtung?

Schierz: Das hängt von der Tätigkeit ab. Bei Gesprächen im Büro bevorzugen viele ein indirektes und warmes Weißlicht mit einer gelblich-rötlichen Tönung. Offenbar fördert es den verbalen Austausch und das konzentrierte Nachdenken. Für das Arbeiten am Schreibtisch dagegen scheint direkteres und eher bläuliches Tageslichtweiß geeigneter zu sein. Es gibt also kein einheitliches Patentrezept für alle Situationen.

Spektrum: Ältere Menschen sollen für dieselbe Tätigkeit mehr Licht als jüngere benötigen. Müsste die Raumbeleuchtung dann nicht ganz individuell gestaltet werden?

Schierz: Nicht nur das. Sie sollte sich wahrscheinlich auch bei ein und derselben Person im Tagesverlauf verändern: morgens eher ermunternd, abends eher entspannend wirken und sich zudem an die Wetterlage anpassen.

Spektrum: Würde sich ein solcher Aufwand auszahlen?

Schierz: In der Tat ließen sich dadurch unsere Arbeitswelten verbessern. Leider hätten wir zwar die technischen Möglichkeiten, doch die psychischen Wirkungen der Lichtgestaltung sind noch viel zu wenig erforscht. Bisher wurde Beleuchtung oft einseitig als technisches Problem betrachtet. Aber sie ist weit mehr als das.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 11 / 2001, Seite 85
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

Kennen Sie schon …

Gehirn&Geist – Multiple Persönlichkeit: Was hinter der dissoziativen Identitätsstörung steckt

Manche Menschen scheinen verschiedene Ichs in sich zu tragen, die im Wechsel die Kontrolle über den Körper übernehmen – mit jeweils eigenem Alter, Namen und Geschlecht. Unsere Experten, die zu dissoziativen Phänomenen forschen, stellen die wichtigsten Fakten zur »Multiplen Persönlichkeit« vor. Ergänzend dazu geht die Psychologin Amelie Möhring-Geisler der Frage nach, ob rituelle Gewalt in der Kindheit gezielt Persönlichkeitsspaltungen herbeiführt. In dieser Ausgabe beginnt zudem eine neue Artikelserie zum Thema »Long Covid und ME/CFS«. Im Interview spricht Carmen Scheibenbogen von der Berliner Charité über Ursachen von ME/CFS, den Versorgungsmangel in Deutschland und Hoffnung auf Medikamente. Darüber hinaus berichten wir über das Glücksparadox, das besagt: Je mehr wir dem Glück hinterherjagen, desto weiter entfernt es sich. Wir stellen das Thema psychotherapeutische Patientenverfügung vor, die im psychischen Krisenfall eine große Hilfe sein kann, sowie die noch immer rätselhafte Schmerzerkrankung Fibromyalgie, über deren Ursachen noch viel spekuliert wird.

Gehirn&Geist – Hype um die Seele

Psychologie ist »in« und Fragen rund um die Seele füllen immer mehr populäre TV- und Podcast-Formate, ja sogar Bühnenshows. Wir berichten, wie dieses »Psychotainment« funktioniert. In dieser Ausgabe startet die neue Serie »Hirnentwicklung im Mutterleib« mit einem Bericht über die Plazenta und ihre Bedeutung. Daneben gehen wir der Frage nach, warum wir lachen. Ethologen, Primatologen und Neurowissenschaftler versuchen gemeinsam, die Mechanismen und Funktionen dieses Verhaltens aufzudecken. Weiterhin stellen wir den vor 80 Jahren erfundenen Persönlichkeitstest vor, was sich hinter den Myers-Briggs-Typen verbirgt und wie sie zu werten sind. Angststörungen haben bei Jugendlichen stark zugenommen und sind oft hartnäckig und kompliziert zu behandeln. Zwei Neurowissenschaftlerinnen erforschen, wie man die Therapie auf das Gehirn von Teenagern zuschneiden kann.

Spektrum - Die Woche – Himmlische Highlights des Jahres 2025

2025 bringt spektakuläre Himmelsereignisse: partielle Sonnenfinsternis, zwei Mondfinsternisse und Meteorströme. Fachleute geben einen Überblick in »Spektrum - Die Woche«. Notieren Sie sich die Termine und verpassen Sie keines der Ereignisse!

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.