Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Zeitmessung: Stoppuhr für die Quantenwelt

Ein Experiment soll die Zeit ­­messen, die ein Teilchen für eine extrem kurze Strecke ­benötigt. Das Ergebnis könnte die gän­gige Sichtweise der Quantenmechanik erschüttern.
Doppelspaltexperiment

Ein scheinbar simples Experiment könnte ein neues Licht auf die Quantenmechanik werfen. Dabei geht es um die Messung der Zeit, die ein Teilchen benötigt, um von einem Ort zu einem anderen zu gelangen. Ein Team von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) macht für derartige Versuche präzise Vorhersagen auf Basis der so genannten bohmschen Mechanik. Bei dieser Theorie gibt es unsichtbare »Führungswellen«, die alle Objekte durch Raum und Zeit geleiten. Der US-Physiker David Bohm hat den ­­Ansatz in den 1950er Jahren erdacht. Die übliche Quantentheorie hingegen liefert für das Experiment keine so ­genauen Aussagen, und man muss für die Berechnung der Laufzeiten der Teilchen auf Näherungen zurückgreifen. Dazu meint der Theoretiker Serj Aristarhov von der LMU: »Dass die Theorie in einem so einfachen Fall keine exakten Vorhersagen ermöglicht, sollte die Anhänger der Standard-Quantenmechanik zumindest stutzig machen.«

Im Prinzip ist der seltsame Charakter der Quantenwelt kein Geheimnis. Zur Verdeutlichung ihrer Absonderlichkeiten dient meist das klassische Doppelspaltexperiment, bei dem Elektronen auf einen Bildschirm geschossen werden (siehe »Versteckspiel in Raum und Zeit«). Dabei lässt sich nicht exakt vorhersagen, wo ein bestimmtes Elektron landen wird und beispielsweise einen Ort auf dem Detektor fluoreszieren lässt. Aber man kann die räumliche Verteilung berechnen, die mit der Zeit Gestalt annimmt, also das Muster aller nacheinander von den Elektronen hervorgerufenen Leuchtpunkte. An manchen Stellen werden mehr Elektronen landen, an anderen weniger.

Die verschiedenen Merkwürdigkeiten bei solch einem Versuch werden oft erörtert. Dazu kommt ein noch seltsamerer und selten diskutierter Effekt: Unter sonst gleichen Bedingungen erreicht jedes Elektron den Detektor nach jeweils leicht unterschiedlichen Zeiten. Genau wie bei den Orten weisen auch die Augenblicke des Auftreffens eine Verteilung auf, und einige Ankunftszeiten kommen häufiger vor als andere. In der Standard-Quantenphysik gibt es keine Werkzeuge zur genauen Vorhersage dieser zeitlichen Verteilung. »Die normale Quantentheorie befasst sich nur mit dem Wo, nicht mit dem Wann«, bekräftigt LMU-Theoretiker Siddhant Das. »Irgendetwas muss hier also faul sein.«

Kennen Sie schon …

Sterne und Weltraum – Raumzeit: Experimente zur Quantennatur

Die Relativitätstheorie Albert Einsteins ist das Meisterwerk zur Beschreibung der Schwerkraft. Seit Jahrzehnten steht aber die Frage im Raum, ob die Gravitation auf submikroskopischen Längenskalen modifiziert werden muss. Gibt es quantenhafte Austauschteilchen, die Gravitonen? In unserem Titelbeitrag stellen wir Überlegungen vor, wie man experimentell eine Quantennatur der Raumzeit testen könnte. Im zweiten Teil unseres Artikels zur Urknalltheorie beleuchten wir alternative Ansätze zur Dunklen Energie: das Local-Void- und das Timescape-Modell. Außerdem: Teil zwei unserer Praxistipps für die Astrofotografie mit dem Smartphone – Mond und Planeten im Fokus, die Ordnung im Chaos des Dreikörperproblems und woher stammen erdnahe Asteroiden?

Spektrum der Wissenschaft – Eine Theorie von allem: Lassen sich Quantenphysik und Schwerkraft vereinen?

Lassen sich Quantenphysik und Schwerkraft vereinen? In der aktuellen Ausgabe der PMT haben wir Beiträge für Sie zusammengestellt, in denen Forscherinnen und Forscher über die Ergebnisse ihrer Suche nach einer fundamentalen Theorie unserer Welt berichten. Entstanden ist eine erkenntnisreiche Sammlung an Beiträgen über die Quantennatur der Raumzeit, denkbaren Experimenten zum Nachweis von Gravitonen, Schwarzen Löchern, der Theorie der Quantengravitation, teleparalleler Gravitation und vielem mehr. Lesen Sie, welche Fortschritte es in den letzten Jahren gab, die Gesetze der Quantenwelt mit den geometrischen Konzepten von Raum und Zeit zu vereinigen, und welche Hürden dabei noch zu überwinden sind.

Spektrum - Die Woche – Die radikale Lösung für die Plastikkrise

Plastik war einst eine Revolution – heute ist es ein Umweltproblem. Forschende in Deutschland wollen das ändern: mit neuen Kunststoffen, die vollständig recycelbar sind. Außerdem: Warum der Urknall vielleicht ganz anders war, was Männer bei einer Vasektomie erwartet und mehr.

  • Quellen

Das, S., Dürr, D.:Arrival time distributions of spin-1/2 particles. Scientific Reports 9, 2019

Stopp, F. et al.:Single ion thermal wave packet analyzed via time-of-flight detection. New Journal of Physics 23, 2021

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.