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Zoologie: Genetisch aufgebläht

Manche Amphibien besitzen ein ­riesiges Genom, durchsetzt von ­Erbgutschnipseln, die sich unkon­trolliert vermehren. Diese genetische Last behindert die Tiere in ihrer ­Entwicklung - und dennoch blieben sie bislang in der Evolution ­erfolgreich.
Welche »Wundergene« erlauben dem Axolotl eine Rundumerneuerung?

Necturus lewisi fristet ein träges Dasein. Der hand- bis unterarmlange Furchenmolch verlässt nur selten sein Versteck unter Steinen oder Baumstämmen in den Flüssen von North Carolina. Auf der »Jagd« harrt er unbeweglich am Flussgrund aus und wartet, bis ein Insekt vorbeischwimmt. Dann taumelt er vorwärts und verschlingt seine Beute – ein geistloser Reflex. Sein ganzes Leben verbringt er im Wasser als zu groß geratene Larve, die ihre Metamorphose nie vollenden durfte: Die schlaffen Beine erscheinen zu klein für den Körper, die Zehen sind nicht richtig ausgewachsen, der Oberkiefer fehlt, und aus dem Hals ragen aufgedunsene Larvenkiemen.

Betrachtet man das zur Amphibienfamilie der Olme ­gehörende Tier aus der Nähe, fällt eine weitere Besonderheit auf: Seine Zellen sind ungefähr 300-mal so groß wie die einer Eidechse, eines Vogels oder eines Säugetiers. Mit einer einfachen Lupe erkennt man in den durchsichtigen Kiemen einzelne Blutzellen, die durch die Kapillaren strömen.

Necturus lewisi und andere Schwanzlurche verkörpern ein altes Mysterium, das die Wissenschaft erst allmählich aufklärt. Hinter den seltsamen Eigenschaften des salamanderartigen Tiers steckt eine verborgene Last: Jede seiner Zellen enthält fast 40-mal mehr DNA als die des Menschen. Der Furchenmolch besitzt unter allen vierbeinigen Wirbeltieren der Welt das größte Genom. Lediglich Lungenfische halten hier einem Vergleich stand – und diese neigen ebenfalls zur Trägheit.

Die Genomgröße der meisten Säugetiere, Vögel, Repti­lien und Fische liegt in einem relativ schmalen Bereich von einer halben Milliarde bis sechs Milliarden Bausteinen, den DNA-Basenpaaren …

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