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Entwicklungsbiologie: Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Einen Körper aufzubauen, ist nicht einfach. Spezielle Gene und Proteine sorgen dafür, dass sich die Zellen während der Entwicklung richtig anordnen. Sonst drohen Fehlbildungen.
Foetus 6. Woche

Ob Fisch, Frosch oder Mensch: Sie alle beginnen ihre Existenz mit einer einzigen Zelle, aus der letztlich ein höchst organisierter und komplizierter Organismus hervorgeht. Die befruchtete Eizelle teilt sich in zwei, vier, acht Zellen – und nach wenigen Wochen sind es bereits Zehntausende. Zu diesem Zeitpunkt hat der ursprünglich kugelförmige Zellhaufen eine längliche Form angenommen, ist an einem Ende ausgebeult und dicker, und über die ganze Länge verläuft eine flache Furche. Bald darauf wird diese tiefer, ihre Wände neigen sich einander zu, bis sich die Zellen berühren und zusammenkleben. Damit entsteht ein langes, hohles Rohr, aus dem sich später am verdickten Ende das Gehirn und auf der anderen Seite das Rückenmark entwickelt.

Damit die Zellen sich in einem Embryo derart präzise anordnen können, müssen sie irgendwie spüren, wo sie sich im Verhältnis zum übrigen Organismus befinden und wo in ­diesem vorn und hinten, oben und unten ist. In den letzten Jahrzehnten sind wir und andere Entwicklungsbiologen der Frage nachgegangen, wie dieses Orientierungssystem der Zellen funktioniert. Dabei haben wir eine entscheidende Komponente entdeckt: ein System aus mehreren Proteinen, die in jeder Zelle gemeinsam eine Art Miniaturkompass bilden. Ohne diesen könnten sich Herz, Lunge, Haut und andere Organe nicht richtig entwickeln. Verändert sich eines der fraglichen Proteine beim Menschen durch eine Mutation, sind schwere Geburtsfehler die Folge.

Zwar gibt es noch viele unbeantwortete Fragen zur Funktionsweise des Orientierungssystems, doch lassen bereits unsere bisherigen Entdeckungen grundlegende Entwicklungsprozesse im Tierreich in einem neuen Licht erscheinen. Am meisten wissen wir bisher über die Funktion des zellulären Kompasses in Epithelzellen. Sie bedecken gewöhnlich eine Gewebeoberfläche, indem sie Schichten von der Dicke lediglich einer Zelle bilden. Dabei kann jede dieser Zellen mit Hilfe der von uns und anderen Forschern gefundenen Pro­teine spüren, in welche Richtung im Körper ihre jeweiligen Begrenzungen zeigen. ...

Kennen Sie schon …

Spektrum der Wissenschaft – Akteure des Lebens: Wie biomolekulare Kondensate unsere Zellen steuern

Sie galten lange als kuriose Randerscheinung, doch inzwischen zeigt sich immer deutlicher: Biomolekulare Kondensate – winzige Molekülansammlungen mit einer Konsistenz irgendwo zwischen Schleim und Wackelpudding – übernehmen zentrale Funktionen im Zellgeschehen und bieten so womöglich Ansatzpunkte für neue Therapien. Vielleicht spielten sie sogar eine zentrale Rolle bei der Entstehung des Lebens. Außerdem berichten wir in der aktuellen Ausgabe über Dichtung und Wahrheit hinter Heisenbergs Meilenstein in der Quantenrevolution, wie DNA- und Protein-Überreste in Fossilien vergangene Welten wieder aufleben lassen und was Ameisen zu sozialen Superstars machte. In der fabelhaften Welt der Mathematik geht es dieses Mal um Sherlock Holmes und die Spieltheorie und H. Joachim Schlichting erklärt Ihnen, wie man besonders laut klatscht.

Spektrum der Wissenschaft – Chemie des Lebens

Leben ist Chemie. Molekulare Strukturen und chemische Reaktionen liefern die Grundlage sämtlicher biologischer Systeme. Dank des Einsatzes moderner Computertechniken sowie künstlicher Intelligenz gelingt es immer besser, den räumlichen Aufbau von Proteinen vorherzusagen. Dies eröffnet ungeahnte Möglichkeiten in der Medizin und Arzneimittelforschung. Zunehmend nutzen Forschungsgruppen unkonventionelle Ansätze, setzen etwa elektrochemische Methoden ein oder schicken sich an, die innere Ringstruktur von Wirkstoffmolekülen zu verändern, um das gewünschte Mittel zusammenzubauen.

Spektrum - Die Woche – Ein Hoch auf die Hülsenfrüchte!

Wieso Bohnen, Linsen, Erbsen und Co. deutlich häufiger in unserem Speiseplan vorkommen sollten und welche vielseitigen Qualitäten Hülsenfrüchte auch für die Landwirtschaft mitbringen, lesen Sie ab sofort in »Spektrum - Die Woche«. Außerdem: ein neues Modell für bessere Wahlprognosen.

  • Quellen

Adler, P. N.:Planar Signaling and Morphogenesis in Drosophila. In: Developmental Cell 2, S. 525 – 535, 2002

Wang, Y. et al.:When Whorls Collide: The Development of Hair Patterns in Frizzled 6 Mutant Mice. In: Development 137, S. 4091 – 4099, 2010

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