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Astrophysik: 100 Jahre kosmische Strahlung

Victor Hess in seiner Ballongondel
Victor Hess in seiner Ballongondel | Victor Hess (Bildmitte) in der Ballongondel nach der Hochfahrt am 7. August 1912.

Am 7. August 1912 schloss der Physiker und Ballonfahrer Victor Franz Hess eine Reihe von Messungen ab, die er bei Ballonfahrten bis in 5800 Meter Höhe zur Ionisation der Atmosphäre durchgeführt hatte. Seine Ergebnisse förderten Erstaunliches zu Tage: Nachdem die Ionisierung der Luft bis zu einer Höhe von etwa 1000 Metern über dem Erdboden leicht abgenommen hatte, stieg sie bis 2000 Meter wieder auf jenen Wert an, der auch in Bodennähe zu messen war. In noch größeren Höhen nahm sie immer weiter zu, bis sie bei 5000 Meter etwa das Doppelte erreichte. Daraus schloss Hess: "Die Ergebnisse der vorliegenden Beobachtungen scheinen am ehesten durch die Annahme erklärt werden zu können, dass eine Strahlung von sehr hoher Durchdringungskraft von oben her in unsere Atmosphäre eindringt, und auch noch in deren untersten Schichten einen Teil der in geschlossenen Gefäßen beobachteten Ionisation hervorruft. (...) Da ich im Ballon weder bei Nacht noch bei einer Sonnenfinsternis eine Verringerung der Strahlung fand, so kann man wohl kaum die Sonne als Ursache dieser hypothetischen Strahlung ansehen, wenigstens solange man nur an die direkte Gamma-Strahlung mit geradliniger Fortpflanzung denkt." Im Jahr 1936 erhielt er für die Entdeckung der kosmischen Strahlung den Nobelpreis für Physik.

Mit dieser neuen Erkenntnis war der Grundstein für die Astroteilchenphysik und die Gammaastronomie gelegt. Die hochenergetische Strahlung aus dem All, welche die bereits von Hess und seinen Kollegen gemessene Ionisierung der Atmosphäre hervorruft, ist, wie wir heute wissen, zweierlei Natur. Zum einen besteht sie aus ionisierten Teilchen, hauptsächlich aus Protonen, aber auch aus Atomkernen schwererer Elemente, die in kosmischen Magnetfeldern auf extrem hohe Energien beschleunigt werden. Treffen diese Teilchen kosmischen Ursprungs auf die Erdatmosphäre, so erzeugen sie dort in Wechselwirkung mit den Atomkernen der Luftmoleküle Kaskaden von Sekundärteilchen sowie sekundäre Lichtquanten. Zum anderen entsteht in den Tiefen des Kosmos Gammastrahlung, sei es in unmittelbarer Folge von starken Supernova-Ausbrüchen oder in den Zentren aktiver Galaxien oder sei es bei der Wechselwirkung geladener Teilchen mit kosmischen Magnetfeldern. Auch die extraterrestrischen Gammaquanten lösen Teilchenschauer und Sekundärstrahlung aus, wenn sie auf die Atmosphäre treffen. Diese Kaskaden lassen sich in ihrer Qualität gut von jenen unterscheiden, die durch die kosmische Teilchenstrahlung hervorgerufen werden.

H.E.S.S. II Teleskop | Das H.E.S.S. II Teleskop in Namibia
Vom Boden aus lässt sich die kosmische Strahlung etwa indirekt studieren, indem man das von Teilchenkaskaden erzeugte Tscherenkow-Licht beobachtet. Es entsteht durch Partikel, die sich mit einer höheren Geschwindigkeit als derjeningen von Licht im Medium der Atmosphäre ausbreiten, und ist gut vom Boden aus nachzuweisen. Dieses Phänomen machen sich viele der modernen bodengebundenen Observatorien zur Untersuchung kosmischer Strahlung zu Nutze, wie etwa das H.E.S.S.-Teleskop (High Energy Stereoscopic System) in Namibia. Benannt nach dem Entdecker der kosmischen Strahlung trägt es dazu bei, die Ursprünge und Entstehungsmechanismen ebendieser Strahlung besser zu verstehen. Erst vor wenigen Tagen, am 26. Juli 2012, hatte das Teleskop der zweiten Generation, H.E.S.S. II, sein "first light". Offiziell eingeweiht wird es am 27. bis 30. September 2012.

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