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150 Jahre Olympia-Grabung: Dabeisein ist alles

Für den Sehnsuchtsort seiner Archäologen ließ sich das Deutsche Reich auf einen schmerzlichen Kompromiss ein. Vor 150 Jahren hieß es dann: endlich Olympia, endlich Kulturgroßmacht!
Eine historische Fotografie zeigt eine große Gruppe von Menschen, die auf und um große Felsblöcke und griechische Ruinen herumstehen. Viele Personen tragen traditionelle Kleidung und posieren für das Foto. Im Hintergrund ist eine hügelige Landschaft zu sehen.
Im Jahr 1875 oder 1876 fanden sich die deutschen Archäologen und griechischen Arbeiter zu diesem Gruppenfoto zusammen. Endlich in Olympia graben zu dürfen, war den antikenbegeisterten Forschern des Kaiserreichs ein Herzensanliegen.

Archäologie, so könnte man in Anlehnung an ein bekanntes Zitat sagen, ist manchmal auch bloß die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Zumal im 19. Jahrhundert und zumal, wenn es um einen Ort wie das griechische Olympia geht. In dessen geschichts- wie kunstschatzträchtigen Boden durften deutsche Forscher am 4. Oktober 1875 erstmals ihre Spaten stechen.

Vorausgegangen waren Jahre diplomatischer Verhandlungen zwischen Griechenland und dem Deutschen Reich, die in eine Konvention »zum Behufe gemeinschaftlicher archäologischer Ausgrabungen« mündete. Am 25. April 1874, also weit über ein Jahr zuvor, war sie von Vertretern beider Nationen unterzeichnet worden. Hinter den elf Paragrafen der Vereinbarung verbarg sich ein wegweisender Verhandlungserfolg des jungen griechischen Staats.

Denn Griechenland hatte Erstaunliches durchgedrückt. »Deutschland übernimmt alle Kosten des Unternehmens«, heißt es in Paragraf IV. Und entscheidender noch in Paragraf VI: »Griechenland erwirbt das Eigenthumsrecht an allen Erzeugnissen der alten Kunst, und allen anderen Gegenständen, welche die Ausgrabungen zu Tage fördern werden.«

Was sprang für Deutschland heraus?

Sprich: Leider keine Statuen für die Museen an der Spree, höchstens Dubletten und Duplikate, und selbst darauf bestand kein Anrecht. Das Deutsche Reich, es musste sich zum reinen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn als Ziel bekennen, während alle zu erwartenden Kunstgegenstände dort verbleiben würden, wo sie gefunden wurden – erstmals überhaupt bei einer solchen Unternehmung. Das habe den Vertrag »zum Vorbild für alle späteren internationalen Ausgrabungsverträge in Griechenland und anderen Ländern« gemacht, schreibt der Archäologe Helmut Kyrieleis in seinem Band »Olympia. Archäologie eines Heiligtums«.

Natürlich hatten die Deutschen anfangs durchaus auf Museumsstücke spekuliert. Doch am Ende ließ man sich auf den Deal ein, denn auch ohne reiche Funde gab es für das ebenfalls noch junge Kaiserreich einiges zu gewinnen: wissenschaftliche Erkenntnisse, ein identitätsstiftendes Großereignis und jede Menge Prestige.

Das Ausgrabungsfeld 1875/1876 | Bereits ein Jahr nach Beginn der Ausgrabungen erschien mit dem ersten Band des Werks »Die Ausgrabungen zu Olympia: Übersicht der Arbeiten und Funde vom Winter und Frühjahr 1857–1876« ein erster Abriss der Entdeckungen.

Der Ort, der einst alle vier Jahre der Mittelpunkt der hellenistischen Welt gewesen war, hatte sich nichts mehr von seiner einstigen Pracht bewahrt. Nach dem endgültigen Verbot der Spiele durch den oströmischen Kaiser Theodosius II. im Jahr 426 und einem Erdbeben 551, dem die meisten Gebäude zum Opfer gefallen waren, hatte der Fluss Kladeos das Areal überschwemmt und teilweise mit einer bis zu sechs Meter dicken Sedimentschicht bedeckt. Im Süden hatte der Fluss Alfios Teile der Anlagen fortgerissen.

Der Olympiabesuch: Eine große Enttäuschung

Mit dem Werk des griechischen Reiseschriftstellers Pausanias in der Tasche, der Olympia im 2. Jahrhundert n. Chr. ausführlich beschrieben hatte, entdeckte der britische Altertumswissenschaftler Richard Chandler das Heiligtum im August 1766 wieder. Seine Aufzeichnungen, in denen er sogar einige Gebäude an sichtbaren Ruinen identifizierte, setzten Olympia erneut auf die touristische Landkarte – und nährten die Sehnsucht, dessen Kunstschätze freizulegen. Es blieb jedoch bei Stippvisiten vor allem britischer und französischer Reisender, die hier und da sogar den Spaten in die Erde stießen, aber von einer kurzen Ausgrabung im Jahr 1829 abgesehen mit wenig mehr als Skizzen wieder heimkehrten.

Konkrete Grabungspläne reiften dagegen im Kopf vor allem eines Mannes: Ernst Curtius. Der 1814 in Lübeck geborene Altertumswissenschaftler reiste im Sommer 1838 zum ersten Mal in den Westen der Peloponnes. Und kehrte ernüchtert wieder heim: »Man scheidet von Olympia sehr unbefriedigt, das Lokal selbst macht keinen großen Eindruck, doch war es mir eine Freude, auf dem Kronoshügel Pindarische Oden zu recitiren und mir von verschiedenen Weltgegenden her die Roßzüge und Maultiere kommend zu denken«, schreibt er an seine Eltern.

Wie viele seiner deutschen Zeitgenossen war Curtius ein enthusiastischer Philhellene, ein Fan alles Griechischen, vornehmlich was die Antike betraf. In dieser, so schreibt die US-amerikanische Historikerin Suzanne Marchand, habe er eine »Universalität« erblickt, die er für direkt vergleichbar mit der des Christentums hielt. Den Deutschen obliege es, die beiden Kräfte – Antike und Christentum – miteinander zu versöhnen und zu vereinen, so wie es beispielsweise auch schon der deutsche Humanismus unternommen hatte.

Olympia (um 1836) | Der Maler Carl Rottmann bereiste die Schauplätze der antiken Geschichte und hielt sie, wie hier Olympia, im Bild fest. Besucher wie Ernst Curtius konnten vom Kronos-Hügel (im Mittelgrund links) Oden rezitieren und ihre Fantasie spielen lassen. Viel zu sehen gab es noch nicht.

Antikenbegeisterung und Nationalstolz

Diese Kombination aus Philhellenismus, christlicher Pietät und deutschem Nationalpathos, der in den nach Einheit strebenden Griechen Brüder im Geiste sah, scheint auch beim Berliner Publikum gut angekommen zu sein. Auf Vorträgen entführte Professor Curtius, zugleich Hauslehrer des Kronprinzen, teils bis zu 1000 Zuhörer gedanklich in die Antike – und warb dabei mit Nachdruck für seine Idee einer Ausgrabung in Olympia, so etwa auf einem Vortrag im Jahr 1851: »Wann wird sein Schooss wieder geöffnet werden, um die Werke der Alten an das Licht des Tags zu fördern! Was dort in der dunkeln Tiefe liegt, ist Leben von unserm Leben. Wenn auch andere Gottesboten in die Welt ausgezogen sind und einen höheren Frieden verkündet haben als die olympische Waffenruhe, so bleibt doch auch für uns Olympia ein heiliger Boden und wir sollen in unsere, von reinerem Lichte erleuchtete Welt herübernehmen den Schwung der Begeisterung, die aufopfernde Vaterlandsliebe, die Weihe der Kunst und die Kraft der alle Mühsale des Lebens überdauernden Freude.«

Die Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Der bei dem Vortrag anwesende Alexander von Humboldt schrieb einen Tag später an Curtius: »Beim Weggehen sagte er [König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen]: ›Nun werde ich mit einer Sparbüchse umhergehen und für die Ausgrabungen sammeln.‹ Mit einem Zehntel dessen, was in Potsdam an Theehäusern vertändelt wird, ließe sich viel ausgraben.«

In einem schriftlichen Gesuch an den König anderthalb Jahre später konkretisierte Curtius gemeinsam mit seinen Kollegen Carl Ritter und Carl Bötticher die Ausgrabungspläne und empfahl noch einmal nachdrücklich, sich für ein solches Projekt zu engagieren. Unter anderem schilderten sie die zu erwartenden Kunstschätze und gingen davon aus, dass erfahrungsgemäß »die zu findenden Altertümer zwischen beiden Staaten zu gleichen Hälften geteilt würden«. Wenn dem nicht so sei, solle man das Unternehmen trotzdem nicht scheitern lassen, »denn es entspreche dem erleuchteten Interesse des Preußischen Staats für Wissenschaft und Kunst, daß er vor allem die Sache selbst im Auge habe«. Seine Majestät signalisierte abermals Unterstützung, weshalb die Forscher erste organisatorische Schritte in die Wege leiteten. Doch der Krimkrieg und die Deutschen Einigungskriege veränderten die politische Lage in beiden Ländern. Die Pläne für einen Grabungsvertrag verschwanden in amtlichen Schubladen.

Erst 1869 holte der neue preußische König Wilhelm I. sie wieder heraus und ließ seinen Sohn, den Thronfolger und Curtius-Schüler Friedrich Wilhelm, bei einer Reise zur Eröffnung des Sueskanals gegenüber dem griechischen König Georg I. Interesse bekunden »für eine Belebung griechischen Altertums namentlich durch Ausgrabungen«.

Deutschland und Griechenland steckten in ähnlicher Lage

Beide Seiten konnten von einem solchen Unterfangen profitieren, befanden sie sich doch in einer durchaus vergleichbaren Situation – wenn auch unter völlig verschiedenen Voraussetzungen: 1871 gründete sich das Kaiserreich im Spiegelsaal von Versailles unter der Vormachtstellung Preußens und schloss damit einen mehrere Jahrzehnte dauernden Einigungsprozess ab. In der Archäologie erkannte das nun jüngste Mitglied im europäischen Staatengefüge eine Chance, Boden gutzumachen im kulturellen und wissenschaftlichen Wettstreit mit den anderen Großmächten – allen voran Frankreich und Großbritannien.

Das Unternehmen bot auch Potenzial, die Menschen im Reich für ein neues Heimatland zu begeistern, das ihnen von Berlin aus übergestülpt worden war. So nannte der Altertumswissenschaftler Rudolf Weil das Olympiaprojekt in seiner Grabungspublikation von 1897 eine »erste große Friedensarbeit«. 

Ähnlich ging es auch den Griechen, nur waren diese weit vom Anspruch einer Großmacht entfernt. Ihr Weg zum Nationalstaat gestaltete sich weitaus steiniger und langwieriger. Bereits in den 1820er Jahren hatten sie sich – mit Unterstützung Großbritanniens, Frankreichs und Russlands – die Freiheit vom Osmanischen Reich erkämpft und mit Ioannis Kapodistrias den ersten Gouverneur eines republikanischen Staatswesens ernannt. So viel attische Demokratie bereitete den drei großen europäischen Monarchien allerdings doch eher Unbehagen, weshalb sie den Hellenen einen König verordneten – den sie schließlich im damaligen Bayern fanden. Der Wittelsbacher Otto I., der während seiner Regierungszeit die Erforschung des antiken Griechenlands gefördert hatte, büßte jedoch 1843 nach einem Aufstand deutlich an Macht ein und verlor den Thron im Jahr 1862 vollends. Als Nachfolger setzte sich der Däne Georg I. durch.

Auch das unruhige neue Griechenland suchte ein verbindendes Element für seine verschiedenen Teilvölker, Religionen und Sprachen. Und was lag da näher als die ruhmreiche antike Vergangenheit? Deshalb hatte bereits die Nationalversammlung 1827 ein Ausfuhrverbot für Antiken in der Verfassung verankert. Zwei Jahre später allerdings stellte die Realpolitik diesen Passus wieder in Frage. Denn um den Frieden zu sichern, waren auf der Peloponnes – auf die sich das griechische Staatsgebiet damals noch beschränkte – französische Truppen stationiert, und französische Altertumswissenschaftler gruben im Schutz dieser Expedition erstmals in Olympia. Sie legten innerhalb von sechs Wochen weite Teile des Zeustempels frei und beantragten bei Kapodistrias, einige Skulpturen außer Landes bringen zu können.

In diesem Kontext, mit Frankreich als Schutzmacht, Kreditgeber und Fürsprecher einer territorialen Expansion in einem, sei es für Kapodistrias klar gewesen, dass ein Nein nicht in Frage komme, »wenn er vermeiden wollte, dass Griechenland ein nicht lebensfähiger Zwergstaat blieb«, schreibt der Archäologe Thanassis Kalpaxis in einem Aufsatz zur griechischen Perspektive anlässlich des 125. Jubiläums der Olympia-Grabung im Jahr 2000. Der Präsident erwirkte eine Verfassungsänderung, drei Plastiken des Zeustempels stehen noch heute im Pariser Louvre.

Für die griechische Regierung war diese Erfahrung ein Weckruf. 1834 verabschiedete sie das erste nationale Antikengesetz. »Alle in Griechenland aufgefundenen Antiquitäten sind als von den hellenischen Vorfahren herkommend, als gemeinsames Nationalgut aller Hellenen zu betrachten«, heißt es darin. Die Wahrung der antiken Vergangenheit wurde zunehmend institutionalisiert. Orte wie Olympia standen von nun an unter einer Art Denkmalschutz.

Ernst Curtius (1814–1896) | Der begeisterte Philhellene galt seinen Kollegen als »Seele des ganzen olympischen Unternehmens«. Diese Büste von ihm steht im Museum der Geschichte der Olympischen Spiele in Olympia.

Am Parlament vorbei

Und trotzdem tat sich die griechische Seite schwer damit, den deutsch-griechischen Grabungsvertrag zu ratifizieren. Während das Vertragswerk im Dezember 1874 den Reichstag ohne größere Schwierigkeiten passierte, stellten sich in Athen die Abgeordneten quer. Warum diktiere eine fremde Macht die Regeln für die Erforschung einer der wichtigsten historischen Stätten? Warum blieben eigene Wissenschaftler größtenteils außen vor? Im März 1875 drückte die Regierung die Entscheidung dann auch ohne Parlamentsmehrheit durch. Zu hoch schätzte sie offenbar die Gefahr für die noch zarten, aber guten Kontakte zum Deutschen Reich ein, zumal sich die Stimmung gegenüber Frankreich bereits abgekühlt hatte und nun noch weiter abzukühlen drohte, da die Franzosen ebenfalls ein Auge auf Olympia geworfen hatten. Um einen Ausgleich zu schaffen, erlaubten die Griechen deshalb wenige Jahre später französischen Archäologen stattdessen die Erforschung von Delphi.

Die Grabungen selbst, die schließlich am 4. Oktober 1875 begannen, waren ein großer Erfolg. Von Berlin aus leitete ein »Directorium« mit Curtius an der Spitze die Unternehmung. Vor Ort hatten junge Archäologen wie Wilhelm Dörpfeld, Adolf Furtwängler, Gustav Hirschfeld oder Karl Purgold das Heft in der Hand. Die Arbeiten konzentrierten sich vor allem auf das Zentrum des Heiligtums rund um den Zeustempel. Weitere Tempel, wie der für Zeus' Gattin Hera oder das sogenannte Metroon, holte man ebenso wieder ans Tageslicht wie mehrere Schatzhäuser, Hallen und Funktionsgebäude. Insgesamt legten die Archäologen bis 1881 ein Areal von etwa 7,5 Hektar frei. Bereits Ende 1875 entdeckten die Forscher die ersten Plastiken des Skulpturenschmucks des Zeustempels, etwa die berühmte Nike des Paionios.

Von spektakulären Entdeckungen aus Olympia erfuhren die deutschen Leserinnen und Leser bereits drei bis vier Tage später am Frühstückstisch

Dieses »erste große, mit wissenschaftlicher Zielsetzung durchgeführte Ausgrabungsprojekt der klassischen Archäologie«, wie der Archäologe Helmut Kyrieleis schreibt, dauerte sechs Jahre und wurde durch eine laut Kyrieleis »monumentale fünfbändige Dokumentation« abgeschlossen, die 1897 erschien und immer noch als unentbehrliches Standardwerk der klassischen Archäologie gilt. Und: Bis heute graben deutsche Archäologinnen und Archäologen im Heiligtum

War Olympia ein imperiales Projekt?

Mit dem Großprojekt wollte sich das Kaiserreich fraglos im Konzert der europäischen Großmächte positionieren. Ob die Ausgrabungen allerdings auch Vorboten eines aufkommenden deutschen Imperialismus waren, ist in der Forschung umstritten. Frankreich beispielsweise habe damals die deutschen Bemühungen durchaus als »ersten Schritt zu einer Expansion des Reiches nach Osten« wahrgenommen, wie Thanassis Kalpaxis schreibt. Der Literaturwissenschaftler Alexander Honold bewertete die Aktivitäten ähnlich und verweist auf einen »annektionistischen Charakter« des Vertrags sowie auf die raumgreifenden Aktivitäten der Archäologen; sie allein durften beispielsweise bestimmen, auf wessen Grundstücken sie graben wollten, die Griechen mussten die Eigentümer dann enteignen und mit Geld aus Berlin entschädigen. Insofern spricht Honold von einer »Inkubationsphase der deutschen Kolonialzeit«. Hatten nicht die alten Griechen selbst Kolonien im ganzen Mittelmeerraum gegründet? In solchen antiken Vorbildern habe man die eigenen Ambitionen gespiegelt.

Der Historiker Lutz Klinkhammer hebt hingegen hervor, dass »die Olympia-Grabung gerade kein Beispiel eines ausgreifenden imperialistischen Engagements repräsentiert«. Als Kronzeugen dafür zieht er den damaligen Reichskanzler Otto von Bismarck heran. Der war alles andere als ein Olympia-Fan. Da die Ausgrabungen ja »auf Grund eines für Deutschland äußerst ungünstigen Vertrages lediglich im Interesse der Wissenschaft unternommen« worden seien, könne jetzt ebenso gut eine andere Nation die Anschlussfinanzierung übernehmen, schrieb er, als Curtius im Jahr 1880 um weitere Mittel bat. Schließlich musste der Kaiser persönlich in seinen Dispositionsfonds – eine Art Sondervermögen seiner Majestät – greifen.

Nike des Paionios | Schon bei der ersten Kampagne entdeckten die Olympia-Ausgräber die Skulptur, die im 5. Jahrhundert v. Chr. geschaffen wurde. Anders als bei vielen anderen Statuenfunden aus der Antike handelt es sich nicht um eine spätere Kopie, sondern um das Original. Es wird heute im Archäologischen Museum Olympia ausgestellt.

Für Reichskanzler Bismarck war Archäologie vor allem dann relevant, wenn sie die Berliner Museen füllte und diese so auf eine Ebene mit konkurrierenden Hauptstädten wie London oder Paris brachte, so wie die Funde aus Pergamon, die etwa zur gleichen Zeit in der deutschen Hauptstadt präsentiert wurden. Dass der Eiserne Kanzler nicht als Einziger diese Meinung vertrat, zeigt etwa Theodor Fontane, wenn er in seinem Roman »Der Stechlin« den alten Berliner Grafen von Barby sagen lässt: »Das Beste vom Parthenon sieht man in London und das Beste von Pergamum in Berlin, und wäre man nicht so nachsichtig mit den lieben, nie zahlenden Griechen verfahren, so könnte man sich (am Kupfergraben) im Laufe des Vormittags in Mykenä und nachmittags in Olympia ergehn.«

Trotz der Einschränkungen war die Olympia-Grabung äußerst populär – nicht zuletzt dank einer damals einzigartigen, ausgefeilten PR-Strategie. Curtius hatte sich bereits früh vorgenommen, »über das gesamte Vorhaben seriös und kontinuierlich zu informieren«, wie Bernd Sösemann in seinem Aufsatz »Olympia als publizistisches National-Denkmal« schreibt. Das Direktorium installierte erstmals eine Art archäologische Öffentlichkeitsarbeit und hielt zunächst vor allem die amtliche Tageszeitung »Deutscher Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischer Staatsanzeiger« über Fortschritte auf dem Laufenden. Von spektakulären Entdeckungen erfuhren die deutschen Leserinnen und Leser so bereits drei bis vier Tage später am Frühstückstisch.

»Zusammen mit den ergänzenden Beiträgen, den Reiseberichten über Olympia und Griechenland erhielten die Leser im Feuilleton der Tagespublizistik kurzweilig vereint, was in jener Zeit selten zueinander fand: Abenteuer und Wissenschaft«, schreibt Sösemann. Olympia wirkte »nicht als Monument in Bronze oder Stein, sondern als permanent publizistisch vorgestellte wissenschaftliche Leistung«.

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  • Quellen
Curtius, F., Ernst Curtius. Ein Lebensbild in Briefen, 1903
Honold, A., Die Antike als Nationalunternehmen, 2004
Kyrieleis, H., Olympia 1875 – 2000. 125 Jahre Deutsche Ausgrabungen, 2002
Kyrieleis, H., Olympia. Archäologie eines Heiligtums, 2011
Marchand, S., Down from Olympus. Archaeology and Philhellenism in Germany, 1750–1970, 1996
Sinn, U., Olympia, 1996
Sösemann, B., Eine »zweite Reichsgründung« aus dem Geist der Antike, 2004

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