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Quantenrekord aus Österreich: 20 verschränkte Qubits

Seit Monaten melden amerikanische Teams Durchbrüche bei der Entwicklung von Quantencomputern. Europäische Forscher wollen nun eine Schwachstelle der Maschinen beseitigen.
Kette aus Atomrümpfen

Ein österreichisch-deutsches Forscherteam hat erstmals 20 Atomrümpfe miteinander verschränkt – laut Aussage der Wissenschaftler ein Rekord, was die Kontrolle eines solch großen Ensembles von Quantenobjekten angeht. Zwar gibt es insbesondere in den USA bereits Quantencomputer-Prototypen mit mehr Qubits, diese kann man nach Darstellung des Teams um Nicolai Friis von der Universität Wien aber nicht so präzise handhaben. »Wir haben den Nachweis erbracht, dass unser System lückenlos unter Kontrolle ist«, schreibt Friis in einer E-Mail an »Spektrum.de«.

Unter »Verschränkung« verstehen Physiker eine Besonderheit des Mikrokosmos, bei denen die Eigenschaften mehrerer Quantenobjekte korrelieren, obwohl sie weit voneinander entfernt sind. Albert Einstein wollte an das Phänomen nicht recht glauben und sprach von »spukhafter Fernwirkung«. Heute gehört es zum Standardrepertoire von Physikern, die seit Jahrzehnten in Laborversuchen Paare von Lichtteilchen oder Atomen miteinander verschränken.

Zwei konkurrierende Ansätze

Zunehmend wird die Besonderheit der Quantenphysik auch für technologische Anwendungen interessant, beispielsweise bei der Entwicklung leistungsfähiger Quantencomputer und Quantensimulatoren. Hierbei dienen einzelne Quantenobjekte als Informationsträger und können jeweils die Bit-Werte 0 und 1 repräsentieren. Weil sich diese Zustände laut den Gesetzen der Quantenphysik überlagern können und weil sich mehrere Qubits verschränken lassen, könnten solche Maschinen ausgewählte Aufgaben schneller erledigen als ihre klassischen Pendants.

Momentan konkurrieren vor allem zwei Quantenrechner-Ansätze miteinander: Forscher um John Martinis, der an der University of California in Santa Barbara für Google arbeitet, setzen auf supraleitende Schaltkreise, die nebeneinander auf einen Chip gedruckt werden und in denen sich die Flussrichtung der Elektronen miteinander verschränken lässt.

Andere Gruppen arbeiten mit so genannten Ionenfallen, die Atomrümpfe nebeneinander aufreihen. Lange war dies nur in Vakuumkammern möglich, mittlerweile haben die Forscher jedoch eine Möglichkeit gefunden, ihre Technik auf Chip-Basis umzusetzen. Als führend gilt hier unter anderem das Team um Christopher Monroe von der University of Maryland, das jüngst einen Quantensimulator mit 53 Qubits vorstellte, der jedoch nur für eine spezielle Aufgabe geeignet ist. Bei den Erfolgsmeldungen aus Amerika ist jedoch mitunter schwer zu sagen, wie weit die Wissenschaftler, die zunehmend im Dienste großer Konzerne arbeiten, wirklich sind: Nicht immer werden ihre Ankündigungen und Erfolgsmeldungen von Aufsätzen in Fachzeitschriften begleitet.

Das Problem von Quantencomputern

Fest steht, dass bisherige Quantencomputer-Prototypen noch große Probleme haben. So lassen sich Qubits nur widerwillig kontrollieren, und die Verschränkung zwischen ihnen geht mitunter schnell wieder verloren, wodurch es bereits nach wenigen Rechenschritten zu Fehlern kommt. Daher arbeiten Physiker nicht nur daran, immer mehr Qubits zusammenzuschalten, sondern diese auch besser unter Kontrolle zu bringen.

Das Team um Friis, zu dem auch der Ionenfallen-Pionier Rainer Blatt von der Universität Innsbruck und Physiker der Universität Ulm gehörten, hat an dieser Stelle angesetzt. Die Forscher haben 20 Kalziumatome aneinandergereiht und diese gezielt mit maßgeschneidertem Laserlicht beschienen. So konnten die Physiker zunächst Paare der Atomrümpfe verschränken. Anschließend beobachteten sie mit zwei eigens entwickelten Messverfahren, wie sich die Verschränkung auf Dreier-, Vierer- und Fünfergrüppchen von Ionen ausweitete. Insgesamt habe man eine »genuine Vielteilchenverschränkung« hergestellt, so die Forscher, die einem besonders hohen Grad der Vernetzung entspricht.

Mit der Technik könne man auch einzelne Ionen gezielt ansteuern und ihre Verschränkung gewissermaßen auf Knopfdruck an- und ausschalten, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin »Physical Review X«. Mit der Arbeit habe man auch den bisherigen Weltrekord verschränkter Atomrumpf-Ensembles gebrochen: Er lag bei 14 verschränkten Ionen und wurde 2011 von Rainer Blatt und Kollegen aufgestellt. Bei supraleitenden Qubits liegt der Rekord den Forschern zufolge bisher bei 10 Einheiten. Künftig wollen die Physiker die Verschränkung auf noch größere Ensembles anwenden, was bei Ionen lange als große Herausforderung galt. Als wichtiges Etappenziel gilt eine Maschine mit gut 50 Qubits, da diese klassischen Computern in einer speziellen Rechenaufgabe erstmals den Rang ablaufen könnte.

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