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Interstellarer Komet 3I/ATLAS: Was wissen wir über den neuen Besucher im Sonnensystem?

Das Objekt 3I/ATLAS wurde erst im Juli 2025 entdeckt und ist der dritte interstellare Himmelskörper. Mit hoher Geschwindigkeit passiert es das Sonnensystem und wird es bald wieder verlassen. Mit bis zu fünf Kilometer Durchmesser ist es das bislang größte Objekt seiner Art.
Ein länglicher, dunkler Himmelskörper im Weltraum, der von einem hellen Licht im Hintergrund beleuchtet wird. Der Körper scheint von Sonnenstrahlen umgeben zu sein, die von der Oberfläche reflektiert werden. Im Hintergrund sind zahlreiche kleine Sterne sichtbar. Der Himmelskörper stellt den Kometen 3I/ATLAS dar.
Der interstellare Komet 3I/ATLAS bewegt sich mit hoher Geschwindigkeit durch das Sonnensystem und wird es innerhalb von Monaten wieder verlassen (Illustration).

Nach sechs Jahren Pause gibt es nach 1I/‘Oumuamua und 2I/Borisow einen Neuzugang bei den extrasolaren Objekten, die unser Sonnensystem durchfliegen: Im Rahmen der automatischen Himmelsdurchmusterung ATLAS, dem Asteroid Terrestrial-impact Last Alert System, das der Suche nach potenziell gefährlichen erdnahen Asteroiden dient, wurde am 1. Juli 2025 das A11pI3Z genannte Objekt identifiziert. Schon unmittelbar nach seiner Entdeckung zeigte sich, dass sich der Himmelskörper mit sehr hoher Geschwindigkeit um unsere Sonne bewegt und sich offenbar auf einer offenen, also hyperbolischen Bahn befindet. Sie wird ihn auf Nimmerwiedersehen aus dem Sonnensystem herausführen. Der Himmelskörper befand sich bei seiner Entdeckung nahe der galaktischen Ebene mit einer großen Zahl an Hintergrundsternen. Sie wird von lichtempfindlicheren Himmelsdurchmusterungen wie dem Catalina Sky Survey oder Pan-STARRS gemieden.

Die Exzentrizität der Bahn wird mit e = 6,14 angegeben. Geschlossene, also elliptische Bahnen um die Sonne haben immer eine Exzentrizität von e < 1. Somit steht fest, dass dieser Himmelskörper der dritte Besucher aus dem interstellaren Weltraum ist, dessen Bahn ihn wieder aus dem Sonnensystem herausführt. Aus diesem Grund erhielt er vom Minor Planet Center in Cambridge, Massachusetts, die Bezeichnung 3I/ATLAS. 3I steht für drittes interstellares Objekt und ATLAS für das Teleskopsystem, mit dem der Himmelskörper entdeckt wurde. Aufgespürt wurde das zum Zeitpunkt der Entdeckung rund 18 mag helle Objekt mit einem 50-Zentimeter-Teleskop in Rio Furtado in Chile.

Rascher Vorbeiflug | Der interstellare Komet 3I/ATLAS, auch als C/2025 N1 (ATLAS) bezeichnet, durchquert unser Sonnensystem. Hier bewegt er sich von oben rechts nach unten links auf einer wenig gekrümmten Bahn mit hoher Geschwindigkeit. Er nähert sich am 19. Dezember 2025 der Erde auf nur 270 Millionen Kilometer an, also rund das 1,8-Fache des Abstands der Erde zur Sonne.

Schon einen Tag später zeigten Aufnahmen mit größeren Instrumenten, dass 3I/ATLAS von einer leuchtschwachen Hülle aus Gas und Staub umgeben ist, die von ihm ausgestoßen wurde. Er ist also ein aktiver Komet, sodass er auch die Bezeichnung C/2025 N1 (ATLAS) trägt, C steht für Komet. Bei seiner Entdeckung befand sich 3I/ATLAS etwa 670 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, das entspricht etwa dem 4,5-fachen Abstand der Erde zur Sonne, also 4,5 Astronomischen Einheiten (AE) – in etwa dem Abstand von Jupiter zur Sonne. Das Objekt umrundet die Sonne mit einer Bahnneigung von 175 Grad relativ zur Erdbahn (Ekliptik) und somit entgegen dem Umlaufsinn der Erde und der anderen Planeten. Seine Trajektorie ist der Erdbahnebene sehr nahe. Durch Suchen in den Archiven anderer Observatorien gelang es, Bilder von 3I/ATLAS zu finden, die bis zum 7. Mai 2025 zurückreichen. Somit ließ sich die Bahn schnell noch besser charakterisieren.

Respektvoller Abstand zum Blauen Planeten

Der Komet wird am 19. Dezember der Erde im Minimum nur auf 270 Millionen Kilometer (1,8 AE) nahekommen, bleibt also recht weit von uns entfernt. Am 29. Oktober näherte er sich der Sonne bis auf 1,4 AE an und kam so dem Tagesgestirn etwas näher als der Mars. Den Roten Planeten passierte 3I/ATLAS bereits am 3. Oktober 2025 im recht geringen Abstand von 29 Millionen Kilometern (0,19 AE). Dabei gelangen der europäischen Marssonde Trace Gas Orbiter Bilder des Kometen, die ihn als leuchtschwachen Fleck zeigen. Auch sollte das 50-Zentimeter-Teleskop an Bord der NASA-Raumsonde Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) Bilder aufnehmen. Durch den noch immer anhaltenden Shutdown der US-Regierung gibt es aber von Seiten der NASA keine Informationen, ob diese Beobachtungen gelungen sind. Der Marsrover Perseverance der NASA nahm mit seinen lichtempfindlichen Kameras von der Oberfläche des Roten Planeten Bilder von 3I/ATLAS am Marshimmel auf, allerdings liegen bislang nur sehr stark verrauschte Rohbilder vor, die automatisch veröffentlicht wurden.

3I/ATLAS im Porträt | Den Astrofotografen Michael Jäger und Gerald Rhemann gelang bereits einen Tag nach der Entdeckung von 3I/ATLAS (Lichtpunkt in der Bildmitte) mit einem 40-Zentimeter-Teleskop ein erstes Foto des Kometen von Martinsberg in Österreich. Das Teleskop wurde während der Aufnahme dem Kometen nachgeführt, sodass die Hintergrundsterne zu Strichen verzogen wurden.

Bei den dichtesten Annäherungen an den Mars am 3. Oktober 2025 und an die Sonne am 30. Oktober 2025 befand sich 3I/ATLAS von der Erde aus gesehen hinter der Sonne und war nicht zu beobachten. Nur mit Sonnensonden wie SOHO oder dem Solar Dynamics Observatory (SDO) waren Aufnahmen gelungen, die ihn in unmittelbarer Nähe zum Tagesgestirn zeigen. Daraus ließ sich ableiten, dass der Komet heller als erwartet erschien, statt einer scheinbaren Helligkeit von etwa 12 Magnituden (12 mag) erreichte er 9 Magnituden (9 mag), er leuchtete somit etwa 16-mal so hell wie vorhergesagt. Schon bei den »einheimischen«, also solaren Kometen, ist eine Vorhersage schwierig. Dies gilt erst recht für interstellare Objekte, deren Aufbau und Zusammensetzung kaum bekannt sind. Etwa ab dem 10. November und im Dezember 2025 ergeben sich wieder gute Gelegenheiten, den Kometen mit Teleskopen von der Erde aus zu verfolgen. Er hält sich im November im Sternbild Jungfrau auf und steigt am Himmel stetig höher.

Die bisherigen Beobachtungen ließen vor allem einen ausgeprägten Staubschweif erkennen. Die Helligkeit zeigt Hinweise auf eine periodische Schwankung um nur 0,2 mag innerhalb von 16,8 Stunden; dies könnte die Rotationsperiode des Kerns von 3I/ATLAS sein. In den Spektren konnten Wasserdampf, Kohlendioxid und andere Gase nebst viel Staub nachgewiesen werden.

Ein größerer Brocken

Der Durchmesser des Kerns von 3I/ATLAS wird auf etwa ein bis sechs Kilometer geschätzt, dabei wird von einer Reflektivität von etwa fünf Prozent oder weniger ausgegangen. Erste Schätzungen kurz nach der Entdeckung im Juli 2025 gingen zunächst von Kerndurchmessern zwischen 10 und 20 Kilometern aus, wurden dann aber durch weitere Beobachtungen unter anderem mit dem Weltraumteleskop Hubble nach unten korrigiert. Das Objekt ist dennoch größer als seine Vorgänger 1I/‘Oumuamua und 2I/Borisov, die in den Jahren 2017 und 2019 die Aufmerksamkeit von Forschung und Medien auf sich zogen. Sie waren nur wenige hundert Meter groß und vergleichsweise leuchtschwach.

3I/ATLAS im Blick des Very Large Telescope | Am 3. Juli 2025 wurde eines der 8,4-Meter-Teleskope des Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile auf den neu entdeckten interstellaren Besucher 3I/ATLAS gerichtet. Auf der Position »2 Uhr« lässt sich der Ansatz eines Staubschweifs erkennen.

3I/ATLAS bewegte sich bei seiner Entdeckung mit einer Geschwindigkeit von 61 Kilometer pro Sekunde relativ zur Sonne. Damit ist er viel zu schnell, um vom Schwerefeld unseres Tagesgestirns eingefangen werden zu können. Er kehrt also wieder in die Weiten des interstellaren Raums zurück, und zwar in Richtung des Sternbilds Schütze, wo sich das Zentrum unserer Galaxis befindet. Zudem bewegt er sich mehr als doppelt so schnell wie 1I und 2I bei ihren Sonnenpassagen.

Wenn in diesem Jahr das Vera C. Rubin Observatory in Chile seinen Routinebetrieb aufnimmt, dürften interstellare Besucher wesentlich öfter aufgespürt werden, da die automatische Himmelsdurchmusterung mit einem lichtstarken 8,4-Meter-Teleskop erfolgt. Dieses Teleskop tastet den gesamten von Chile aus sichtbaren Himmel innerhalb von drei Tagen vollständig ab, und Computerprogramme durchsuchen die Daten nach sich schnell bewegenden Himmelskörpern. Somit ist künftig mit wesentlich mehr Entdeckungen solcher interstellarer Himmelskörper aus anderen Sternsystemen zu rechnen.

Kometen-Abfangjäger

Dies sind gute Nachrichten für die Europäische Weltraumagentur ESA: Sie plant nämlich die Raumsonde Comet Interceptor, also einen Kometen-Abfangjäger. Das Besondere an dieser Sonde ist, dass bei ihrem Start das Zielobjekt noch nicht bekannt ist. Nach ihrem Start im Jahr 2029 wird Comet Interceptor im Lagrangepunkt L2 im Abstand von 1,5 Millionen Kilometern zur Erde sozusagen geparkt, bis ein geeigneter Komet identifiziert ist, der sich mit dem Bordantrieb erreichen lässt. Dann macht sich Comet Interceptor auf den Weg zu einem raschen Vorbeiflug, um das Objekt aus der Nähe zu erkunden. Dafür ist die Sonde mit einer Vielzahl von Instrumenten ausgestattet, darunter Kameras und Spektrometer. Außerdem sind zwei Tochtersonden an Bord, die sich kurz vor dem Vorbeiflug von der Muttersonde lösen und den Kometen aus weiteren Blickwinkeln erkunden, sodass ein umfassendes Bild des Objekts möglich ist.

Kometen-Abfangjäger | Im Jahr 2029 plant die Europäische Weltraumagentur ESA den Start ihrer Raumsonde Comet Interceptor. Die Sonde – hier in einer künstlerischen Darstellung – wird zunächst auf dem Lagrangepunkt L2 »geparkt«, bis ein geeignetes Untersuchungsobjekt gesichtet wird, das sich mit Hilfe des Bordantriebs erreichen lässt. Dort angekommen, setzt die Sonde zwei kleine Tochtersonden ab, die zusammen mit der Muttersonde ein umfassendes Bild des Himmelskörpers bei einem raschen Vorbeiflug liefern sollen.

Das Zielobjekt kann ein langperiodischer Komet aus den Weiten des Sonnensystems sein, der mehrere hunderttausend Jahre für einen Umlauf um die Sonne benötigt – oder eben ein interstellarer Besucher. Dies wäre besonders interessant, weil damit erstmals extrasolare Materie direkt untersucht werden könnte. Allerdings schätzt die ESA die Chance als recht gering ein, dass in der Betriebszeit der Sonde ein geeigneter Komet aus dem interstellaren Raum bei uns eintrifft.

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  • Quellen

Seligman, D. Z. et al.:Discovery and preliminary characterization of a third interstellar object: 3I/ATLAS, akzeptiert zur Publikation in den »Astrophysical Journal Letters« 2025; arXiv:2507.02757v1

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