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News: Abgedrehte Selbstorganisation

Wie praktisch wäre es, wenn sich eine Maschine schnell durch ein paar kleine Handgriffe einem neuen Verwendungszweck zuführen ließe, ohne dass vorher schon diese Möglichkeit vorgesehen war. Im Kleinen ist das durchaus machbar.
Zahnräder
Es erinnert ein wenig an den guten alten Märklin-Metallbaukasten: Platten mit vielen Löchlein drin und darauf Zahnräder, die zu komplexen Getrieben zusammengestellt wurden. Doch etwas ist anders an der Maschine, die Bartosz Grzybowski von der Northwestern University und seine Kollegen entworfen haben – mal davon abgesehen, dass die ganze Apparatur in einem Wasser-Alkohol-Gemisch schwimmt, was dem Metallspielzeug sicherlich nicht bekömmlich wäre. Nein, was eigentlich fehlt, das sind die festen Verbindungen: Schrauben, Achsen und Wellen, die dem ganzen Gebilde Halt geben.

Offensichtlich hat die Apparatur der Forscher eine derart permanente Fixierung jedoch nicht nötig. Die Zahnrädchen drehen sich wie von Geisterhand gehalten an einem festen Ort, können jedoch wie auf ein unsichtbares Kommando die Position wechseln und ein ganz neues, ebenso funktionelles Arrangement bilden. Wie ist das möglich?

Das Geheimnis ist rund 0,9 Millimeter dick, drei Millimeter lang und hat bis zu 200 Windungen: Elektromagneten, die auf der gelochten Aluminiumplatte sitzen und die "Achse" der Zahnräder – kleine konische Permanentmagneten – fixieren. Das allein reicht jedoch nicht. Schließlich bedarf es auch ein wenig Dynamik. Denn ein still stehendes Räderwerk wäre wohl nur halb so beeindruckend. Also befindet sich unter der Aluminiumplatte auch ein Permanentmagnet, der jedoch so an einer Motorwelle befestigt wurde, dass sein Nord- und Südpol auf einer Kreisbahn umeinander rotieren. Mit 500 bis 1000 Umdrehungen pro Minute sorgt dieses Magnetfeld für Bewegung in der Maschine darüber. Die Rotation pflanzt sich nämlich durch magnetische Kräfte vermittelt auch auf die kleinen frei schwimmenden Achsen der Zahnräder fort. Diese bestehen ansonsten nur noch aus einem Zahnkranz, der locker um diesen Achsenmagneten schwimmt. Aufgrund der Achsenrotation wird auch die Flüssigkeit zwischen Achse und Zahnkranz in Bewegung gesetzt, und schließlich beginnt sich das ganze Rad zu drehen.

Neben der Rädchendrehung sorgt der rotierende Magnet unter der Apparatur aber auch für eine gewisse Strömung in dem Becken: Dazu dient eine dünne Aluminiumfolie, auf der ein Elektromagnet aufgeklebt ist. Wird dieser Elektromagnet eingeschaltet, dann sorgen die Kräfte zwischen dem Elektro- und dem antreibenden Drehmagneten unter der Platte dafür, dass die Alufolie in Schwingungen gerät. Das wiederum bewirkt wie bei einem Fächer, den man wedelt, für Bewegung im Medium – hier in der Flüssigkeit. Das Wasser-Methanol-Gemisch haben die Forscher im Übrigen deshalb ausgewählt, weil es wenig Oberflächenspannung und Viskosität besitzt, dafür aber vergleichsweise hohe Wärmeleitfähigkeit und damit Abwärme schnell abtransportieren kann. Sind die Elektromotoren ausgeschaltet, können die Zahnräder mit ihren Achsen frei in der Flüssigkeit schwimmen. Erst wenn die Felder eingeschaltet sind, dann sucht sich jeder Rädchen eine eigene feste Position über einem Magneten. Doch was macht die Maschine nun?

Das kommt ganz darauf an, an welcher Stelle die Rädchen platziert werden. Demonstriert haben die Forscher unter anderem eine kleine Sortiermaschine, die verschiedene Kunststoffplättchen in zwei mögliche Richtungen leitet. Aber natürlich funktioniert auch ein ganz einfaches Minigetriebe, bei dem ein oder mehrere Zahnräder beispielsweise ein größeres antreiben. Schließlich haben die Wissenschaftler ihre Rädchen auch zu einem Miniaturkarussell zusammenfinden lassen, in dem ein kleiner Behälter im Uhrzeigersinn umherreist.

Viele Möglichkeiten bieten sich also, die sich schon fast spielerisch realisieren lassen. Auch wenn Grzybowski und Co in erster Linie den elementaren Charakter ihrer Arbeit hervorheben, so sehen sie damit doch die "Basis für weit komplexere Entwürfe" geschaffen.

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