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News: Ablassventil

Riesige Mengen Methan liegen im Meeresboden als Gashydrate verborgen - und sollten dort auch besser bleiben. Denn die Freisetzung dieses hochwirksamen Treibhausgases in die Atmopshäre hätte katastrophale Folgen für das Klima. Doch vielleicht sind die Methanhydrate weniger stabil als bisher angenommen.
Methanhydrat
Der Anblick erscheint als Widerspruch in sich selbst: brennendes Eis. Doch das merkwürdige Material, das aus den Tiefen des Ozeans hervorgeholt wird und so spektakulär an der Oberfläche in Flammen aufgeht, widerspricht keineswegs den Naturgesetzen. Es handelt sich um Gashydrat, bei dem Wassereis als so genannte Clathrate Gas – meist Methan sowie Schwefelwasserstoff – wie in einem Käfig einschließt. Hält man ein Streichholz an diesen Eis-Methan-Klumpen, beginnt das Gas zu brennen; eine bescheidene Wasserpfütze bleibt schließlich übrig.

Damit das brennbare Eis entstehen kann, müssen einige physikalische Bedingungen erfüllt sein – Bedingungen, wie sie im Meeresboden ab 300 Meter Wassertiefe herrschen: hoher Druck, tiefe Temperatur und an Methan übersättigtes Wasser. Vor allem an den Kontinentalhängen in den Ozeanen sollen in dieser Form riesige Mengen des Gases lagern. Vorsichtige Schätzungen gehen davon aus, dass in den Methanhydraten doppelt soviel Kohlenstoff gebunden ist wie in allen bekannten Erdgas-, Erdöl- und Kohlevorkommen der Erde zusammen. Kein Wunder, dass dieses schier unerschöpfliche Reservoir die Begehrlichkeiten der nach Energie hungernden Nationen weckte.

Doch die Ausbeutung der mehrere hundert Meter tief unter dem Meeresboden lagernden Gashydrate erwies sich inzwischen als technisch höchst aufwändig. Viele Klimaexperten sähen diesen Schatz sowieso lieber ungehoben. Zersetzt sich nur ein kleiner Teil der Hydrate, werden große Mengen eines hochwirksamen Treibhausgases freigesetzt – mit entsprechenden Folgen für das Klima.

Wie stabil sind nun diese Lagerstätten? Hinweise darauf geben seismologische Messungen des Meeresbodens, mit denen sich das eingefrorene Gas aufspüren lässt. Denn die Zonen, in denen die richtigen Druck- und Temperaturverhältnisse für die Bildung stabiler Gashydrate herrschen, verraten sich durch eine charakteristische Reflexionsschicht, den bottom-simulating reflector (BSR). Unterhalb dieser Stabilitätszone (base of gase stability, BGHS) verhindert die Wärme aus dem Erdinnern stabile Hydrate, oberhalb ist es ebenfalls zu warm und der Druck zu niedrig.

Bisher gingen die Wissenschaftler davon aus, dass diese BGHS verhältnismäßig parallel zum Meeresboden verläuft. Doch neueste Messungen, die Warren Wood vom US Naval Research Laboratory zusammen mit seinen Kollegen dank verbesserter seismologischer Methoden vor der kanadischen Pazifikküste durchführen konnte, lassen an dieser einfachen Sichtweise zweifeln. Denn die Forscher entdeckten merkwürdige Unregelmäßigkeiten in ihrem Seismogramm: An manchen Stellen war der BSR wie weggewischt.

Die Meeresforscher interpretieren diese Unterbrechungen als Kamine an geologischen Störungszonen, an denen warmes Methan nach oben steigt und damit die BGHS bis auf wenige Meter an den Meeresgrund heran verschiebt. Vermutlich dienen diese Kamine als Ablassventile, an denen Methan den Meeresgrund verlässt.

Trifft diese Deutung zu, dann lagert weit mehr Methanhydrat als bisher angenommen knapp unterhalb des Meeresbodens und ist damit Umweltänderungen stärker ausgesetzt. Steigt die Wassertemperatur an, hätte dies eine stärkere Methanfreisetzung aus den Gashydraten zur Folge. Die Konsequenzen für das Klima wären wenig erfreulich.

Dass solche Szenarien nicht aus der Luft gegriffen sind, zeigt ein Blick zurück in die Erdgeschichte: Am Ende des Paläozäns, vor etwa 55 Millionen Jahren, verursachte vermutlich eine plötzliche Methanfreisetzung aus Gashydraten einen drastischen Temperaturanstieg, dem zahlreiche Organismen zum Opfer fielen.

Andererseits, betont Ingo Pecher vom Institute of Geological and Nuclear Sciences in Wellington, erreicht ein Großteil des freigesetzten Methans vermutlich gar nicht die Wasseroberfläche, sondern wird auf dem Weg nach oben zu Kohlendioxid oxidiert, was eine weit geringere Auswirkung auf das Klima hätte. "Bevor wir die Verknüpfung zwischen Gashydraten und Klimaänderung quantifizieren können", so der Forscher, "müssen wir besser verstehen, was mit Methan im Ozean passiert."

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