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Polarklima: Absurder Winter in der Arktis

Die Arktis war diesen Winter extrem warm, fast nie gab es am Frühlingsanfang so wenig Meereis. Auch in Europa machte sich die ungewöhnliche Wetterlage bemerkbar.
Arktis

Einst prägten schroffe Eisklippen und endlose Gletscherlandschaften unser Bild der Arktis. Heute sieht das innere Auge dort sehr traurige Bären auf sehr kleinen Eisschollen. Und nicht einmal die Polarnacht ist, was sie einmal war: Nachdem seit Jahren schon das sommerliche Meereis immer neue Minusrekorde setzt, finden Klimakapriolen und Eisverlust auf dem Nordozean nun auch im Winter statt. Etwa um den meteorologischen Frühlingsanfang am 1. März erreicht das arktische Meereis normalerweise seine größte Ausdehnung, doch die macht in diesem Jahr nicht viel her.

Schon der Januar 2016 – mit der höchsten je gemessenen monatlichen Temperaturanomalie – lieferte den geringsten Eiszuwachs der letzten zehn Jahre. Mitte Februar dann zeigten Satellitendaten, dass die Eisbedeckung im hohen Norden um teilweise fast eine Viertelmillion Quadratkilometer geringer war als jemals zuvor an diesem Datum. Diese extreme Minusphase hielt fast zwei Wochen, bis das Eis letzte Woche doch noch etwas wuchs und jetzt mit dem bisherigen Allzeitminus für den 1. März gleichauf liegt.

Eisbären

Hitzewelle am Pol

Eigentlich sind Fluktuationen in der Arktis nicht ungewöhnlich, doch dieses Jahr spekulierten Forscher bereits, die Schmelzsaison habe einen Monat zu früh begonnen. Die extrem geringe Meereisfläche zu einem Zeitpunkt, zu dem der Winter den Norden fest im Griff haben sollte, ist nur der neueste Datenpunkt einer ungewöhnlichen Wintersaison am Nordpol.

2015 war bei Weitem das wärmste Jahr seit Beginn der Klimaaufzeichnungen, und das zeigte sich auch in den hohen Breiten. Für Schlagzeilen sorgte im Dezember eine veritable Hitzewelle in der Hocharktis, die dort die Temperaturen zeitweilig um fast 30 Grad Celsius steigen ließ. Doch auch als die Extremwerte wieder abebbten – die allgemein hohen Temperaturen blieben. Der Januar war der wärmste Monat seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Im Februar waren Teile der Arktis mehr als zehn Grad Celsius wärmer als der langjährige Durchschnitt.

Zum Teil gehen die hohen Werte auf natürliche Faktoren zurück, nicht zuletzt der starke El Niño spielt dabei eine Rolle. Wichtiger jedoch ist der derzeitige recht stark negative Modus der Arktischen Oszillation – dieser Parameter zeigt an, dass der Polarwirbel schwach ist und warme Luft nach Norden vordringen kann. Eine Reihe sehr starker atlantischer Stürme drückte diesen Winter warme, feuchte Luft bis in die Hocharktis.

Starke atlantische Stürme

Allerdings spielt auch der Klimawandel eine Rolle beim extremen Wetter in der Arktis. So ungewöhnlich Wärme und Eisverlust dieses Jahr waren, sie fügen sich nahtlos in den langfristigen Trend ein. Seit Jahren schon ist die Arktis jene Region des Planeten, die sich am stärksten erwärmt, und seit etwa 1980 schrumpft die eisbedeckte Fläche im Winter um über drei Prozent pro Jahrzehnt. Eis in der Barentssee bildet sich heutzutage im Herbst mehrere Wochen später als Mitte des 20. Jahrhunderts.

Der Einfluss wirkt allerdings auch in die andere Richtung – die warme Arktis verändert das Wetter auf der gesamten Nordhalbkugel. Seit Jahren diskutieren Fachleute einen Zusammenhang mit unbeweglichen Schlaufen im Jetstream und damit zusammenhängenden dauerhaften Großwetterlagen. Doch einige Länder bekamen die Auswirkungen der polaren Temperaturextreme diesen Winter noch viel direkter zu spüren. In Island tobte der schwerste Schneesturm seit einem Vierteljahrhundert, und in England war dieser Winter nicht nur einer der wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen, sondern brachte zusätzlich mit dem Dezember den nassesten Monat, den das Land je erlebte.

Ob sich die Lage mit dem nun einsetzenden Frühling wieder beruhigt oder die polaren Bedingungen weiterhin extrem bleiben, darüber wagen Fachleute nicht zu spekulieren. Einerseits startet das Meereis in die Schmelzsaison 2016 "in einem tiefen Loch", wie Mark Serreze, Direktor des US-amerikanischen National Snow and Ice Data Center (NSIDC), gegenüber der "Washington Post" sagte. Andererseits spricht die jüngere Erfahrung sogar eher gegen einen überdurchschnittlichen Eisverlust: Das letzte Wintermaximum fiel bereits sehr niedrig aus, ohne dass es im Sommer darauf einen neuen Minusrekord gegeben hätte.

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