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Psychoimmunologie: Abwehr mit Weitsicht

Der Anblick von Krankheit stimuliert das Immunsystem.
Schön sind sie wahrlich nicht: laufende Nasen, Hautpusteln oder Wunden lösen bei fast jedem Betrachter Ekel aus. Vermutlich soll uns diese natürliche Abscheu vor ansteckenden Keimen schützen. Dass sie sogar den Körper in Alarmbereitschaft versetzen kann, zeigten nun Psychologen von der University of British Columbia in Vancouver (Kanada): Die Forscher registrierten Immunreaktionen bei Personen, die lediglich Fotos kranker Menschen betrachtet hatten.

Das Team um Mark Schaller untersuchte die Konzentration des Signalstoffs Interleukin-6 im Blut von Probanden, nachdem diese eine Diashow verschiedener Krankheitssymptome genossen hatten – von einfachen Niesern bis zu Pockenkranken mit üblen Hautausschlägen. Eine zweite Gruppe von Teilnehmern sah dagegen Bilder von auf sie gerichteten Schusswaffen und aggressiven Menschen, die ähnlich abstoßend auf die Betrachter wirkten.

Obwohl die Probanden aus der Kontrollgruppe nach eigenen Angaben mehr Stress empfanden, veränderten sich ihre Interleukinwerte kaum. Bei den Krankheitsbetrachtern stiegen sie dagegen im Schnitt um mehr als 20 Prozent! Offenbar kurbelte der Anblick der Kranken das Abwehrsystem der Probanden an.

Physiologisch sei das plausibel, so die Forscher, denn Ekel wirke stark auf das vegetative Nervensystem. Auf diese Weise löst er nicht nur Gänsehaut und Übelkeit aus, sondern beeinflusst auch die Aktivität der Lymphknoten. Evolutionär gesehen sei eine solche präventive Immunantwort durchaus sinnvoll, erklärt Schaller. Wer auf eine bevorstehende Krankheit vorbereitet sei, überstehe diese wohl eher oder stecke sich erst gar nicht an. Der Preis des Schutzeffekts könnten Autoimmunkrankheiten sein, die über die Psyche vermittelt würden. Die neuen Erkenntnisse lassen dies immerhin möglich erscheinen. (mb)

Schaller, M. et al.: Mere Visual Perception of Others' Disease Symptoms Facilitates a More Aggressive Immune Response. In: Psychological Science 10.1177/0956797610368064, 2010.

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