Abwehrkräfte: mRNA-Therapie kann das Immunsystem verjüngen

Ein zweimal wöchentlich verabreichter Cocktail aus drei Boten-RNAs (mRNAs) hat das Immunsystem alter Mäuse verjüngt und ihre Reaktion auf Impfungen und Krebsbehandlungen verbessert. Das berichtet ein Forschungsteam vom Howard Hughes Medical Institute in Cambridge, Massachusetts, im Fachmagazin Nature. Die Therapie stärkt die Funktion der T-Zellen. Das sind Immunzellen, die Abwehrreaktionen steuern und infizierte Zellen töten.
Mit zunehmendem Alter produziert der Körper weniger T-Zellen, und die vorhandenen arbeiten weniger effizient. Das sei der Grund, warum Impfstoffe bei älteren Menschen oft schlechter wirken als bei jungen Erwachsenen – und warum Krebstherapien, die das Immunsystem gegen Tumoren mobilisieren, weniger erfolgreich seien, erklärt die Immunologin María Mittelbrunn vom Spanischen Nationalen Forschungsrat in Madrid, die an der Studie nicht beteiligt war. Eine schwache T-Zell-Abwehr begünstige zudem chronische Entzündungen, die viele Alterskrankheiten begleiten, darunter bestimmte Herz-Kreislauf-Leiden.
T-Zellen entstehen im Knochenmark und reifen in einer kleinen Drüse namens Thymus. Dort lernen sie, Krankheitserreger wie Bakterien oder Viren zu erkennen und zugleich die eigenen gesunden Körperzellen nicht anzugreifen. Doch der Thymus baut mit dem Alter ab: Er schrumpft und wird nach und nach durch Fettgewebe ersetzt. Versuche, diesen Vorgang mit Hormonen oder Medikamenten rückgängig zu machen, seien bisher gescheitert, sagt Mirco Friedrich, Hämatologe und Onkologe am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg und Erstautor der Studie.
Jungbrunnen fürs Immunsystem
Deshalb wählte Friedrichs Team einen anderen Weg. Statt den Thymus direkt zu behandeln, veränderten sie die T-Zellen in der Leber. »Die meisten T-Zellen befinden sich im Blut«, erklärt Friedrich. »Und durch die Leber strömt das gesamte Blut des Körpers.«
Zunächst untersuchten die Fachleute, wie sich die Immunzellen im Laufe des Lebens verändern. Sie erfassten Unterschiede in der Genaktivität und den Signalwegen von kurz nach der Geburt bis ins hohe Alter. Dann wählten sie drei Proteine aus, die offenbar eine Schlüsselrolle beim Altern der T-Zellen spielen. Sie verpackten die mRNAs, die diese Proteine codieren, in kleine Fettpartikel, die sich bevorzugt in der Leber ansammeln, und injizierten sie etwa 16 Monate alten Mäusen. Bei Menschen entspricht das einem Alter von knapp 50 Jahren.
Verglichen mit Tieren ohne Therapie bildeten die behandelten Mäuse deutlich mehr T-Zellen und entwickelten nach Impfungen einen stärkeren Immunschutz. Außerdem sprachen sie besser auf Therapien an, die T-Zell-Angriffe gegen Krebs auslösen. Die Wirkung ließ jedoch weitgehend nach, sobald die Injektionen beendet wurden.
Bis der Einsatz am Menschen getestet werden könne, seien noch viele Studien nötig, betont Friedrich. Immerhin erfüllen die drei Proteine, die das Team ins Visier nahm, vermutlich ähnliche Aufgaben beim Menschen.
Auch andere Forscher halten die Ergebnisse für vielversprechend: T-Zellen in der Leber zu verjüngen, sei ein neuer Ansatz für ein zentrales Problem, sagt die Immunologin Michelle Linterman vom Malaghan Institute of Medical Research in Wellington. »Es ist denkbar, die Biologie der T-Zellen so zu verändern, dass sich die Gesundheit im Alter deutlich verbessert.«
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