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News: Achillesferse des Wurms

In Westafrika verloren bislang rund eine Million Menschen ihr Augenlicht infolge eines Befalls mit einem parasitären Wurm. Weil der Schädling über Kriebelmücken übertragen wird, die nur in der Nähe schnell fließender Gewässer brüten, erhielt das Leiden den Namen Flussblindheit. Bislang kann die Krankheit nur durch eine lebenslange Medikamentengabe behandelt werden. Eine neue Strategie soll dem Wurm jetzt aber endgültig den Garaus bereiten.
Bis zu 50 Millionen Würmer und Wurmeier der Art Onchocerca volvulus leben in Haut, Netzhaut und anderen Geweben von Infizierten der so genannten Flussblindheit. Über einen Stich einer Kriebelmücke gelangen die Eier in das Insekt und können dort die nächste Stufe ihrer parasitären Entwicklung erklimmen. Um von diesem Jugendlichen-Stadium zum ausgewachsenen Wurm heranreifen zu können, muss der Onchocerca-Wurm allerdings erneut auf den Menschen wechseln. Ist diese komplizierte Reise absolviert, können die ausgewachsenen Würmer bis zu zehn Jahre in ihrem endgültigen Wirt überdauern.

"Der erwachsene Wurm lebt in Knoten, kleinen Abkapselungen im Gewebe, die ihn vor dem Immunsystem schützen und wo er seine Nachkommen bildet", berichtet Alfons Renz von der Universität Tübingen. In dieser sicheren Enklave lernen die Wurmkinder offenbar auch, wie die Körperabwehr ausgehebelt werden kann. Nur wenige schaffen schließlich den Absprung auf die Mücke, der Rest der Larven vegetiert dahin – und stellt die eigentliche Gesundheitsgefahr dar: Das Immunsystem reagiert heftig auf die unliebsame Besiedelung und schädigt neben den Würmern auch das eigene Gewebe. Dabei besonders betroffen ist der Sehnerv, was schließlich nach Jahren der Infektion zur Erblindung führt. Wird der Wurmbefall frühzeitig festgestellt, können Medikamente zumindest die Wurmlarven angreifen und die gefürchtete Immunreaktion abfangen. Weil aber die ausgewachsenen Würmer selbst gegen die Arzneien immun sind und ständig neue Nachkommen erzeugen, müssen die Patienten zeitlebens behandelt werden.

Jetzt könnte aber eine andere Angriffstelle des Parasiten die Wende bringen: Der Wurm selbst, so fanden die Tübinger Forscher heraus, ist seinerseits auf Bakterien angewiesen, die in ihm leben: "Diese so genannten Wolbochia-Bakterien scheinen dem Wurm bei der Abwehr des Immunsystems zu helfen", erklärt Renz. Bei der Behandlung mit Tetrazyklin-Antibiotika, die diese Mikroorganismen abtöten, habe sich gezeigt, dass gleichzeitig auch Onchocerca zu Grunde gehe. Zwar sind die Tetrazykline bereits altbewährte Heilmittel, doch wurden sie bislang als wirkungslos gegen Parasiten eingestuft. Mit der Entdeckung der Beziehung zwischen Parasit und Bakterien könnte sich dies jedoch zukünftig ändern.

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