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Eiszeitkunst: Älteste Höhlenmalereien in Ostasien?

In Indonesien schufen Eiszeitkünstler plastische Bilder von Händen und Tieren. Vielleicht sind sie älter als die Höhlengemälde Europas.
Höhlengemälde

Die ältesten erhaltenen Kunstwerke der Menschheit stammen aus der Eiszeit: Eine vor mindestens 40 800 Jahren geschaffene Felszeichnung in der El-Castillo-Höhle in Nordspanien gilt derzeit als ältestes Gemälde überhaupt, ein plastisch hervorgehobenes Rhinozeros aus der Chauvet-Höhle in Frankreich als ältester Vorläufer einer dreidimensional skulpturierten Darstellung. Zuletzt meinten Forscher zudem, in Strichzeichnungen der Gorham-Höhle in Gibraltar Vorläufer darstellender Kunst erkannt zu haben – Grafikelemente, womöglich sogar geschaffen vom hier hausenden Neandertaler, nicht dem modernen Homo sapiens. Dass sämtliche dieser Steinzeitkunstwerke in Europa gefunden wurden, hatte unter Forschern seit Längerem für eine intensive Diskussion gesorgt: Liegt dies daran, dass Europa besser archäologisch erforscht ist, oder hat das gemäßigte europäische Klima die Felskunst einfach besser konserviert? Oder womöglich daran, dass Europäer die Kunst überhaupt erfunden haben?

Letzteres kaum, meinen nun Forscher aus Australien, nachdem sie mit neuen Messmethoden Höhlenmalereien in Indonesien neu datiert haben. Ihre Ergebnisse aus den Kalkkarsthöhlen von Maros auf der indonesischen Insel Sulawesi zeigen eindeutig, dass auch in Ostasien Menschen schon Höhlengemälde schufen, während die Eiszeit in Europa noch andauerte. Einige der typischen Darstellungen von Händen und Jagdtieren sind womöglich vor rund 40 000 Jahren und damit sogar früher entstanden als ihre berühmteren europäischen Pendants.

Die Höhlenbilder waren auf Sulawesi schon in den 1950er Jahren gefunden worden. Ihr Alter hatte man allerdings bisher nicht genau bestimmt und dramatisch unterschätzt – wohl vor allem, weil nach gängiger Lernmeinung im tropischen Klima Felszeichnungen eigentlich, bedingt durch eine rasche Erosion des Gesteins, schnell abgetragen werden sollten. Die australische Archäologen testeten nun aber eine neue Bestimmungsmethode, für die sie nur geringste Mengen des Höhlengesteins wegraspeln mussten. Diese Proben nahmen sie aus mineralischen Ablagerungen, die sich direkt auf den Farbschichten niedergeschlagen hatten; teilweise konnte sie sogar Schichten bestimmen, die unmittelbar unter den alten Farbpigmenten lagen. Anhand der Altersbestimmung dieser Proben mit der Thorium-Uran-Datierung konnten sie dann das maximale und minimale Alter des Farbauftrags ermitteln.

Bei der Datierung mit Thorium und Uran bestimmt man das Alter etwa von Kalkschichten anhand des mit der Zeit wachsenden Anteils von Thorium in den Ablagerungen: Das Element entsteht beim natürlichen Zerfall von Uran, welches in geringen Spuren in kalkhaltigem Wasser enthalten war, das sich in dünnen Schichten auf der Höhlenwand ablagerte. Weil Thorium im Wasser ganz fehlt – es wird meist anderweitig gebunden –, entstammt sämtliches in den Kalkschichten nachgewiesenes Thorium dem Zerfall von Uran. Am Th/U-Verhältnis im Kalk und mit Hilfe der Halbwertszeit von Uran kann daraus auf den Zeitpunkt der Kalzitablagerung geschlossen werden – und damit, im Fall der Sulawesi-Grotten, auf das Alter der Gemälde zwischen den Kalkschichten.

© Nature Video
Höhlengemälde aus Fernost
Ein Kameraschwenk zeigt die uralten Kunstwerke aus der Steinzeit. Zumindest die Felsbilder von Händen sind womöglich älter als vergleichbare aus Europa, spekulieren Archäologen aus Australien.

Dass in Europa wie Indonesien schon vor 40 000 Jahren in Stil und Technik sehr ähnliche Höhlengemälde entstanden, könnte bedeuten, dass Menschen bereits weit früher ähnliche künstlerische Leistungen vollbracht hatten – vielleicht schon, als Homo sapiens aufbrach, um Asien und Europa zu besiedeln? In Indonesien – das bis zum Ende der Eiszeit noch durch eine Landbrücke mit dem asiatischen Kontinent verbunden war – ist der moderne Mensch womöglich erst 10 000 Jahre vor dem Entstehen der nun neu datierten Höhlengemälde angekommen. Und die ältesten Spuren der Menschheit in Australien – damals noch mit Neuguinea zum Minikontinent Sahul vereint und durch einen Meeresarm von Asien getrennt – sind 50 000 Jahre alt. Schon die ersten Australier könnten allerdings einen Sinn für Kunst gehabt haben: Während die ältesten entdeckten Felszeichnungen deutlich jünger sind, fand man abgenutzte, vermutlich als Farbstifte verwendete Ockerpigmentstücke aus der Zeit der allerersten Besiedlung. Die Einwanderer aus Asien, so die Schlussfolgerung, hatten wohl schon eine künstlerische Ader ebenso wie auf der anderen Seite des Globus die ersten Einwanderer nach Europa.

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