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News: Ängstliches Gen

Bestimmte Verhaltensmerkmale einzelnen Genen zuzuordnen, galt bislang als unmöglich. Angst scheint eine Ausnahme zu sein.
Verglichen zu Augenfarbe und Nasenform entziehen sich komplexe Verhaltensweisen standhaft der Zuordnung zu bestimmten Genen. So hat bislang noch niemand ein Schüchternheitsgen geortet, oder den Sitz der Aggression im Genom bestimmen können. Doch der harten Nuss eine erste Beule zu versetzen, gelang nun Daniel Weinberger und Ahmad Hariri vom National Institute of Mental Health.

Die beiden Forscher konzentrierten sich in ihrer Studie auf ein im Gehirn aktives Transportprotein, das den Botenstoff Serotonin nach dessen Freisetzung aus den Nervenzellen eben dorthin zurückbefördert. Von dem zugrundeliegenden Gen gibt es zwei unterschiedliche Versionen: eine lange und eine etwas kürzere. Wie lang das Gen denn nun ist, hängt von der Länge des Promotors ab, also der Stelle, welche die Aktivität des Gens kontrolliert. Während eine Genversion einen längeren Promotor besitzt, muss die zweite mit einer kürzeren Variante auskommen.

Einen ersten Hinweis darauf, dass das Transportergen Verhalten beeinflussen könnte, gab es schon. Menschen, die eine kurze Genversion in ihrem Erbgut aufwiesen, zeigten sich in psychiatrischen Tests geringfügig ängstlicher als diejenigen mit zwei langen Genkopien. Allerdings liegen die prozentualen Unterschiede hierbei bei mickrigen drei bis vier Prozentpunkten.

Weinberg und sein Team überlegten, ob der Effekt sich in der emotionalen Schaltstelle des Gehirns – der mandelförmigen Amygdala – deutlicher nachweisen lassen würde. Um dies zu überprüfen, konfrontierten sie 28 freiwillige Teilnehmer am Bildschirm mit Personen zweier möglicher Gesichtsausdrücke: Wut oder Angst. Gleichzeitig kontrollierten die Neurologen per funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRI), wie aktiv die Amygdala feuerte.

Während die Testperson gescannt wurden, bekam sie das Bild eines entweder wütenden oder ängstlichen Menschen gezeigt und musste aus einem nachfolgenden Paar dasjenige aussuchen, das denselben Ausdruck widerspiegelte. Eine denkbar einfache Aufgabe, die sowohl Menschen mit kurzen als auch mit langen Genkopien zu 90 Prozent richtig lösten. Einen Unterschied gab es jedoch: Menschen mit mindestens einer kurzen Genversion hatten eine höhere Amygdala-Aktivität in ihrer rechten Gehirnhälfte.

Nun ist die als Amygdala bekannte Gehirnregion für die Einordnung emotionsgeladener Stimuli verantwortlich. "Sie klebt ein Schildchen auf die eintreffende Information, das sagt: Dies ist gefährlich", erklärt Weinberger ihre Aufgabe. Eine hyperaktive Amygdala könnte deshalb erklären, warum Menschen mit einer kurzen Genvariante anfälliger für Angst sind als diejenigen mit zwei langen Genkopien.

"Es ist eine faszinierende Studie", findet Joseph LeDoux, ein Neurologe an der New York University. "Sie wird sicherlich eine Menge weiterführende Arbeiten auf der neuronalen Basis von normal und pathologischer Angst und Besorgnis stimulieren."

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