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Übertragene Gehirn-Gene: Wie »menschlich« darf ein Affe werden?

Ein chinesisches Team überträgt ein menschliches Entwicklungsgen auf Affen - und macht so ihre Gehirne menschenähnlicher. Das wirft grundsätzliche Fragen auf.
Rhesusaffe (Macaca mulatta).

Eine fundamental neue Art von genetisch verändertem Organismus hat eine Gruppe von Fachleuten in China und den USA im Februar 2018 vorgestellt. Nicht einfach Affen mit irgendwelchen Menschengenen hat das Team um Bing Su vom Kunming-Institut für Zoologie erzeugt, sondern mit menschlichem Erbgut dort, wo es zumindest nach Ansicht der Menschen zählt – im Gehirn. Und das Experiment hat wohl funktioniert.

Das jedenfalls ist die Botschaft der Versuchsbeschreibung, die das Team im von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften herausgegebenen »National Science Review« veröffentlichte. Die genetische Veränderung führte bei den fünf Überlebenden von insgesamt elf Rhesusaffen zu einer merklich menschenähnlicheren Hirnentwicklung. Die Gruppe von Su setzte den Tieren mit Hilfe der Affenversion des HI-Virus die menschliche Version des Gens MCPH1 ein, eines wichtigen Gens für die Hirnentwicklung. Dadurch zeigten die Tiere charakteristische Veränderungen bei der Entwicklung von Nervenzellen sowie eine verlangsamte Reifung der Neuronen.

Das Gehirn bleibt länger Kind

Das interpretiert die Arbeitsgruppe als Anzeichen der typischen verzögerten Hirnreifung, die zusammen mit der langen Kindheit und dem Erhalt kindlicher Merkmale bei Erwachsenen den Menschen von anderen Primaten unterscheidet. In Verhaltenstests hätten die veränderten Tiere zudem ein besseres Kurzzeitgedächtnis und schnellere Reaktionen gezeigt; allerdings seien diese Tests nur vorläufig. Der Fokus der Untersuchung lag auf den Auswirkungen auf Genexpression und darauf, wie sich die Nervenzellen durch den Austausch des Proteins verändern.

Das Gen MCPH1 hat eine Reihe nur teilweise bekannter Funktionen bei der Zellteilung und der Gehirnentwicklung. Es codiert das Protein microcephalin 1, Mutationen in diesem Gen hängen mit der schweren Entwicklungsstörung Mikrozephalie zusammen, bei der Neugeborene ein deutlich verkleinertes Gehirn haben. Auch bei Mäusen scheint das Gen die Größe des Gehirns zu steuern.

Sieben veränderte Aminosäuren im Protein sind für die menschliche Version des Enzyms charakteristisch, daneben ist das Gen bei Menschen nach der Geburt viel aktiver als bei anderen Primaten. Welche Auswirkungen jene Veränderungen haben, ist jedoch noch unbekannt, die bisherigen Ergebnisse an lediglich fünf Tieren lassen nur begrenzte Schlussfolgerungen zu. Die – in China rechtlich völlig unproblematischen – Affenversuche hätten das Potenzial, neurologische und sogar soziale Störungen beim Menschen zu erhellen, schreibt die Arbeitsgruppe. Rhesusaffen sind Menschen genetisch und anatomisch weit ähnlicher als die bisher bei solchen Versuchen verwendeten Mäuse.

Menschwerdung im Labor?

Allerdings berühren die Versuche auch direkt die Frage, was den menschen zum Menschen macht – und ob die Affen durch solche Veränderungen möglicherweise einen Funken davon übertragen bekommen. Das Gen MCPH1 evolviert bei Primaten besonders stark und war möglicherweise an der evolutionären Entwicklung des menschlichen Gehirns beteiligt. Vollzieht das chinesische Team in seinem Labor jene Schritte nach, die einst in Afrika zur Menschwerdung führte?

Affen immer menschenähnlicher zu machen, bringt erhebliche ethische Probleme mit sich. Bereits 2010 kam eine Arbeitsgruppe um die Bioethikerin Jacqueline Glover zu dem Schluss, dass solche Experimente an Menschenaffen grundsätzlich unethisch seien. Eine Einschätzung, die auch die Arbeitsgruppe um Su teilt. Doch Rhesusaffen sind keine Menschenaffen – und sie würden durch die Experimente auch nicht in bedeutendem Maße menschenähnlicher.

Das aber sehen Fachleute kritisch, denn menschenähnlichere Versuchstieren sind das erklärte Ziel der Experimente. Abgesehen davon bleibt es nicht bei MCPH1; der Forscher hat bereits angekündigt, zwei weitere Gene in die Affen einzuführen. Demnach laufen bereits Versuche mit SRGAP2C, einem Gen, das ebenfalls das Gehirn langsamer reifen lässt und mutmaßlich eine wichtige Rolle bei der Entwicklung menschlicher Intelligenz spielte; im Fokus zukünftiger Studien ist außerdem das Sprach-Gen FOXP2.

Auch die Zahl der veränderten Tiere soll steigen, damit die Ergebnisse aussagekräftiger werden. Allerdings regt sich inzwischen Protest gegen die in China völlig legale Forschung. So meldete bei »CNN« der Neurowissenschaftler Kevin Mitchell ernste Bedenken an, die Anthropologin Barbara J. King bezeichnet die Versuche als »ethischen Albtraum  - und das nicht nur wegen der »Vermenschlichung« der Affen: Der geringe Nutzen dieser Forschung rechtfertige solche Versuche einfach nicht.

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