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Zoologie: Afrikanische Ratten statten sich mit Gift aus

Mähnenratte
Die afrikanische Mähnenratte Lophiomys imhausi fällt durch ihr Äußeres und ihr merkwürdiges Verhalten auf: Sie gibt sich auch in der Gegenwart hungriger Raubtiere ziemlich gleichgültig, um dann aber, sobald sie als Beute auserkoren und angegriffen wird, nicht zu fliehen, sondern eine bizarre frontale Abwehrstellung einzunehmen. Dabei spreizt sie Teile ihres Fells ab und präsentiert eine auffällig schwarz-weiß gemusterte Irokesenfrisur. Überraschenderweise endet dies meist mit dem Rückzug des überlegenen Raubtiers statt dem Tod des übermütigen Nagers. Und zwar wohl deshalb, meinen nun britische Forscher, weil die Ratte sich mit einem hochwirksamen Gift ungenießbar gemacht hat.

Mähnenratte vergiftet ihr Fell | Diese Mähnenratte (Lophiomys imhausi) appliziert einen giftigen Pflanzenbrei auf ihr Fell. Spezialisierte, ausgehöhlte Kanülenhaare füllen sich mit dem aufgetragenen toxischen Gemisch und werden zu gefährlichen Defensivwaffen, an die sich unbedarft zubeißende Raubtiere noch lange erinnern.
Das Team um Fritz Vollrath von der Oxford University hat diese zuvor unbewiesene Theorie nun mit einer Reihe von Untersuchungen belegt. Zunächst beobachteten die Forscher die Nager beim Verzehr einer in ihrem Verbreitungsgebiet heimischen Giftpflanze, dem Hundsgiftgewächs Acokanthera schimperi. Die Ratte zerkaut dabei ausgiebig Borke und Wurzeln der Pflanze, um dann ein Gemisch aus Speichel und Pflanzenbrei über ausgewählte Partien des eigenen Körperfells zu verteilen. Blätter und grüne, unreife Früchte der Pflanze verschmäht der Nager dagegen. Gerade die bevorzugt zerkauten Pflanzenteile enthalten zwei verschiedene Toxine: ein Acovenosid sowie ein Molekül, das dem als tödliches Pfeilgift ostafrikanischer Elefantenjäger berüchtigten Strophanthin stark ähnelt. Besonders dieses hochpotente Gift reichert sich im Zuge des Zerkauens im Speichel-Pflanzen-Brei offenbar an, wie spektroskopische Analysen zeigen.

© F. Vollrath / Oxford University; Proc. R. Soc. B 10.1098/rspb.2011.1169, 2011
Mähnenratte beim Giftmischen
Eine Mähnenratte (Lophiomys imhausi) beim Giftmischen: Das Tier zerkaut ausgesucht toxinhaltige Teile einer Giftpflanze und appliziert sich das entstehende Pflanzensud-Speichel-Giftgemisch auf bestimmte Fellpartien. Dort finden sich ausgehöhlte Haare, die sich mit dem Giftcocktail füllen. Diese Haare werden bei Attacken auf das Tier abgespreizt – eine effektive Abschreckung für alle Räuber.
Die eingespeichelten Fellregionen liegen vor allem an den Flanken der Tiere. Ebendort finden sich auch speziell umgestaltete Haare, die in der Abwehrstellung des Tiers exponiert werden. Mikroskopuntersuchungen von Vollraths Team zeigen, dass diese Seitenhaare offenen, ausgehöhlten Röhrchen gleichen: Sie nehmen Flüssigkeit wie etwa den giftigen Speichel-Pflanzen-Brei wie eine Pipette auf. In Abwehrstellung werden sie zu Giftkanülen gegen zubeißende Feinde. In Ruhestellung verdecken die darüberliegenden Fellpartien die Spezialhaare; vielleicht, um das chemisch fragile Toxin davor zu schützen, durch Regenwasser verdünnt zu werden oder im UV-Licht der Sonne zu zerfallen, spekulieren Vollrath und Kollegen.

© F. Vollrath / Oxford University; Proc. R. Soc. B 10.1098/rspb.2011.1169, 2011
Haarkanüle einer Mähnenratte: Vollsaugen leicht gemacht
Spezielle seitliche Haare der Mähnenratte sind innen ausgehöhlt – in ihnen wirken Kapillarkräfte, die Flüssigkeiten (etwa giftigen Pflanzensud) schnell einsaugen.
Die mit der ungewöhnliche Fellfarbe deutlich sichtbare Toxinverteidigung bringt einem Mähnenrattenindividuum nur dann etwas, wenn es die Attacke von unerfahrenen Räubern überlebt. Dies sei aber durchaus denkbar, meinen die Forscher um Vollrath: So haben die Ratten etwa besonders widerstandsfähige Schädelknochen entwickelt, wie Skelettvergleiche mit verwandten Nagern zeigen. Zudem gebe es zahlreiche Beschreibungen über Attacken von Haushunden – die unmittelbar nach einem Probebiss von der Ratte ablassen. Die Angreifer werden danach meist als deutlich angeschlagen beschrieben: Sie beginnen etwa zu torkeln, einige Tiere sollen auch schnell gestorben sein, offenbar an Herzversagen. Strophanthine wirken in höheren Konzentrationen toxisch, weil sie die Natrium-Kalium-Pumpe beispielsweise von Herzzellen hemmen. In niedriger Dosierung verwendete man sie bis vor wenigen Jahren auch häufig als Medikament gegen Herzschwäche. (jo)

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