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Traumata: Akkurate Angst

Das Gehirn unterscheidet furchtsame Erinnerungen bis ins Detail.
Ängstliches Kind
Ist Angst eine immer gleiche Reaktion? Oder lösen unterschiedliche Reize im Gehirn verschiedene Arten von Angst aus? Auf Letzteres deutet ein Experiment von Neurobiologen um Jacek Dębiec von der New York University. Demnach unterscheidet die Amygdala – das "Angstgedächtnis" des Gehirns – zwischen verschiedenen schmerzhaften Erfahrungen, auch wenn diese sich auf den ersten Blick stark ähneln.

Die Forscher lehrten Ratten das Fürchten, indem sie ihnen wiederholt einen von zwei Tönen vorspielten und ihnen jeweils anschließend einen Stromschlag an einer bestimmten Körperstelle versetzten: entweder am Kopf oder an der Pfote. Anschließend versuchten sie, die Angst mit einer erprobten Methode wieder zu löschen: Sie wiederholten die elektrischen Stöße an einer der beiden Körperstellen, injizierten den Tieren jedoch gleichzeitig ein Gedächtnis hemmendes Medikament direkt in die Amygdala.

24 Stunden später hatten die Ratten die Furcht vor dem entsprechenden Ton verlernt; sie zeigten keine Schreckstarre mehr, wenn sie den Laut hörten. Der zweite Ton jedoch – der einen Stromschlag an anderer Stelle ankündigte – flößte den Nagern weiterhin Angst ein. Das widerspricht der bisher gängigen Annahme, dass allein die Art eines unangenehmen Reizes entscheidend für das Angstgedächtnis ist, nicht aber Details wie der genaue Ort eines elektrischen Schlags. Demnach hätte nach der erfolgreichen Löschung der erlernten Furcht auch die Angst vor dem anderen Ton verschwinden müssen, was aber nicht der Fall war.

Auch bei Menschen kann das erneute Durchleben einer traumatischen Situation der Erinnerung an das ursprüngliche Ereignis den Schrecken nehmen. In Therapien erfolgt dies etwa durch Erzählen oder Nachspielen eines Vorgangs in einer sicheren Umgebung. Nach den neuen Erkenntnissen könnte es dabei wichtig sein, auch kleinere Details der Erinnerung genau nachzuvollziehen, um die erlernte Angst vollständig zu besiegen. (rs)

Dębiec, J. et al.: The Amygdala Encodes Specific Sensory Features of an Aversive Reinforcer. In: Nature Neuroscience 10.1038/nn.2520, 2010.

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