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News: Akrobat kluuug!

Wer erwachsen ist, muss zusehen, wie er mit seinen Hirnzellen auskommt - aus anatomischer Sicht wird es ein Leben lang nichts Neues mehr geben. So etwa dachten sich Wissenschaftler die Situation im menschlichen Denkapparat lange Zeit. Doch dann ließen sie ein paar Versuchsteilnehmer jonglieren.
Jonglierball
Mit dem Jonglieren ist es wie mit dem Fahrradfahren: Wenn man es kann, ist es ganz einfach. Möchten Sie es lernen? Kein Problem! Suchen Sie sich drei gleich große und gleich schwere Bälle, von denen Sie mühelos zwei Stück gleichzeitig in einer Hand halten können. Nehmen Sie zwei rechts und einen links. Nun werfen Sie einen Ball der rechten Hand aus dem Handgelenk in einem schönen Bogen in die linke Hand. Und wieder zurück. Klappt's? Prima. Dann wieder mit rechts den ersten Ball hochwerfen. Sobald er auf dem Scheitelpunkt seiner Bahn angekommen ist, den zweiten Ball aus der linken Hand starten. Während der aufsteigt, fangen Sie den ersten Ball mit links. Hat Nummer zwei seinen Scheitelpunkt erreicht, schicken Sie den dritten los. Und immer so weiter: Los mit dem Ball, wenn sein Vorgänger gerade ganz oben angekommen ist. Schön locker bleiben dabei. Und brav in die Knie gehen, wenn Sie die Bälle wieder suchen und vom Boden aufheben müssen – ist besser für den Rücken.

Vielleicht mögen Sie es jetzt noch nicht glauben, aber Jonglieren kann wirklich Spaß machen. Und das Erlernen dieser zugegeben etwas schwierigeren Bewegungsfolge ist auch gut fürs Gehirn. Deutschen Hirnforschern um Bogdan Draganski von der Universität Regensburg zufolge nimmt dabei die Menge der grauen Hirnsubstanz signifikant zu. Und das können die Forscherkollegen wiederum kaum fassen. War bislang doch scheinbar gesichertes Wissen, dass die Flexibilität der Großhirnrinde sich auf funktionale Aspekte beschränkt. Keinesfalls sollte es anatomische Veränderungen geben, es sei denn aus pathologischen oder Altersgründen. Doch wie es aussieht, passt sich das menschliche Gehirn auf mehr Wegen den gestellten Anforderungen an, als es die Lehrbücher bislang verkündet haben.

Für so eine revolutionäre Behauptung brauchen Wissenschaftler natürlich ein sicheres Datennetz mit doppeltem Boden. Das Team aus Jena und Regensburg unterzog deshalb 24 junge Probanden eines Magnetresonanz-Scans ihres gesamten Gehirns. Keiner von ihnen konnte jonglieren, doch die Hälfte musste es in den folgenden drei Monaten eifrig üben. Mindestens eine Minute lang die drei Bälle in der Luft zu halten, lautete ihre Aufgabe. Anschließend wurden sie nochmals untersucht, und siehe da: Im mittleren Schläfenlappen beider Gehirnhälften und einer Furche auf der linken Seite hatte die graue Masse zugenommen – vor allem dort, wo die visuellen Zentren liegen. Bei der nicht-jonglierenden Vergleichsgruppe hatte sich dagegen nichts getan. Bei einem dritten Scan nach drei weiteren Monaten, in denen diesmal niemand üben durfte, hatten die vormaligen Akrobaten nicht nur ihr Können wieder weitgehend verloren, sondern auch die zusätzliche graue Masse war geschrumpft. Ohne andauernden Fleiß zerrinnt wohl auch der Preis.

Das Gehirn kann sich nach diesen Ergebnissen durchaus anatomisch an neue Situationen anpassen. Ob dafür jedoch neue Zellverbindungen wachsen oder gar ganze Nervenzellen oder vielleicht doch ein anderer mikroskopischer Vorgang die Veränderungen bewirkt, lässt sich aus den neuen Daten nicht ablesen. Dafür sind weitere Untersuchungen nötig. Sie haben also genug Zeit, fleißig mit Ihren drei Bällen zu üben.

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