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News: Aktive Stimmbildung hilft hörgestörten Kindern

Daß Übung den Meister macht, ist eine allbekannte Binsenweisheit. Nähere Daten darüber, auf welche Weise und in welchem Umfang dies auch für die Sprachentwicklung bei hörgeschädigten Kindern zutrifft, hat jetzt eine Jenaer Wissenschaftlerin vorgelegt.
"Sprechen lernt man durch Imitation dessen, was man aus der Umwelt hört. Und die Umwelt bestimmt, welche Sprache ich wie erlerne", erläutert Susanne Zimmermann, Mitarbeiterin am Institut für Phoniatrie und Pädaudiologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena, bekannte Fakten. Wie lernt aber das hörgeschädigte Kind sprechen? Zu dieser Fragestellung, die etwa fünf Prozent aller Kinder in Deutschland betrifft, existieren zwar bereits Forschungsarbeiten über den Lautbestand oder die Artikulationspräzision. Die Jenaer Sprechwissenschaftlerin hat in ihrer Dissertation jetzt aber erstmals harte Daten darüber vorgelegt, "wie stark die gestörte Sprachentwicklung durch Hörstörung die Stimmentwicklung beeinflußt". Dazu untersuchte sie mit Unterstützung entsprechender Schulen in Gotha, Erfurt und Jena 179 vier- bis zehnjährige Kinder, die normal hörten, gehörlos oder schwerhörig waren.

Gesprochene Sprache bildet Sinneinheiten, erläutert Susanne Zimmermann, "die von einer Sprechmelodie überlagert werden". Die Melodie wird durch die Muttersprache geprägt und vermittelt und erleichtert die Verständlichkeit. Es existiert damit eine bestimmte Stimmführung beim Sprechen, die hörgestörte Kinder kaum oder gar nicht wahrnehmen können.

Die Sprechwissenschaftlerin untersuchte nun, wie hörgeschädigte Kinder ihre Stimme nutzen und wie sich ihr Stimmorgan bei gestörter Sprachwahrnehmung entwickelt. "Es ist eindeutig, daß das Stimmorgan trainiert werden muß – durch Gebrauch", lautet ihr Fazit. Bei normalhörenden Kindern geschieht dies automatisch beim Hören und Nachsprechen. Zimmermanns Empfehlung an die Gehörlosenpädagogen: "Bei hörgestörten Kindern muß die Stimmbildung adäquat zur Sprecherziehung betrieben werden". Die Artikulationsprobleme der betroffenen Kinder resultieren auch aus der mangelhaften Stimmausbildung, die auf ihrer Hörschädigung beruht. Eine Verbesserung der Intonation – die sich aus Tempo, Dynamik und Tonhöhe zusammensetzt – erhöht die Verständlichkeit des Gesprochenen.

Da beim Spracherwerb Tonhöhe und Lautstärke mitgelernt werden, ermittelte Susanne Zimmermann in langen Meßreihen, wie leistungsfähig das Stimmorgan bei Kindern mit und ohne Hörschädigungen ist und wie hoch oder tief sie sprechen können. Die ermittelten "Stimmfelder" bestätigen nun mit konkreten Daten über Dynamikbreite und Tonhöhenumfänge das Erwartete: Die Stimme hörgeschädigter Kinder umfaßt weniger Töne als die ihrer normalhörenden Altersgenossen, aber mit steigendem Alter nimmt auch bei ihnen der Tonhöhenumfang zu – wenn auch nicht so stark wie bei den normalhörenden Kindern.

Die Dynamikbreite ist bei hörgestörten Kindern ebenfalls geringer, ermittelte die Jenaer Forscherin. Die Sprechstimmlage hängt dagegen oft nicht nur vom Grad der Hörstörung sondern auch vom Temperament ab. Beides hat großen Einfluß auf die zum Teil immens von der Muttersprache abweichende Intonation, das heißt die Stimmführung beim Sprechen, und deren Entwicklung. Eine Schulung der Stimmbildung durch optische und vibratorische Reize sowie rhythmische Körper- und Stimmübungen ist wichtig, um die Kinder zum Sprechen anzuregen und die Verständlichkeit des Gesprochenen zu erhöhen, hat Dr. Zimmermann ermittelt. Sie rät den Pädagogen und Eltern hörgeschädigter Kinder: "Trainieren Sie auch die Stimmbildung der Kinder – und das bereits im frühen Vorschulalter".

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