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Schlaf: Das Albtraum-Drehbuch umschreiben

Jeder 20. Deutsche leidet an wiederkehrenden Albträumen. Dabei gibt es eine effektive und denkbar einfache Behandlung – die jedoch nahezu unbekannt ist.
Eine schwarze Silhouette

Maria* hatte keine Lust, auf die Party zu gehen. Sie kannte niemanden außer der Gastgeberin. Und eigentlich hätte sie den Abend viel lieber mit ihrer Tochter verbracht, um die sich nun die Babysitterin kümmern musste. Doch die Studentin will ihre Freundin nicht hängen lassen. Also macht sie sich zu Fuß auf den Weg.

Während sie die Straße entlangläuft, bemerkt sie plötzlich, dass ihre Hose im Schritt ganz nass ist: Sie hat sich eingenässt, der Urinfleck ist nicht zu übersehen. Trotzdem geht sie weiter. Als sie endlich auf der Feier ankommt, hat sich um sie herum eine große Schar von Maden und Würmern zusammengerottet. Die anwesenden Gäste betrachten sie schockiert und angewidert. Scham durchfährt ihren ganzen Körper.

Dann wacht sie auf.

»Albträume kennt fast jeder Mensch«, sagt die Psychologin Annika Gieselmann von der Universität Düsseldorf. Von gewöhnlichen Träumen unterscheiden sie sich vor allem durch die starken negativen Emotionen, die dabei auftreten. Meistens ist es ein intensives Gefühl der Angst oder Furcht. Aber auch Trauer, Ekel, Scham oder Wut können vorherrschen, erklärt die Psychologin. Oftmals ist das Gefühl so überwältigend, dass man schweißgebadet davon aufwacht. Der Schläfer weiß fast immer noch, was ihn so verschreckt hat – auch damit nehmen Albträume eine Sonderstellung ein. Denn an den Großteil der harmlosen Träume, die wir jede Nacht haben, können wir uns am nächsten Morgen nicht mehr erinnern.

Obwohl Albträume weit verbreitet sind, wird ihre Wirkung auf die Seele zuweilen unterschätzt. Denn bei manchen Menschen wachsen sich die nächtlichen Gruseltrips zu einer so starken Belastung aus, dass Experten eine eigene Diagnose dafür kennen: die Albtraumstörung. So war es auch bei Studentin Maria, die vor einigen Jahren deswegen bei Annika Gieselmann Hilfe suchte. Die Psychologin gehört zu den wenigen Forschern weltweit, die sich mit dem Thema beschäftigen.

Zu den Dingen, die Wissenschaftler bisher über Albträume wissen, gehört, dass sich ihre Häufigkeit mit dem Lebensalter verändert. Vor dem zehnten Lebensjahr treten sie vermehrt auf; im Alter werden sie meist seltener. Auch das Geschlecht und die Gene spiele eine Rolle. Frauen berichten öfter von Albträumen als Männer. Und als finnische Forscher im Jahr 1999 rund 3700 ein- und zweieiige Zwillingspaare zu ihren Träumen befragten, zeigte sich: Die Häufigkeit von Gruselträumen scheint zu ungefähr einem Drittel bis zur Hälfte genetisch bedingt zu sein.

Zur Veranlagung kommt oft hinzu, dass die Betroffenen viel Stress erleben. Personen mit anderen seelischen Erkrankungen werden häufiger von Albträumen geplagt, genau wie generell eher sensible, kreative und künstlerisch veranlagte Menschen. So ergab im Jahr 2017 eine Studie von Forschern um den Tübinger Biologen Christoph Randler, dass von den fünf großen Persönlichkeitsmerkmalen vor allem zwei mit dem Auftreten von Albträumen zusammenhängen: Neurotizismus, also eine geringe emotionale Belastbarkeit, und Offenheit für neue Erfahrungen.

Stressbelastung begünstigt Albträume

Maria hatte nach eigenen Angaben »schon immer« an Albträumen gelitten. Doch kurz bevor sie bei Annika Gieselmann Rat suchte, hatten sich ihre Lebensumstände geändert: Sie war allein erziehende Mutter geworden, lebte mit ihrem Kind in einer engen Wohnung und wusste nicht, wie sie ihr Studium weiter finanzieren sollte. Gleichzeitig merkte sie, dass sie nach ihrem Bachelorabschluss auch noch einen Master brauchen würde, um sich wie geplant beruflich zu verbessern. Oft ging sie vom Serienschauen oder Lernen am Laptop ­direkt ins Bett, und sie ernährte sich ungesund. Im ­Gedächtnis blieb sie ihrer Therapeutin aber vor allem wegen ihrer ungewöhnlichen Träume, die, so Gieselmann, zu ihrer kreativen Persönlichkeit passten.

Da Albträume so alltäglich sind, kommen nur wenige Menschen auf die Idee, sich deswegen professionelle Hilfe zu suchen. »Von den Personen, die mindestens einmal pro Woche Albträume erleben, hat nur ein Viertel schon einmal mit einem Arzt oder Therapeuten darüber gesprochen«, sagt Michael Schredl vom Zentral­institut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Die Grenze von einem Albtraum in der Woche ziehen Schlaf- und Traumforscher wie Schredl als Näherungswert dafür heran, ob eine Albtraumstörung vorliegt.

»Von den Personen, die mindestens einmal pro Woche Albträume erleben, hat nur ein Viertel schon einmal mit einem Arzt oder Therapeuten darüber gesprochen«
Michael Schredl, Zentral­institut für Seelische Gesundheit in Mannheim

Für die klinische Diagnose ist allerdings nicht die Frequenz entscheidend, sondern die Frage, ob die Betroffenen stark unter den Träumen leiden. Das ist etwa der Fall, wenn ihnen die schauderhaften Erlebnisse im Schlaf auch am nächsten Tag noch nachgehen, ihre Stimmung und Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigen. Die Betroffenen grübeln häufig darüber nach, was die Träume wohl bedeuten mögen, oder sie fürchten sich deswegen sogar vor dem Einschlafen. »Auch wenn jemand nur einmal im Monat einen Albtraum hat, ihn das aber furchtbar quält, kann das die Diagnose rechtfertigen«, erläutert Schredl.

Legt man die Faustformel von einem Albtraum pro Woche an, sind etwa fünf Prozent der Erwachsenen in Deutschland von dieser seelischen Störung betroffen. Doch dass die Albtraumstörung eine eigenständige Erkrankung ist, die zudem gut behandelbar ist, wissen nur wenige – selbst unter Fachleuten ist das so. »In unserer Befragung haben nur 30 Prozent der Betroffenen, die sich um Hilfe bemüht hatten, gute Erfahrungen gemacht«, berichtet Psychologe Schredl. »Auch viele Fachärzte und Psychotherapeuten scheinen noch kein Bewusstsein für die Problematik zu haben.« Dabei tritt die Albtraumstörung als so genannte komorbide Erkrankung sogar bei rund einem Drittel aller Psychiatriepatienten auf. Unter Personen, die an einer Posttraumatischen Belastungsstörung leiden, sind es sogar 70 Prozent. Allerdings stellen posttraumatische Albträume einen Sonderfall dar, da sie meist Teil der Störung sind. In beiden Fällen jedoch wissen die meisten Betroffenen gar nicht, dass eine Behandlung der belastenden Träume möglich ist.

Mehrere wirksame Therapien

Welche Art von Therapie am besten hilft, hat in diesem Jahr die US-amerikanische Gesellschaft für Schlafmedizin (American Academy of Sleep Medicine) in einem neuen Positionspapier beleuchtet. Die Experten nennen als meist effektive Methoden unter anderem Entspannungsverfahren wie die Progressive Muskelentspannung und verhaltenstherapeutische Maßnahmen. Eine Behandlung sticht jedoch heraus: die Imagery Rehearsal Therapy (IRT, zu Deutsch ungefähr: das Einüben von Vorstellungen). Diese Methode wurde durch den Internisten und Schlafmediziner Barry Krakow popularisiert. Laut zahlreichen empirischen Studien stellt sie eine einfach anzuwendende und effektive Abhilfe gegen Albträume dar.

In Deutschland hat vor allem die Arbeitsgruppe um den Psychologen Reinhard Pietrowsky an der Universität Düsseldorf, zu der auch Annika Gieselmann gehört, diese Behandlung eingeführt und erforscht. Pietrowsky hatte in den 1990er Jahren selbst einen schlimmen Albtraum, in dem er erschossen wurde und den Schmerz sehr intensiv körperlich spürte. Der Traum kehrte zwar nicht wieder. Von der Erfahrung beeinflusst, begann der Schlafforscher jedoch, sich speziell für Albträume und ihre Behandlung zu interessieren.

Sich dem Auslöser der Furcht stellen

Die Imagery-Rehearsal-Therapie basiert wie andere Methoden gegen Ängste darauf, sich dem Auslöser der Furcht zu stellen. »Viele Betroffene wollen wissen, wie sie ihre Albträume möglichst schnell aus dem Gedächtnis löschen können – oder ob ich etwas tun kann, damit sie gar nicht mehr träumen«, erzählt Michael Schredl. »Doch für Ängste gilt generell: Je mehr man sie zu vermeiden versucht, desto stärker werden sie.«

Die Vorstellungstherapie dagegen ist eine Flucht nach vorn: Die Betroffenen versetzen sich dabei gedanklich in einen kürzlich aufgetretenen Albtraum. Dann überlegen sie sich, wie sie die Story abwandeln könnten, damit die Geschichte ein neutrales oder positives Ende für sie nimmt – und dem Traum sein Schrecken genommen ist. Den umgeschriebenen Traum üben sie anschließend ein, indem sie sich die neue Version einmal täglich möglichst intensiv vorstellen, mindestens zwei Wochen lang.

»Schaut mal, was ich dabeihabe!«, ruft Maria in ihrem neuen Traum den versammelten Gästen zu, als sie mit ihrem Tross aus Würmern und Maden auf der Party hereinplatzt. Daraufhin verwandeln sich alle Kriechtiere in bunte Schmetterlinge, die vom Boden aufstieben. Maria war weiterhin der Mittelpunkt der Party, aber nun fühlte sie sich dabei pudelwohl.

Arten des nächtlichen Schreckens

Unter Albträumen versteht man einen Traum mit intensiven negativen Gefühlen, die meist zum Aufwachen führen. Häufige Themen sind: verfolgt werden, fallen, zu spät zu einer Verabredung kommen, ausgelacht werden und der Tod oder die Krankheit einer geliebten Person. Von einer Albtraum­störung sprechen Psychologen, wenn die Träume regelmäßig auftreten und mit einer starken psychischen Belastung einhergehen. Nicht zu den Albträumen gehört der Pavor nocturnus (auch Nachtschreck genannt), der vor allem Kinder betrifft: Dabei wachen die Betroffenen plötzlich, meist schreiend, aus dem Schlaf auf, sind angespannt und wirken orientierungslos. Im Gegensatz zum Albtraum wissen sie aber nicht mehr, was sie vorher geträumt haben, und sie können sich oft am nächsten Morgen nicht mehr an das Ereignis erinnern.

»Wichtig ist, dass der neue Traum dem erlebten Albtraum in vielen Details gleicht, die neue Variante sich aber deutlich anders anfühlt«, sagt Annika Gieselmann. Das veränderte Drehbuch sollte kein Gefühl des Gruselns oder der Ohnmacht zurücklassen, sonst müsse man weiter daran arbeiten. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt: Wer das Gefühl hat, ferngesteuert zu werden, kann dem Bösewicht im Traum die Fernbedienung abnehmen; wer fällt, landet vielleicht auf einem riesigen Trampolin; wer ausgelacht wird, verschwindet mit einem lauten Knall und lässt die Widersacher staunend zurück.

Auch wenn manche Betroffene immer wieder denselben Albtraum haben, ist es für die Wirkung der Therapie gar nicht nötig, genau diesen wiederkehrenden Traum umzuschreiben – sie funktioniert mit jedem beliebigen Albtraum. Tatsächlich wird die neu erfundene Geschichte meist auch gar nicht so geträumt, wie man sie sich ausgemalt hat. Doch das tut der Wirkung keinen Abbruch.

»Das Prinzip, für ein beängstigendes Geschehen eine Lösung zu finden, überträgt sich offenbar auf andere Albtraumthemen«, erklärt Schlafforscher Schredl. »Wie so oft gilt: Allein der Entschluss, sich seiner Angst zu stellen, bewirkt schon etwas.« Und sei es nur das Gefühl, dem Schrecken nicht hilflos ausgeliefert zu sein. So erleben viele Betroffene auch nach der Therapie noch Albträume, sie empfinden diese aber nicht mehr als belastend und können sie einfacher abschütteln.

Ein wichtiger Kniff beim Umschreiben von Träumen ist laut Psychologin Gieselmann, sich soziale Unterstützung zu holen. Denn in den meisten Albträumen sind die Betroffenen allein, sie müssen ohne Hilfe von Freunden oder Familie klarkommen. Gieselmann berichtet von einer Frau, der im Traum unzählige kleine Spinnen auf den Kopf fielen. In ihrer neuen Geschichte suchte sie sich Hilfe bei ihrer Mutter, die ihr die Haare wusch. Das machte die Vorstellung erträglicher.

Gieselmann möchte gern erreichen, dass die Imagery-Therapie in Deutschland bekannter wird. Gerade weil sie so einfach umzusetzen ist, sei es eigentlich unverständlich, dass nicht jeder Betroffene leicht Zugang zu ihr habe, so die Psychologin.

Auch als Selbstbehandlung ist das Verfahren in vielen Fällen erfolgreich, wie Gieselmann und ihre Kollegen 2017 in einer Studie demonstrierten. Die albtraumgeplagten Probanden erhielten eine Online-Anleitung für die Therapie, entweder mit oder ohne Begleitung durch einen Coach. Beide Gruppen profitierten gleich gut von der Behandlung. Professionelle Unterstützung sei für den Erfolg dieser Therapie also nicht unbedingt nötig, erklärt Gieselmann.

Die Selbsttherapie stoße aber an Grenzen, warnt die Forscherin, wenn neben den Albträumen noch weitere psychische Auffälligkeiten bestehen oder wenn die Träume mit einem traumatischen Erlebnis in Verbindung stehen. Dann ähneln die Gruselträume eher den so genannten Flashbacks, unter denen Traumatisierte mitunter leiden. Dabei erleben sie das Geschehen noch einmal, so als wären sie wieder an Ort und Stelle.

Aber auch gewöhnliche Albträume, die nicht das Trauma zum Inhalt haben, erleben Menschen mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung häufiger. Schuld daran ist offenbar eine allgemein geringere psychische Belastbarkeit sowie Schlafprobleme, die dazu führen, dass die Betroffenen tagsüber mehr negative Gefühls­aufwallungen erleben. Diese tauchen dann nachts wiederum in Form vermehrter Albträume wieder auf.

Traumapatienten brauchen weitergehende Behandlung »Eine reine Albtraumtherapie kann keine Behandlung eines schweren Traumas ersetzen«, betont Annika Gieselmann. In einer Studie von Barry Krakow mit traumatisierten Probanden gab es sogar recht viele Abbrecher, was darauf hindeutet, dass das Verfahren diese Zielgruppe besonders belasten könnte. Die Imagery-Rehearsal-Therapie könne aber auf jeden Fall ergänzend zu einer Therapie der Posttraumatischen Belastungsstörung verwendet werden, meint Michael Schredl. Wichtig sei in solchen Fällen eine darüber hinausgehende therapeutische Unterstützung.

Andererseits gibt es wiederum Hinweise darauf, dass eine erfolgreiche Behandlung der Albträume mit Hilfe der Imaginationstherapie die Symptome einer posttraumatischen Störung insgesamt verbessern könnte. »Wir diskutieren deshalb aktuell, ob das Umschreiben der Albträume für traumatisierte Patienten eine Art Türöffner sein kann«, erläutert Gieselmann. »Wenn sie durch diese einfache und zunächst oberflächliche Behandlung erst einmal besser schlafen, wirken andere Therapiebausteine möglicherweise besser.« Noch sei aber weitere Forschung notwendig, um das zu belegen.

Eine andere Behandlung, die im Positionspapier der amerikanischen Schlafmediziner Erwähnung findet, ist das luzide Träumen oder Klarträumen. So nennt man es, wenn jemand während eines Traums das Bewusstsein darüber erlangt, dass das Erlebte gerade nicht real ist – ohne von dieser Erkenntnis aufzuwachen. Geübten »luziden Träumern« gelingt es sogar mühelos, den Traum so fortzuspinnen, wie es ihnen gefällt. Das realistische Gefühl, das in Träumen das Erleben prägt, bleibt während eines Klartraums erhalten. Prinzipiell lassen sich so auch Albträume zu einem Happy End führen.

Tatsächlich ergab eine Studie von Michael Schredl, dass Patienten zwar öfters während eines Albtraums erkennen, dass sie träumen – sie wissen aber meist nicht, wie sie in diesem luziden Zustand in die Handlung des Traums eingreifen können. »Wie Erhebungen von uns zeigen, haben Menschen, die häufiger Albträume haben, auch häufiger luzide Träume. Das liegt vermutlich da­ran, dass Albträume meist bizarrer sind als normale Träume und man dann eher auf die Idee kommt, dass man sich gerade nicht in der Realität befindet«, erklärt Schredl.

Generell treten Klarträume nur selten auf. Mittlerweile werden aber in einer Vielzahl von Selbsthilfebüchern und Smartphone-Apps verschiedene Methoden angeboten, um das luzide Träumen absichtlich herbeizuführen. Entscheidend sind die so genannten Realitätschecks. Dabei gewöhnt man sich an, sich im Wachzustand etwa fünf- bis zehnmal am Tag immer in bestimmten Situationen zu fragen: »Träume ich oder bin ich wach?« Taucht im Traum dann diese oder vielleicht eine besonders bizarre Situation auf, beginnt man automatisch zu überlegen, ob man gerade träumt. Mit etwas Glück gelangt man dadurch in einen luziden Zustand.

Schredl empfiehlt das Verfahren aber nicht unbedingt als erste Option für Menschen, die stark unter ihren Albträumen leiden und schnell Abhilfe suchen. Denn anders als bei der Imagery-Rehearsal-Therapie, die leicht erlernbar ist, schafft es nicht jeder, in seinen Träumen die Regie zu übernehmen. Und bis man es beherrscht, vergeht meist mehr Zeit, als das Einstudieren einer neuen Traumvorstellung benötigt. »Wenn man sich besonders für Klarträume interessiert und den Aufwand nicht scheut, kann das durchaus eine effektive Methode gegen Albträume sein«, sagt der Psychologe. Der Mehrzahl der Betroffenen wäre jedoch schon mit der Erkenntnis geholfen, dass es oft bereits Erleichterung bringt, sich überhaupt mit seinen Albträumen zu beschäftigen – auf die eine oder andere Weise.

* Name von der Redaktion geändert

Was sind Albträume? Versuch einer Klärung

Wie Träume und insbesondere Albträume entstehen, hat Menschen schon immer fasziniert. Im Mittelalter gab es die Vorstellung, dass ein böser Naturgeist – Alb genannt, eine alte Form des Wortes Elf – sich dem Schlafenden auf die Brust setzte und ihm schlechte Träume bescherte. Nach psychoanalytischer Deutung dagegen entstehen Albträume, wenn Erfahrungen des Tages auf unbewusste seelische Konflikte treffen, was im Traum kreativ verarbeitet wird. Durch eine Traumdeutung soll es demnach möglich sein, die zu Grunde liegenden Motive zu erkennen, um diese dann therapeutisch bearbeiten zu können.

Sicher sind sich Schlafforscher bislang nur darin, dass im Traum vor allem Gedanken und Erlebnisse des Vortags auftauchen, die für uns emotional bedeutsam waren. Albträume zeigen dann wie unter einem Vergrößerungsglas das, wovor wir uns im Wachzustand gefürchtet haben. Sie machen also Stressfaktoren und Belastungen des Tages in verstärkter – und oft kreativ abgewandelter – Form sichtbar.

Die Wissenschaft streitet noch darüber, ob wir mit unseren Träumen wirklich Dinge verarbeiten oder ob sie diese Verarbeitung nur widerspiegeln. Unzweifelhaft ist, dass im Schlaf biologische Prozesse im Gehirn ablaufen, durch die etwa neu Gelerntes im Gedächtnis festgeschrieben und mit alten Informationen verknüpft wird. Unsicher ist jedoch, ob für diese so genannte Konsolidierung von Gedächtnisinhalten die Träume selbst notwendig sind. Stattdessen wäre es auch denkbar, dass sie dabei sozusagen nur als Nebenprodukt entstehen. Dann könnten wir durch sie unserem Gedächtnis quasi dabei zusehen, wie es die Eindrücke des Tages Revue passieren lässt und mit früheren Erfahrungen abgleicht – die Träume selbst wären aber nicht nötig für die nächtliche Aufräumarbeit.

Eine weitere Erklärung für Träume, insbesondere Albträume, vertritt der finnische Neurowissenschaftler Antti Revonsuo. Ihm zufolge helfen uns Träume dabei, uns auf gefährliche Situationen in der Zukunft vorzubereiten. Wir üben schon mal, vor wem wir wegrennen müssen, wie wir mit Unfällen, Krankheit und peinlichen Situationen umgehen können. Für diese Idee spricht, dass in ungefähr einem Drittel aller Träume eine direkte Bedrohung des Träumenden auftritt. Dieses mentale Training von Gefahrensituationen habe sich im Lauf der Evolution als hilfreich erwiesen, argumentiert Revonsuo. Dass Albträume vermehrt nach negativen Erlebnissen auftreten, erklärt sich dieser Theorie zufolge dadurch, dass Stresshormone das geistige Abwehrsystem aktivieren.

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  • Quellen

Gieselmann, A. et al.: The Effects of an Internet-Based Imagery Rehearsal Intervention: A Randomized Controlled Trial. In: Psychotherapy and Psychosomatics 86, S. 231–240, 2017

Morgenthaler, T. I. et al.: Position Paper for the Treatment of Nightmare Disorder in Adults: An American Academy of Sleep Medicine Position Paper. In: Journal of Clinical Sleep Medicine 14, S. 1041–1055, 2018

Randler, C. et al.: Chronotype, Sleep Behavior, and the Big Five Personality Factors. In: Sage Open 10.1177/2158244017728321, 2017

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