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News: Alles eine Frage des richtigen Zeitpunkts

Positronen und Antiprotonen haben Wissenschaftler schon erzeugt, aber mit dem Atom aus Antimaterie - im einfachsten Fall ein Anti-Wasserstoff - hapert es noch ein bisschen. Die beiden Teilchen bleiben einfach nicht lange genug stabil beieinander, damit sie etwas über die Eigenschaften des Anti-Atoms verraten würden. Darum haben Forscher mit Elektronen und Ionen in einem elektrischen Feld geübt, wie sich ein Atom zusammenbauen lässt. Jetzt hoffen sie, dass die Methode auch für Anti-Atome klappt.
Antimaterie ist eine alltägliche Erscheinung in Teilchenbeschleunigern, doch bisher tritt sie dort nur in Form von unabhängigen Antiprotonen und Positronen auf. Ein daraus zusammengesetztes Anti-Atom, das so lange stabil ist, dass Wissenschaftler seine Eigenschaften studieren könnten, ist bis jetzt noch nicht gelungen. Ein grundlegendes Problem dabei ist, dass ein schnelles Positron an einem Antiproton schlichtweg unbeeindruckt vorbei fliegen würde. Die Forscher müssen sich also ein paar Tricks einfallen lassen, um das Teilchen zu bremsen, damit es sich vom Antiproton einfangen lässt.

Zwar nicht bei Antimaterieteilchen, aber bei Elektronen und Ionen ist das einem Wissenschaftler-Team nun gelungen (Physical Review Letters vom 24. April 2000, Abstract). Die zu Grunde liegende Idee beruht auf einer altbekannten Tatsache: Elektronen werden gebremst, wenn sie sich in einem entgegengesetzt gerichteten elektrischen Feld vorwärts bewegen. Jetzt kam es 'nur noch' darauf an, das Elektron an einem Punkt zu stoppen, an dem es sich im Einflussbereich eines Ion befindet.

Die Forscher brachten Rubidium in ein schwaches elektrisches Feld ein und ionisierten es mit einem Laserstrahl. Damit entfernten sie zugleich die freien Elektronen, während die Ionen für die Dauer des Experimentes im Wesentlichen an ihrem Platz blieben. Etwa 130 Nanosekunden später erreichte ein Elektronenstrahl die Ionenansammlung – und in diesem Moment schalteten die Wissenschaftler das elektrische Feld ab. Die Kombination aus einem externen elektrischen Feld und dem Feld des Ions hatte um das Ion eine Potentialbarriere hinter dem Elektronen verursacht, die das Abschalten des Feldes nun noch mehr verstärkte. Die Elektronen gingen den Ionen in die Falle, und es entstanden hoch angeregte, so genannte Rydberg-Atome. Wie Bart Noordam vom FOM Institute for Atomic and Molecular Physics in Amsterdam erklärt, ist der Clou an der Sache eigentlich nur, den richtigen Moment abzupassen. Und da das Abschalten eines elektrischen Feldes mit der Stärke von 1,5 Volt pro Zentimeter in einer Nanosekunde keine große Sache sei, wäre die ganze Technik "schrecklich einfach".

Um die neu gebildeten Atome zu untersuchen, ließen die Forscher das elektrische Feld nach zwei Mikrosekunden langsam wieder anlaufen und verstärkten es auf höhere Werte als zuvor. So ionisierten sie die erhaltenen Atome und bestimmten die Verteilung ihrer Anregungszustände. Die Quantenzahlen der Elektronen in diesen angeregten Atomen wiesen Werte zwischen n = 123 und n = 200 auf, und die Verteilung entsprach recht genau einer theoretischen Kurve.

Mit dieser Technik konnten die Wissenschaftler etwa ein Prozent der Ionen rekombinieren, was ein "sehr ermutigender Schritt auf dem harten Weg zur Herstellung von kaltem Anti-Wasserstoff ist", meint Gerald Gabrielse von der Harvard University. Er bezieht sich dabei auf das internationale Forschungsvorhaben ATRAP, an dem auch Noordams Gruppe beteiligt ist. In dessen Rahmen versuchen Wissenschaftler, Anti-Wasserstoff herzustellen, um dann die Schwerkraft und weitere Grundlagen der Physik an neutraler Antimaterie zu testen. Für Thomas Gallagher von der University of Virginia ist die Arbeit der Wissenschaftler um Noordam sehr beeindruckend. Denn bis zur Veröffentlichung ähnlicher Versuche vor zwei Jahren hatten Forscher den Einsatz von elektrischen Feldpulsen zur Rekombination noch für "theoretische Phantasien" gehalten. Bei den neuen Experimenten jetzt wären zum ersten Mal wirklich freie Elektronen verwendet worden, erklärt er, und deshalb sei es eine "elegante Arbeit".

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