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News: Allosaurus rennt

Angesichts der riesigen Fleisch fressenden Saurier hatten die trägen Pflanzenfresser kaum eine Chance. Auf kräftigen Beinen preschten die Echsen vom Schlage eines Allosaurus durch die urzeitliche Landschaft, immer auf der Jagd nach Beute. Doch so flink und beweglich, wie allerorts im Kino zu sehen, waren die Raubsaurier wohl nicht. Vielmehr waren ihren Körpern von der Physik enge Grenzen gesetzt.
Wozu kaum ein Forschungsinstitut in der Lage ist, schafften die Trickstudios Hollywoods: die zumindest technisch perfekte Rekonstruktion der Welt während der Jura- und der Kreidezeit. Seit Jurassic Park ist der Kinobesuch für manchen Paläontologen gar zur dienstlichen Pflicht geworden. Doch dass man nicht alles glauben sollte, was auf der Leinwand geschieht - auch bei Jurassic Park nicht -, zeigen uns jetzt David Carrier, David Lee and Rebecca Walter von der University of Utah.

Anstelle millionenschwerer Simulationen komplexer Bewegungsabläufe, begaben diese Forscher sich mit Hammer, Säge und einigen Studenten in die Institutswerkstatt und bastelten eine Verkleidung, die aus den studentischen Mitarbeitern Saurier werden ließ. Denn Menschen und Theropoden - das sind Dinosaurier, zu denen Allosaurus, aber auch der prominente Tyrannosaurus rex gehörten - haben eines gemein: Sie laufen - respektive liefen - auf zwei Beinen. Während der Mensch sich aber aufrecht bewegt, schwankte der Körper der Riesenechsen eher waagerecht durch die Landschaft, wobei es galt, einen langen Schwanz und einen oft nicht minder langen Hals zu kontrollieren.

Auf der Leinwand kommen die Tiere damit erstaunlich gut zurecht, was die Arbeitsgruppe von David Carrier verwirrte, denn die Biologen erkannten ein gewichtiges Problem: das Trägheitsmoment. Geradeauslaufen ist okay, aber Haken schlagen und Großwildjäger aus ihren Geländewagen schubsen, das dürfte den Sauriern vom Schlage eines Allosaurus nur schwerlich gelungen sein.

Die Vorgehensweise der Wissenschaftler ist schnell erzählt. Anhand der Dimensionen eines kleinen Plastiksauriers kalkulierten sie die Trägheitsmomente eines Allosaurus und rechneten sie hoch auf 90 Kilogramm - vermutlich das durchschnittliche Gewicht der studentischen Mitarbeiter. Denen bastelten die Forscher nun einen Rucksack, an dem in Hüfthöhe ein Holzgestell angebracht war, das vorwärts und rückwärts jeweils 1,2 Meter herausragte. Von der Seite sahen die Studenten nun aus, als stünden sie in einer Leiter, die an ihren Hosenträgern hing - beziehungsweise wie ein jurazeitlicher Allosaurus. Mithilfe von Gewichten in dem Holzgestell ließ sich das Trägheitsmoment der Studenten variieren und bis auf das Neunfache erhöhen.

Was nun kam, war schlichtweg harte körperliche Qual. In einem ersten Versuch sollten die Studenten in die Luft springen und dabei versuchen, sich zu drehen, was nicht einfach war, bedenkt man, dass vorne und hinten Gewichte zur Trägheit zwangen. Je weiter diese Gewichte vom Körper entfernt waren, umso weniger konnten sich die menschlichen Saurier drehen. Im ungünstigsten Fall schafften sie nur ein Fünftel der Drehbewegung, die den Kommilitonen ohne Gewichte gelang.

In einem zweiten Test galt es, mit dem unhandlichen Gestell einen Zickzack-Parcours mit insgesamt sechs 90-Grad-Wendungen zu absolvieren. Saurier und Menschen - die Kontrollpersonen ohne eingeschränktes Trägheitsmoment - stellten sich auf und rannten auf Kommando los. Ein ungleicher Wettbewerb zum Nachteil der Saurier, die keine Chance hatten, kaum um die Ecken kamen und im Vergleich ganze 77 Prozent langsamer waren.

Da stellt sich die Frage, wie die Saurier mit so einer körperlichen Konstitution zu den größten Jägern aller Zeiten aufsteigen konnten. Carrier und seine Kollegen glauben, dass Allosaurus, Tyrannosaurus und Kumpanen anders nach Beute jagten, als die meisten Forscher und Filmemacher annehmen. Wenn es nach Carrier ginge, wären die Echsen vielmehr mit krummem Rücken, aufgestelltem Schwanz und eng am Körperschwerpunkt angelegten Vorderbeinen durch Jura und Kreide gerannt, um so ihr Trägheitsmoment um immerhin 50 Prozent zu reduzieren.

"Unsportliche Haltung" meinen andere. Dann hätte der kräftige Schwanzmuskel kaum beim Antrieb der Beine helfen können, bemerkt beispielsweise Don Henderson von der Johns Hopkins University. Überhaupt hätten die Echsen, wären sie agiler gewesen, sicher größere Zehen und breitere Füße gehabt. Ob sich Carriers Arbeitsgruppe diese Argumente nun zu Herzen nimmt und die Ausstattung ihrer studentischen Mitarbeiter diesbezüglich erweitert, ist nicht bekannt.

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