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Astronomie: Als die Milchstraße ihre Nachbarn anknabberte

Einst zog unsere Galaxie die Magellanschen Wolken an sich - und riss dabei große Mengen Gas aus ihnen heraus. Erst jetzt können Forscher rekonstruieren, was damals genau passierte.
So sähen die Magellanschen Wolken aus, wenn man auch das Gas in ihrem Umfeld sehen könnte

Könnten Menschen ihn sehen, wäre er wohl die spektakulärste Himmelserscheinung auf der Südhalbkugel: Ein langes, mehrgliedriges Band, das sich quer über das halbe Firmament zieht. Doch da der »Magellansche Strom« vorrangig aus diffus verteiltem Gas besteht, ist er für das bloße Auge unsichtbar – und damit fast nur Astronomen ein Begriff.

Forscher rätseln seit Jahrzehnten über den Ursprung der markanten Struktur, deren Gesamtmasse sie auf mehr als eine Milliarde Sonnen schätzen. Fest steht, dass der rund 180 000 Lichtjahre entfernte Gasstrom etwas mit den beiden Magellanschen Wolken zu tun hat. Die Galaxienzwerge kreisen in einem Abstand von 160 000 bis 200 000 Lichtjahren um unsere Milchstraße und sind als diffuse Lichthöfe am südlichen Nachthimmel erkennbar. Vermutlich hat sie unsere Galaxie vor ein paar Milliarden Jahre eingefangen.

Der Magellansche Gasschweif | Die rötliche Struktur in dieser Panoramakarte ist der im Radiowellenbereich beobachtete Magellansche Gasschweif, der sich annähernd halb um unser Milchstraßensystem herum erstreckt. Die beiden hellen Flecken im Gasschweif rechts sind die Magellanschen Wolken, zwei Begleiter unserer Galaxis. In der Nähe des kleineren hellen Flecks lässt sich ein zweiter kürzerer Gasschweif erkennen. Die Radiodaten wurden mit dem Leiden/Argentine/Bonn Survey (LAB) aufgenommen.

Dabei müsste die Milchstraße Gas aus den kleineren Welteninseln herausgerissen haben, das nun auf der Bahn der beiden Satellitengalaxien durchs Weltall driftet. Der Magellansche Strom lässt sich mit diesem Szenario allerdings nur in Teilen erklären: Simulationen zufolge sollte sich bei der Begegnung von Milchstraße und Magellanschen Wolken nur ein Zehntel der Masse gelöst haben, die heute in dem Materieband gebündelt ist.

Astrophysiker um Scott Lucchini von der University of Wisconsin-Madison glauben diesen Widerspruch nun auflösen zu können: Sie haben in ihren Simulationen auch einen ausgedehnten Kokon aus heißem Gas berücksichtigt, der die Zwerggalaxien umgeben sollte – und können damit die Form und Masse des Magellanschen Stroms erklären.

Hinweise auf diese »Magellansche Corona« hatten schon frühere Studien geliefert. Lucchini und Kollegen plädieren jetzt dafür, dass die Hülle aus heißer, dünn verteilter Materie einst rund drei Milliarden Sonnenmassen auf die Waage brachte und etwa ein Viertel davon verlor, als die Zwerggalaxien in den Einflussbereich der Milchstraße gelangten. So ließe sich auch erklären, wieso im Magellanschen Strom keine Sterne durchs All driften: Die Corona habe sie gewissermaßen davor bewahrt, aus ihrer Heimatgalaxie herausgeschleudert zu werden, schreiben die Forscher in »Nature«.

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